- Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen bei ihrer Sitzung am 30. Juli erneut unverändert lassen und den Zielkorridor für den Leitzins damit zum fünften Mal in Folge bei 4,25% bis 4,50% belassen wird.
- Das Wachstums- und Inflationsumfeld spricht für eine geduldige Politik der Fed, doch sowohl vonseiten der Trump-Regierung als auch von Mitgliedern des Fed-Vorstands wächst der Druck zur Zinssenkung.
- Seit der Juni-Sitzung der Fed hat die Verbrauchernachfrage weiter nachgelassen, während der durch Zollmaßnahmen ausgelöste Inflationsdruck anzusteigen scheint. Die günstigeren finanziellen Rahmenbedingungen haben jedoch dazu beigetragen, einige Abwärtsrisiken für das Wachstum abzumildern.
- Wir gehen davon aus, dass die Fed im Juli eine abwartende Haltung einnehmen wird, um die Auswirkungen der Zollmaßnahmen auf Konjunktur und Inflation weiter zu beobachten. Die Märkte für kurzfristige Zinsen stimmen dieser Einschätzung weitgehend zu und rechnen kaum mit einer Zinssenkung im Juli.
- Über den Juli hinaus preist der Markt jedoch allenfalls zwei Zinssenkungen bis Jahresende ein. Wir glauben, dass vieles von den Inflationszahlen in den kommenden Wochen abhängen wird, aber bis zur Fed-Sitzung im September könnte der politische Druck für Zinssenkungen deutlich zugenommen haben, insbesondere wenn die Verbrauchernachfrage und der Arbeitsmarkt stärker als erwartet nachgeben.
- Aus strategischer Sicht begünstigt das aktuelle makroökonomische und politische Umfeld unserer Meinung nach eine steilere US-Zinsstrukturkurve. An den Devisenmärkten sehen wir für den US-Dollar strukturelle Gegenwinde, was uns in unserer Überzeugung bestärkt, den US-Dollar gegenüber einem Währungskorb zu verkaufen.
Die ersten sechs Monate der Trump-Regierung waren für die politische Entscheidungsträger sicherlich ereignisreich und brachten sowohl politische Schocks als auch Unsicherheit mit sich. Die Wachstums- und Inflationserwartungen für 2025 schwanken stark, wobei sich der Konsens derzeit auf ein unterdurchschnittliches Wachstum von 1,5%1 und eine Verbraucherpreisinflation von 3,4% zum Jahresende einpendelt – insgesamt also ein stagflationäres makroökonomisches Umfeld. Die jüngsten US-Makrodaten haben die Herausforderungen deutlich gemacht, vor denen die Fed steht. Das Verbrauchervertrauen hat einen Dämpfer erhalten, die Verbraucherausgaben für importintensive Güter gehen aufgrund der Zollmaßnahmen zurück. Auch die Bautätigkeit hat sich deutlich verlangsamt. Der Arbeitsmarkt hat sich jedoch widerstandsfähiger gezeigt als erwartet. Die Arbeitslosenquote ist in diesem Jahr weitgehend stabil geblieben, auch wenn das Gesamtbild von einer leicht nachlassenden Arbeitsmarktaktivität und ausgesetzten Einstellungsplänen geprägt ist.
Auf der Inflationsseite liegt der von der Fed bevorzugte Inflationsindikator – die Kern-PCE-Inflation – weiterhin über dem Zielwert von 2,7% im Jahresvergleich, und es gibt Anzeichen dafür, dass die Zölle allmählich auf die Kerninflation durchschlagen. Die Erwartungen zur Verbraucherpreisinflation sind von ihren Mehrjahreshochs zurückgegangen, bleiben aber weiterhin hoch genug, sodass die Fed zögert, die Zinsen im Juli zu senken.
Auf politischer Ebene sieht sich Fed-Chef Powell zunehmendem Druck ausgesetzt, die Zinsen unverzüglich zu senken. Unterdessen droht Präsident Trump, Powell vor Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2026 zu ersetzen. In den Protokollen der Fed-Sitzung vom Juni heißt es, dass die meisten Teilnehmer die Geldpolitik als „gut positioniert” betrachten, während sie auf mehr Klarheit über die Wachstums- und Inflationsaussichten warten. Gleichzeitig wurde jedoch auch auf das Risiko hingewiesen, dass die Zölle länger anhaltende Auswirkungen auf die Inflation haben könnten. Allerdings zeichnen sich innerhalb der Fed erste Risse in Bezug auf den derzeitigen geldpolitischen Kurs ab. In den letzten Wochen forderte Fed-Gouverneur Waller eine Senkung um 25 Basispunkte im Juli, da er der Ansicht ist, dass die Zölle nur einen einmaligen Anstieg des Preisniveaus bewirken werden, die Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte bereits unter ihrem Potenzial gelaufen ist und die Risiken für den Arbeitsmarkt zunehmen. Andere Fed-Mitglieder haben jedoch signalisiert, dass sie keine präventive Zinssenkung wünschen, und auch Powell selbst hat angedeutet, dass es weiterhin ratsam sei, abzuwarten, wie sich die Lage auf makroökonomischer Ebene entwickelt.
Wir glauben, dass die Datenlage eine Beibehaltung der Fed-Politik auf der anstehenden Julisitzung stützt. Ohne eine deutliche positive Überraschung bei den kommenden Inflationsdaten könnte die Septembersitzung jedoch eine wichtige Weichenstellung für die Wiederaufnahme der Zinssenkungen bedeuten, insbesondere wenn die Konjunkturdaten und möglicherweise auch der zunehmende politische Druck die Fed zum Handeln zwingen.
Wir glauben, dass das makroökonomische und politische Umfeld weiterhin günstig für US-Renditekurvensteiler ist, zumal die Verabschiedung des „One Big Beautiful Bill” die längerfristigen fiskalischen Herausforderungen für die US-Wirtschaft verdeutlicht. In einem Umfeld, in dem Aufwärtsrisiken für die Inflation nicht ausgeschlossen werden können und die Sorge um die künftige Unabhängigkeit der Fed zunimmt, bevorzugen wir auch ein Engagement in US-TIPS im 5- und 10-jährigen Laufzeitbereich. Am Devisenmarkt bleiben wir aufgrund der strukturellen Ungleichgewichte der US-Wirtschaft weiterhin vorsichtig gegenüber dem US-Dollar.
Von Michael Krautzberger, CIO Public Markets bei AllianzGI
Weitere beliebte Meldungen:
1 Alle Datenquellen: Bloomberg, 23/07/2025