- Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank bei ihrer Sitzung am 24. Juli eine Pause bei den Zinssenkungen einlegen und den Einlagensatz bei 2,0% belassen wird.
- Die EZB hat den Einlagensatz seit dem Höchststand im letzten Jahr um 200 Basispunkte gesenkt, da die Inflation in Richtung Zielwert zurückgegangen ist, und damit dazu beigetragen, die Auswirkungen der seit Jahresbeginn bestehenden Unsicherheit in der Handelspolitik abzufedern.
- Eine Eskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und der EU bleibt das größte kurzfristige Risiko für die Euro-Wirtschaft, insbesondere angesichts der erneuten Zollandrohungen der Trump-Regierung.
- Die Umfragedaten für den Euroraum haben sich jedoch von den durch die Zölle bedingten Talsohlen im April erholt und die Inflation liegt wieder in der Nähe des Inflationsziels der EZB.
- Da die mittelfristigen Inflationsprognosen der EZB über den gesamten Prognosehorizont hinweg eng um den Zielwert liegen, bleibt die EZB sensibel für Abwärtsrisiken. Die Märkte für langfristige Zinsen preisen derzeit etwas mehr als eine weitere Zinssenkung in diesem Zyklus ein, was leicht unter unserer Prognose von zwei Senkungen liegt.
- Angesichts der makroökonomischen und politischen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Volkswirtschaften bevorzugen wir ein Engagement in Euro gegenüber dem US-Dollar.
Die Wirtschaft der Eurozone wuchs im ersten Quartal um 0,6 % gegenüber dem Vorquartal (+1,5% gegenüber dem Vorjahr) und damit so schnell wie seit Ende 2022 nicht mehr. Insbesondere die Belebung der Binnennachfrage und die Exporte in die USA vor den erwarteten Zöllen kurbelten die Wirtschaft zu Jahresbeginn kräftig an. Der aktuelle Marktkonsens für das BIP-Wachstum im Euroraum in den Jahren 2025 und 2026 liegt jedoch trotz der geldpolitischen Lockerung im letzten Jahr und der fiskalischen Lockerung in Deutschland, die die Wachstumsaussichten für den Euroraum bis Ende 2025 und bis ins Jahr 2026 stützen dürfte, weiterhin bei etwa 1%.
Der Hauptgrund für die gedämpften Hoffnungen auf eine nachhaltigere wirtschaftliche Erholung in der Region ist die Unsicherheit, die durch die Handelspolitik der USA ausgelöst wurde. Die jüngste Eskalation des Zollstreits ist die Drohung von Präsident Trump, ab August Zölle in Höhe von 30% auf EU-Exporte zu erheben. Sollten jedoch im nächsten Monat Fortschritte bei den Handelsverhandlungen zwischen den USA und der EU erzielt werden und die Risiken von Vergeltungsmaßnahmen der EU schwinden, könnten Anleger beginnen, einige Abwärtsrisiken für das Wachstum in der Region aus ihren Bewertungen auszupreisen.
Unterdessen verbessern sich die Inflationsaussichten für den Euroraum weiter. Die Gesamt- sowie die Kerninflationsrate liegt mit 2,0% bzw. 2,3% im Jahresvergleich nahe dem Inflationsziel der EZB. Zu dem disinflationären Trend tragen die nachlassende Lohninflation, der Wettbewerbsdruck durch chinesische Importe – China leitet seine Lieferungen vom US-Markt in die EU um – und die seit der letzten Sitzung um weitere 3% aufgewertete Euro-Währung bei.
Nach der letzten Zinssenkung im Juni haben einige Mitglieder des EZB-Rats einen vorsichtigeren Ton hinsichtlich künftiger geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen angeschlagen. Dies deutet darauf hin, dass die grundlegende Haltung nun auf die Beibehaltung der aktuellen Politik ausgerichtet ist. Allerdings könnten negative Überraschungen im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum (zum Beispiel Handelsspannungen oder steigende Anleiherenditen) und bei der Inflation (etwa ein starker Euro) eintreten und die ausgewogenen Inflationsprognosen nach unten drücken. Dies würde die EZB dazu veranlassen, in diesem Jahr weitere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte durchzuführen, bevor der Optimismus hinsichtlich der finanzpolitischen Maßnahmen in Europa (insbesondere in Deutschland) wieder überwiegt.
Wir glauben, dass das Wachstums- und Inflationsumfeld im Euroraum sowie die orthodoxe Geldpolitik eine relative Outperformance europäischer Staatsanleihen gegenüber US-Anleihen begünstigen.
Von Michael Krautzberger, CIO Public Markets bei AllianzGI
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