Negative Stimmung an den Märkten setzt sich fort
Kräftiger Gegenwind für Aktien und Anleihen kam neuerlich von weiter anziehenden US-Anleiherenditen. Wieder zunehmende Konjunktursorgen sowie die unerwartete, massive Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Hamas belasteten die Stimmung auf den Märkten zusätzlich. Dennoch könnte erst einmal ein vorläufiger Tiefpunkt auf den Aktien- und Anleihemärkten in den USA erreicht sein und eine Erholung Richtung Jahresende einsetzen. Beides würde vermutlich auch Aktien und Anleihen in den Schwellenländern beflügeln. Wie stark und wie nachhaltig diese etwaigen Erholungen ausfallen, bleibt natürlich abzuwarten. Die nochmals gestiegenen geopolitischen Spannungen bedeuten zusätzliche Unwägbarkeiten.
Im Oktober wurden die Hoffnungen auf eine Aktienmarkterholung jedenfalls enttäuscht, sieht man von einzelnen Ausnahmen ab, wie etwa Polen, wo die Aktien nach den Wahlen sehr positiv auf die zu erwartende neue, voraussichtlich marktfreundlichere Regierung reagierten. Internationale Investor:innen hielten sich insgesamt mit Emerging-Markets-Aktienkäufen sehr zurück. Bei Emerging-Markets-Anleihen dauerten die schon seit langem zu beobachtenden Kapitalabflüsse seitens internationaler Investor:innen unvermindert an. Zu Beginn des Novembers setzte allerdings ein kräftiger Aufwärtsschub auf den Aktienmärkten ein, der vor allem von kräftig fallenden Anleiherenditen in den USA ausgelöst wurde. Es wird sich natürlich erst zeigen müssen, ob dies der Beginn einer anhaltenden Erholung ist. Es spricht durchaus einiges dafür. Zumindest in Richtung Jahresende könnte sich ein positiverer Trend durchsetzen.
Weltkonjunktur schwächt sich weiterhin ab
Für das längerfristige Bild kommt zumindest von der Konjunkturseite derzeit noch wenig Positives. Das gilt vor allem für Europa, das sich wirtschaftlich schwächer entwickelt, als allgemein erwartet wurde. Die Auswirkungen zeigten sich unter anderem in den jüngsten chinesischen Exportdaten, die vor allem aufgrund schwächerer Ausfuhren in die EU negativ überraschen. Die Vorlaufindikatoren für Europa zeigen dabei derzeit noch keine Besserung an und auch in den USA wird von einer wirtschaftlichen Abschwächung in den kommenden Quartalen ausgegangen. In China zeichnet sich hingegen eine Stabilisierung des Wirtschaftswachstums ab, allerdings vorerst auch nicht viel mehr als das. In Summe bleibt der globale Konjunkturimpuls negativ.
US-Renditen und Chinas Konjunktur als Schlüsselfaktoren
Das steht einer zumindest vorübergehenden Aktienmarkterholung natürlich nicht im Weg, zumal die Märkte diese negativen Entwicklungen teilweise auch bereits eingepreist haben. Für einen tragfähigen langfristigen Aufwärtstrend müsste sich aber mindestens eine konjunkturelle Trendwende abzeichnen.
Unterstützung für Konjunktur und Finanzmärkte könnte allerdings im ersten Halbjahr 2024 von der Zinsseite kommen. Je nachdem, ob bzw. wann die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet und wie lange diese anhält, ist mit mehr oder minder deutlich sinkenden US-Renditen – zumindest in den kurzen und mittleren Laufzeiten – zu rechnen und ebenso mit einem nachgebenden US-Dollar (aufgrund der dann rückläufigen Zinsdifferenz zu vielen anderen Ländern).
Sind stärkere EM-Aktien und -Anleihen bei einer US-Rezession möglich?
Profitieren könnten in einem solchen Szenario vor allem Schwellenländer-Anleihen, speziell jene in Lokalwährung. Der Zeitpunkt ist allerdings schwer vorhersehbar. Bislang erwiesen sich im aktuellen Konjunkturzyklus ja sämtliche Rezessionsvorhersagen für die USA als verfrüht. Eine etwas länger anhaltende, moderate Schwäche der US-Wirtschaft muss dabei keineswegs negativ für die meisten Emerging Markets sein. Die positiven Effekte von fallenden US-Anleiherenditen und nachgebendem US-Dollar könnten überwiegen. Und sollte China zu diesem Zeitpunkt wieder auf einen stärkeren Wachstumspfad zurückfinden, ist eine Outperformance von Aktien und Anleihen der Schwellenländer absolut möglich und wäre durchaus plausibel.
Eskalation im Nahen Osten schafft neue Unwägbarkeiten
Auf den Angriff der Hamas auf israelische Dörfer und Militäreinrichtungen reagierte Israel mit massiven Bombardements des Gazastreifens und rückte zuletzt auch mit Bodentruppen nach Gaza vor. Ein gewisser Lichtblick ist dabei bisher, dass der Iran und die mit ihm verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon derzeit offenbar nicht daran interessiert sind, stärker in den Konflikt hineingezogen zu werden. Die Kapitalmärkte der nahöstlichen Länder haben naturgemäß negativ auf diese militärische Auseinandersetzung reagiert, jedoch hielt sich der Effekt in Grenzen und war auch nicht dauerhaft.
Die große Mehrheit der Marktteilnehmer:innen geht derzeit offenkundig von keiner weiteren größeren Eskalation, sondern von einem begrenzten Konflikt aus. Der Ölpreis liegt nach einem vorübergehenden Anstieg sogar niedriger als vor dem Angriff der Hamas. Sollte es wider Erwarten doch zu einer Ausweitung der kriegerischen Aktivitäten kommen, wären vor allem steigende Energiepreise eine erhebliche Gefahr für den derzeitigen globalen Prozess sinkender Inflationsraten, und die aktuellen erwarteten Konjunktur- und Finanzmarktszenarien könnten dann rasch hinfällig werden. Jedoch gehen wir derzeit nicht von einem solchen Szenario aus.