Eine Trendwende bei der Geldpolitik ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Diese Erkenntnis beendete die Erholungsbewegung an den Aktienmärkten, die sich über den Sommer entwickelt hatte. Diese Einsicht kann jedoch niemanden ernsthaft überraschen. Erstens bewegen sich die Inflationsraten weiterhin nahe der Höchststände. Zweitens sind Fed-Offizielle regelmäßig ausgerückt, um allzu optimistische Markterwartungen zu korrigieren. Drittens sind die Arbeitsmärkte als wichtiger Indikator für den Zustand der Wirtschaft nach wie vor robust. Und schließlich halten sich die Aktienmärkte trotz aller Widrigkeiten verhältnismäßig gut. Aus der Perspektive eines Währungshüters betrachtet, gibt es somit keine Veranlassung, von dem Pfad einer geldpolitischen Straffung abzurücken.
Für die EZB kommt hinzu, dass die Währung abschmiert, was zusätzliche Inflationsimpulse erzeugt. Daher kommen hierzulande sogar Zinsanhebungen im Dreivierteltakt (+0,75 %) infrage, was vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen wäre. Somit müssen sich die Märkte darauf einstellen, dass die Notenbanken nicht – wie in den letzten Jahren – beim ersten Stress zur Rettung ausrücken. Es wird in diesem Zyklus länger dauern, bis es an der geldpolitischen Front zu einem Einlenken kommt. Gleichzeitig befinden sich viele Frühindikatoren für die Konjunktur auf Talfahrt. Gemeinsam mit den hohen Energiekosten wird man sich auf eine deutliche Abkühlung der Weltwirtschaft einstellen müssen, die in manchen Bereichen zu einer Rezession führen wird. Ein Rückgang der Unternehmensgewinne ist damit nur eine Frage der Zeit. Auf nächste Sicht sprechen die Einflussfaktoren für die Aktienmärkte somit eine eindeutige Sprache: Eine defensive Ausrichtung ist angebracht.
Staatsanleiherenditen zuletzt stark gestiegen
Staatsanleiherenditen sind nach der Erholung im Juli zuletzt wieder kräftig angestiegen. Innerhalb der gesamten Assetklasse Anleihen sind wir in erster Linie bei europäischen, insbesondere deutschen und französischen, Staatsanleihen zurückhaltend positioniert. Wir bevorzugen kurz laufende US-Staatsanleihen vor langen und rechnen hier mittelfristig mit einer steileren Zinskurve.
Unternehmensanleihen: Bankanleihen nach wie vor attraktiv
Am Corporate-Bond-Markt bevorzugen wir Bankanleihen gegenüber Non- Financials Anleihen (Industrieanleihen); zudem Investmentgrade-Anleihen (Euro) gegenüber High-Yield- Unternehmensanleihen (Euro). Die Risikoprämien letzterer signalisieren zwar deutlich angestiegene Ausfallrisiken, diskontieren unserer Meinung nach jedoch noch nicht ausreichend eine zu erwartende weitere Abkühlung der konjunkturellen Entwicklung.
Emerging-Markets-Anleihen mit attraktiven Risikoprämien, aber diversen Risiken
Die Risikoprämien von Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen präsentieren sich nicht unattraktiv, doch v.a. die in Asien/China zunehmend schwachen Konjunkturindikatoren, ein mehr als problematischer Immobiliensektor und ein offenbar verpuffendes Stimuluspaket veranlassen uns dazu, bei dieser Anleiheklasse vorerst nicht zuzugreifen.
Entwickelte Aktienmärkte: restriktiver werdendes Liquiditätsumfeld als Belastung
Die internationalen Aktienmärkte entwickelten sich in den letzten Monaten unter großer Volatilität seitwärts. Trotz zuletzt schwächerer Konjunkturvorlaufindikatoren ist der Fokus der
Notenbanken aktuell ganz klar auf das Thema Inflationsbekämpfung ausgerichtet. Wir sehen das restriktiver werdende Liquiditätsumfeld unverändert als einen der größten Belastungsfaktoren für die nächsten Monate. Wir sind skeptisch, dass die Notenbanken sehr schnell eine Kehrtwende vollziehen werden und bleiben daher bei Aktien mehr als vorsichtig.
Schwellenländer-Aktienmärkte bekommen Verteuerung von Energie zu spüren
Weiterhin präsentieren sich Emerging-Markets-Aktien von der schwachen Seite und heben sich nicht von den entwickelten Märkten ab. Verantwortlich ist dafür unter anderem, dass auch der asiatische Raum die deutliche Verteuerung von Energie als Inputfaktor zu spüren bekommt, da Europa zunehmend um LNG-Importe mit Asien in Preiskonkurrenz tritt. Unter diesen Vorzeichen wird es schwer, dass sich die globale Wirtschaft erholt. Interessant ist, dass die Gewinnentwicklung weiterhin recht stabil ist, was dazu führt, dass die Bewertung deutlich zurückgeht.
Rohstoffmärkte zuletzt wieder fester
Die Rohstoffmärkte präsentierten sich zuletzt wieder etwas fester, wobei in den letzten Monaten vor allem die zyklischen Industriemetalle aufgrund von zunehmenden Konjunkturwachstumsängsten Verluste hinnehmen mussten. Eine Sonderrolle nimmt aktuell unverändert der Energiesektor ein, der stark von der Nachrichtenlage in der Ukraine bzw. von den Entwicklungen im Bereich Erdgas beeinflusst wird.
Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG