"2019 erwies sich als ein spektakuläres Jahr für die meisten Anlageklassen, und die Anleihen der Schwellenländer bildeten hier keine Ausnahme. Die Renditen wurden durch eine Kombination aus zunächst günstigeren Bewertungen und auch durch die Kehrtwende der Fed und der darauffolgenden Kursrally in den USA getrieben. Einige Hauptrisiken wurden ausgepreist, darunter der Handelskrieg zwischen den USA und China nach der Ankündigung des Phase-1-Deals.
Die Anlageklasse ist wesentlich diversifizierter als Anfang der 2000er Jahre: Heute sind fast 80 Länder vertreten, während es damals weniger als 20 waren. Viele Länder, darunter auch Brasilien, konnten ihr Schuldenprofil unter anderem dadurch verbessern, dass sie sich stärker in ihrer Landeswährung statt über Auslandskredite finanzierten. Dies erhöhte die Widerstandsfähigkeit und senkte das Ansteckungsrisiko.
Ausblick auf 2020
Die Erträge des letzten Jahres werden sich wahrscheinlich 2020 nicht wiederholen. Das liegt vor allem daran, dass die Anfangsbewertungen, insbesondere bei den Spreads, aber auch bei den lokalen Zinssätzen, ungünstiger sind. Hier nun drei Szenarien für die weitere Entwicklung. Sie gehen von parallelen Spread- oder Renditeverschiebungen aus und beinhalten den anfänglichen Carry, nicht aber die Differenz der Renditebewegungen im Jahresverlauf.
Szenario A: Unverändert
Das unveränderte Szenario – was in den Schwellenländern fast nie passiert – zeigt die Renditen, wenn alles konstant bleibt: im Wesentlichen also Renditen, die nur auf dem Carry und ohne Währungsbewegungen gegenüber dem US-Dollar basieren.
Szenario B: Hausse
Ein Aufwärtsszenario würde ein unterstützendes makroökonomisches Umfeld widerspiegeln, in dem sich das Wachstum in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften verbessert, die USA sich nur leicht verlangsamen, die Zentralbanken der Industrieländer weiterhin eine lockere Geldpolitik verfolgen und die globalen geopolitischen Risiken, von denen es viele gibt, nicht zunehmen.
Szenario C: Baisse
Ein Baisse-Szenario spiegelt ein schwierigeres makroökonomisches Umfeld mit einer weiteren Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums wider oder ein Szenario einer weniger akkommodierenden Politik der globalen Zentralbanken und steigender Inflation, einer Verschärfung der geopolitischen Risiken oder politischer Fehler in verschiedenen Volkswirtschaften.
Da nur wenige Zentralbanken der Emerging Markets die Zinsen in diesem Jahr weiter senken werden, dürften in allen Szenarien eher die Währungen als die Zinsen der wichtigste Renditetreiber sein. Die meisten Zentralbanken – egal ob in Schwellenländern oder Industriestaaten – sind inzwischen am Ende des geldpolitischen Lockerungszyklus oder stehen kurz davor, so dass der Spielraum für eine Rally der lokalen Zinsen deutlich geringer ist.
Trotz der günstigen Bewertungen der Schwellenländerwährungen bleibe ich in meiner Asset Allocation angesichts der Unsicherheit der verschiedenen geopolitischen Risiken und der möglichen Auswirkungen auf den US-Dollar insgesamt neutral positioniert. Ähnlich wie bei meiner Einschätzung für 2019 gehe ich nicht davon aus, dass die Asset Allocation ein wesentlicher Treiber für eine überdurchschnittliche Wertentwicklung sein wird, sondern eher die Positionierung an den Märkten und, in geringerem Maße, in bestimmten Ländern, sowie ein angemessenes Risikomanagement.
Auch wenn Schwellenländeranleihen im Vergleich zu der Bewertung vor einem Jahr nicht günstig scheinen, haben die meisten anderen Anlageklassen wie Aktien oder US-High Yield ebenfalls deutlich zugelegt. So könnte die Anlageklasse also relativ gesehen in einem Umfeld anderer, niedrig verzinslicher Anlagen immer noch attraktiv sein.“
Claudia Calich, Fondsmanagerin des M&G (Lux) Emerging Markets Bond Fund