"Die US-Notenbank hat am 3. März einen Absicherungs-Zinssenkungsschritt um 50 Basispunkte vorgenommen. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Handelns kann durchaus in Zweifel gezogen werden – der „Fed Put“ mit dem Ziel, die Märkte zu unterstützen, blieb ohne Erfolg. Gleichwohl sind wir sicher, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) Maßnahmen ergreifen wird. In einem äußerst unsicheren Umfeld hinsichtlich des Ausmaßes der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie muss sie quasi handeln. Präsidentin Christine Lagarde hat Anfang der vergangenen Woche ausdrücklich bestätigt, dass die Notenbank die ökonomischen Risiken, die das Coronavirus mit sich bringt, berücksichtigen wird. Auch der starke Rückgang der Inflationserwartungen (5-jährige Inflationsswaps auf Sicht von fünf Jahren lagen am 9. März bei 0,95 Prozent) und die jüngste Korrektur des US-Dollars unterstützen eine geldpolitische Maßnahme.
Auf einen exogenen Angebotsschock, der zunehmend auf die Nachfrageseite ausstrahlt, reagieren zu müssen, ist für eine Zentralbank immer eine unangenehme Situation. Für die EZB gilt dies umso mehr, da sie bereits seit Jahren eine Krisen-Geldpolitik betreibt, in der sie die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente ausgiebig genutzt hat. Zu nennen sind ein negativer Einlagenzinssatz, Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE) sowie gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTROs).
Verschiedene Maßnahmen seitens der EZB sind denkbar:
- eine Zinssenkung um 10 Basispunkte mit flankierenden Maßnahmen zur Stärkung der Zinssatz-Staffelung (der mehrstufigen Einlagefazilität also, bei der die Negativverzinsung der Überschussreserven der Banken oberhalb spezifischer Schwellenwerte ausgelöst wird)
- eine Lockerung der Parameter für die angestrebten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs)
- eine Zunahme der Wertpapierkäufe (QE), die auf Unternehmensanleihen abzielen.
Die Märkte erwarten eine Zinssenkung. Wir dagegen gehen eher von einer Erhöhung von QE aus. In einem Umfeld, in dem in der Eurozone verstärkt über mögliche budgetäre Hilfsmaßnahmen nachgedacht wird, erscheint ein noch stärker negativer Zinssatz nämlich wenig dringlich. Darüber hinaus könnte eine Lockerung der TLTRO3-Parameter mit Finanzierungsfazilitäten für kleine und mittelgroße Unternehmen die Banken dazu ermutigen, den Zugang zu Krediten für die am stärksten von der Krise betroffenen Firmen zu verbessern. Das Ziel ist zu verhindern, dass aus Liquiditätsproblemen Solvenz-Probleme werden, die zu einer Kaskade von Konkursen und einer Explosion der Arbeitslosigkeit führen könnten.
Die Anleger werden die Maßnahmen und die Erläuterungen der EZB genau verfolgen. In der aktuellen Phase hoher Volatilität gilt es für sie, eine hohe Duration der Zinsportfolios beizubehalten, wobei Anleihen der Euro-Kernstaaten, Treasuries und Bundesanleihen bevorzugt werden sollten. Darüber hinaus ist angeraten, Kreditpositionen abzusichern, um den Verkauf von Wertpapieren auf illiquiden Marktsegmenten zu vermeiden. "
Franck Dixmier, Global Head of Fixed Income bei AllianzGI