"Wir erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) während ihrer nächsten Sitzung am 26. April weder eine Änderung der Geldpolitik noch ihrer sogenannten Forward Guidance vornehmen wird.
Für eine Aufrechterhaltung des Status Quo gibt es unseres Erachtens zwei Gründe. Zum einen waren die jüngsten Wirtschaftsdaten und Umfrageergebnisse aus Europa zuletzt weniger positiv als noch zu Beginn des Jahres. Zum anderen bleibt die Gesamtinflationsrate in der Eurozone moderat (im März 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und die Kerninflation hält sich auf niedrigem Niveau (zum dritten Monat in Folge 1 Prozent). Alles in allem dürften diese Faktoren die EZB darin bestärken, bei der Normalisierung ihrer Geldpolitik weiter konservativ und zurückhaltend vorzugehen.
Hinzu kommt eine zunehmende Besorgnis über die weltwirtschaftliche Unsicherheit, die von den zunehmend protektionistischen Tendenzen der USA ausgeht. EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré betonte kürzlich die potenziell negativen Auswirkungen des Protektionismus in den USA auf das langfristige globale Wachstum. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die EZB zu diesem Zeitpunkt keine Änderungen ihrer Geldpolitik vornehmen wird.
Die EZB hat jedoch kürzlich darüber diskutiert, wann sie ihre Politik ändern könnte. Das Protokoll der März-Sitzung zeigte, dass über das Ende ihrer quantitativen Lockerungspolitik (QE) anhand von drei Kriterien entschieden werden wird – Konvergenz, Vertrauen und Widerstandsfähigkeit:
- Konvergenz der Gesamtinflationsrate in Richtung des mittelfristigen Ziels der Notenbank von 2 Prozent
- Vertrauen, dass der Inflationsverlauf der EU auf dem richtigen Weg ist, um dieses Ziel zu erreichen
- Widerstandsfähigkeit der Inflation nach dem Ende von QE.
Während die jüngste Inflationsprognose der EZB von 1,7 Prozent bis 2020 mit ihrem angestrebten Ziel übereinstimmt, ist das Vertrauen auf diese Inflations-Entwicklung zweifellos das problematischste dieser drei Kriterien. Die Forward Guidance der Zentralbank dürfte sich daher auf den dritten Punkt konzentrieren, die Widerstandsfähigkeit.
Wie dem auch sei, QE wird unweigerlich irgendwann zu einem Ende kommen. Daher erwarten wir, dass die EZB ihre nächsten Sitzungen dazu nutzen wird, die positiven Auswirkungen der Wiederanlage des Kapitals aus ihren Anleihekäufen zu unterstreichen. Wir erwarten darüber hinaus, dass die Zentralbank ihre Bereitschaft bekräftigen wird, die kurzfristigen Zinsen über einen längeren Zeitraum auf extrem niedrigem Niveau zu halten. Die Märkte scheinen unserer Einschätzung zuzustimmen: Sie preisen keine Zinserhöhung vor dem zweiten Halbjahr 2019 ein."
Franck Dixmier, Global Head of Fixed Income, AllianzGI