Als ob die Welt nicht schon genug zu verkraften hätte, insbesondere mit den kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen potenziell drohenden geopolitischen Konflikten, wurde am sogenannten Liberation Day zusätzlich ein globaler Handelskrieg entfacht. Obwohl sich nach dem temporären Aufschub der meisten am 2. April angekündigten Zölle der Hauptfokus auf die angespannte Beziehung der beiden Großmächte USA und China zugespitzt hat, kämpft die US-Administration de facto gegen alle Handelspartner. Und auch wenn im 90-Tage-Zeitfenster mit vielen Ländern jeweils für beide Seiten verträgliche „Deals“ zustande kommen sollten, stellt sich die Frage, wie stark sich das globale Wirtschaftsklima infolge der allgemeinen Irritation bereits eingetrübt hat. Jedenfalls wurden die Wachstumsschätzungen, insbesondere für die USA, in den letzten Wochen stark reduziert und auch der CEO Confidence Index, der die Stimmung unter amerikanischen Führungskräften misst, ist abrupt zurückgegangen. Im Zuge der aktuellen Berichtssaison wird so häufig wie selten zuvor von einem herausfordernden Umfeld berichtet. Sowohl beim Ausblick als auch bei etwaigen Investitionen ist derzeit Skepsis bei den Firmenchefs angesagt. Die eingeschränkte Planbarkeit für die Unternehmen einerseits und ein absehbarer Margendruck andererseits lasten auf den Ertragsaussichten, zumal höhere Kosten wohl nicht zur Gänze an Kund:innen weitergegeben werden können. Seitens der Analyst:innen werden die Gewinnschätzungen für 2025 schon deutlich nach unten revidiert, wenngleich bislang immer noch von einem – wenn auch geringeren – Zuwachs bei den Unternehmensgewinnen gegenüber dem Vorjahr ausgegangen wird. In Summe mehren sich die Warnsignale basierend auf Umfragen bzw. Prognosen und es ist folglich in den nächsten Monaten auch von einer Abschwächung bei den offiziellen „harten Daten“ auszugehen. Bis sich am derzeit noch robusten Arbeitsmarkt eine entsprechende Abschwächung zeigt, wird der US-Notenbankchef im Wait-and-See-Modus verharren und vorerst nicht die Zinsen weiter senken, zumal die Inflationsgefahr infolge der erwartbaren Effekte aus den Importzöllen erhöht bleibt. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind durch die anhaltende Unsicherheit als instabil und damit besonders schwierig zu bezeichnen – das gilt sowohl für die Realwirtschaft als auch für den Kapitalmarkt.
Staatsanleihen: steilere Zinskurven am langen Ende wahrscheinlich
Wir rechnen mit niedrigeren Renditen bei deutschen Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit (5 Jahre) und sind hier entsprechend zurückhaltend. Aufgrund fehlender Einschätzbarkeit der US-Administration bleiben wir bei US-Staatsanleihen vorerst Duration-neutral positioniert, rechnen jedoch (wie bei deutschen Staatsanleihen) mit einer steileren Zinskurve am langen Ende (10/30 Jahre Zinskurve). Für Euro-Staatsanleihen, insbesondere für französische und deutsche Papiere, sind wir positiv gestimmt.
Unternehmensanleihen: US-Wirtschaftspolitik schwächt den US-Unternehmenssektor
Am Markt für Unternehmensanleihen waren und bleiben wir bei US-High-Yield-Unternehmensanleihen vorsichtig. Die von US-Präsident Trump präferierte Wirtschaftspolitik dürfte den dort verhafteten Unternehmenssektor vermutlich weiter schwächen. Wir rechnen mit steigenden Risikoprämien und sind entsprechend zurückhalten bei dieser Anleiheklasse. Am Markt für Euro-Unternehmensanleihen bleiben wir weiterhin neutral positioniert. Wesentlich engere Risikoprämien erwarten wir hier allerdings nicht.
Emerging-Markets-Anleihen mit inhärenten Risikofaktoren
Bei Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen bleiben wir defensiv positioniert. Ausschlaggebend ist für uns die erwartete höhere Risikoaversion von USD-Anleiheninvestoren. Die Risikoprämien von Schwellenländer-Hartwährungsanleihen sind zwar ab Mitte Februar 2025 moderat angestiegen, doch in Summe diskontiert das aktuelle Spread-Niveau die inhärenten Risikofaktoren unserer Meinung nach nur ungenügend.
Entwickelte Aktienmärkte: erratische US-Politik sorgt für anhaltende Unsicherheit
Die globalen Aktienmärkte haben sich vom "Zollschock" überraschend schnell erholt. Die Hoffnung auf geringere Zölle und rasche Handelsabkommen scheint aktuell zu dominieren. Wir erwarten aber weiterhin, dass die erratischen Maßnahmen aus den USA für anhaltende Unsicherheit sorgen werden. Geringeres Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig höheren Inflationsraten wird auch den Unternehmenssektor belasten. Unsere Indikatoren haben sich weiter verschlechtert und wir fahren daher unsere Aktienpositionierung – temporär – weiter zurück.
Emerging Markets: Erholung bei der Gewinnentwicklung im asiatischen Raum
Nach der durchwachsenen Entwicklung von US-Aktien seit Jahresbeginn konnten Emerging-Markets-Aktien weiter in Relation aufholen, wenngleich von sehr geringem Niveau. Die Maßnahmen der US-Regierung wirken zunehmend erratisch, sodass Unsicherheit eher in den USA selbst gepreist wird und nicht so sehr außerhalb. Dabei ist die fundamentale Bewertung für die Emerging-Markets-Region weiter recht günstig. Zudem kommt eine Erholung bei der Gewinnentwicklung im für den Index sehr wichtigen asiatischen Raum. Seit Jahresbeginn konnten insbesondere Telekom und zyklischer Konsum profitieren.
Rohstoffmärkte: starke Förderausweitungen belasten den Energiebereich
Die internationalen Rohstoffmärkte präsentierten sich zuletzt sehr uneinheitlich. Edelmetalle konnten erneut zulegen. Der Sektor profitiert von der globalen Unsicherheit und Zentralbankkäufe sorgen für anhaltende Unterstützung. Während Industriemetalle ebenfalls leicht zulegen konnten, belasteten im Energiebereich die überraschend starken Förderausweitungen.
Von Karin Kunrath, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG