Nach schweren Verlusten im August und September konnten sich Aktien zuletzt stabilisieren und mancherorts etwas erholen. Dafür sind folgende Gründe auszumachen:
(1) Die Fundamentaldaten präsentieren sich nach wie vor robust. Beispielsweise sind die Arbeitsmärkte der großen Volkswirtschaften weiterhin bombenfest. Auch die Unternehmensergebnisse können immer noch als solide bezeichnet werden.
(2) Viele Marktteilnehmer hoffen neuerlich auf eine Kehrtwende der Notenbanken in Bezug auf ihre aggressiven Zinsanhebungen. Neuerlich deshalb, weil es diese Hoffnungen auch im Sommer (siehe Markterholung Juni – August) gab.
(3) Es finden sich in jedem Abwärtstrend immer wieder Gegenbewegungen, die einfach aus einer „überverkauften“ Situation heraus entstehen, ohne dass sich das Umfeld geändert haben muss. Wie nachhaltig ist diese Erholung nun bzw. haben wir es bereits mit einem beginnenden neuen Aufschwung zu tun? Mit Blick auf die genannten Einflussfaktoren ergibt sich folgende Einschätzung.
Ad (1) Der Arbeitsmarkt ist ein nachlaufender Indikator im Wirtschaftszyklus. Eine Abschwächung ist eine Frage der Zeit. Nicht zuletzt deshalb stehen die Zeichen für viele Wirtschaftsräume auf Rezession.
Ad (2) Wie die Notenbanken laufend klar zu machen versuchen, sind sie noch weit davon entfernt, den Kampf gegen die Inflation für gewonnen zu erklären. Die Fed hat zuletzt nicht nur einer Pause bei den Zinsanhebungen eine Absage erteilt, sie hat auch in Aussicht gestellt, dass der Leitzins noch stärker angehoben werden könnte, als bislang erwartet.
Ad (3) Die überverkaufte Situation am Markt ist bereinigt, jetzt kann man sich wieder dem Haupttrend zuwenden. Und diesen erwarten wir – wenig überraschend nach der vorangegangenen Argumentation – weiterhin nach unten. Bis zum Tiefstand an den Aktienmärkten in diesem Marktzyklus werden wir uns wohl noch den einen oder anderen Monat gedulden müssen.
Staatsanleiherenditen erreichen mehrjährige Höchststände
Die starke Dynamik der Renditeanstiege blieb weiterhin aufrecht. Obwohl die Renditen mehrjährige Höchststände erreicht haben, bleiben wir vor allem bei Euro-Staatsanleiherenditen vorsichtig. Dies gilt in erster Linie für deutsche und französische Staatsanleihen. Wir bevorzugen kurze US-Staatsanleihen vor langen und rechnen mittelfristig wieder mit einer steileren Zinskurve.
Unternehmensanleihen: Risikoprämien bewegen sich nur noch leicht nach oben
Die Risikoprämien von Unternehmensanleihen drifteten zuletzt leicht nach oben bzw. seitwärts. Wir bevorzugen Bankanleihen, die wir attraktiver einstufen als Non-Financials Anleihen. Deutsche Pfandbriefe erachten wir attraktiver als Euro- Staatsanleihen, ebenso EUR Investmentgrade-Corporate-Bonds gegenüber EUR High-Yield-Unternehmensanleihen, die sich vergleichsweise gut halten konnten. Dies mag auch daran liegen, dass die Ratingagenturen lediglich moderate Ausfallsratenanstiege prognostizieren.
Emerging-Markets-Anleihen werden weiterhin abgestraft
Neben schwachen Wirtschaftsindikatoren wird dieses Anleihesegment durch sinkende Rohstoffpreise, eine allgemeine restriktivere Notenbankpolitik und eine immer deutlicher werdende Risikoaversion von Investorenseite abgestraft. Hinzu kommt eine beeindruckende Wirkungslosigkeit der umfangreichen chinesischen Stimulusmaßnahmen.
Entwickelte Aktienmärkte: zuletzt deutlich erholt
Die internationalen Aktienmärkte konnten sich in den letzten Wochen, angetrieben von der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zinsanhebungen, deutlich erholen. Wir sehen das restriktiver werdende Liquiditätsumfeld unverändert als einen der größten Belastungsfaktoren für die nächsten Monate. Zusätzlich trüben sich auch die Gewinnaussichten der Unternehmen stärker ein. Wir bleiben daher bei unserer Untergewichtung im Aktienbereich im Ausmaß von zwei Schritten.
Schwellenländer-Aktienmärkte: Wachstum könnte wieder in den Fokus rücken
Im wichtigsten Teil der Assetklasse Emerging Markets Aktien, in China, hat im letzten Monat die politische Weichenstellung für die nächsten Jahre stattgefunden: Die Macht von Xi Jingping wurde zementiert und damit auch sein Politikstil, der sich als nicht allzu marktfreundlich darstellt. Die Märkte goutieren das nicht. In den letzten Tagen gibt es aber auch positivere Anzeichen: So sollen die Einschränkungen im Flugverkehr wegen Covid in China deutlich gelockert werden. Damit macht sich wieder einmal Hoffnung breit, dass nunmehr wieder Wachstum stärker im Fokus stehen könnte. Wir behalten unsere neutrale Positionierung bei.
Rohstoffmärkte tendieren seitwärts
Die Rohstoffmärkte tendierten zuletzt seitwärts. Auf Sicht der letzten Monate mussten vor allem die zyklischen Industriemetalle aufgrund von zunehmenden Konjunkturwachstumsängsten Verluste hinnehmen. Im Energiebereich rückt die OPEC (Angebotsrücknahmen) wieder stärker in den Mittelpunkt. Wir sind nun etwas vorsichtiger bei Rohstoffen und haben unsere Position geschlossen.
Von Ingrid Szeiler, CIO, Raiffeisen KAG