Deutschland nach der Wahl: Was die neue Große Koalition für Wirtschaft und Märkte bedeutet

Allianz Global Investors | 24.02.2025 12:32 Uhr
Christoph Berger, CIO Equity Europe, Allianz Global Investors / © e-fundresearch.com / Allianz Global Investors
Christoph Berger, CIO Equity Europe, Allianz Global Investors / © e-fundresearch.com / Allianz Global Investors

Koalition CDU/CSU und SPD mit stabiler Mehrheit

Deutschland hat gewählt – die neue Sitzverteilung im Parlament steht fest und am Kapitalmarkt hoffen viele auf eine wirtschaftsfreundliche Regierung. Im Vorfeld der Wahl war nicht klar gewesen, ob fünf, sechs oder sieben Parteien den Sprung ins Parlament schaffen, und selbst am gestrigen Wahlabend war lange Zeit offen, ob der FDP und dem BSW der Einzug in den deutschen Bundestag gelingt. Gerade im Fall des BSW ist dies knapp nicht gelungen, was aber nun zur Folge hat, dass keine Dreierkoalitionen zur Regierungsbildung erforderlich ist. Dies wird Koalitionsverhandlungen erleichtern. CDU-Chef Friedrich Merz strebt eine Regierungsbildung noch vor Ostern an.

Hohe Erwartungen – war erwarten Investoren von der neuen Regierung?

Viele deutsche Unternehmen konnten sich in der jüngeren Vergangenheit von der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abkoppeln, was sich an den Gewinnen und der Kursentwicklung der im DAX notieren Unternehmen zeigt (2024 + 19 Prozent, 2025 (per 21. Februar 2025) 12 Prozent). Allerdings erwirtschaften die DAX-Unternehmen im Schnitt noch ca. 20 Prozent ihrer Umsätze in Deutschland. Eine wirtschaftsfreundliche Regierungskonstellation sollte für mittelfristig verbesserte Standortfaktoren sorgen und eine Belebung der Inlandsnachfrage einleiten. So ist die oftmals zitierte Forderung für wettbewerbsfähige Energie- und Stromkosten insbesondere für die energieintensive deutsche Industrie wichtig. Das geht einher mit Investitionen in eine leistungsfähigere Infrastruktur zur Stromübertragung und viele weitere Bereichen der Infrastruktur. Weiterer Investitionsbedarf zeichnet sich im Bereich Verteidigungssektor ab. Die „beste“ Investition aber ist die in Bildung, mit einer gleichzeitigen Förderung des Wissenstransfers in die Wirtschaft. Ein attraktiveres Umfeld für Start-Ups oder allgemein Forschung & Entwicklung kann Innovationen auch zu kommerziellem Erfolg zu führen.

Diese notwendigen Ausgaben in Bildung, Infrastruktur und Verteidigung sind nicht mit der Schuldenbremse vereinbar. Eine Aufweichung der Schuldenbremse birgt jedoch das Risiko, dass höhere Ausgaben nicht zielgerichtet in die notwendigen Zukunftsinvestitionen fließen. Sind zielgerichtete „Sondervermögen“ hier ein besserer Lösungsansatz als eine Reform der Schuldenbremse? Ein „Sondervermögen“ ist ein schuldenfinanzierter, aber auch zweckgebundener Nebenhaushalt. Wäre der Staat ein Unternehmen, würden wir als Aktieninvestoren die vorhandene „Balance Sheet Capacity“ ansprechen und eine aktivere Nutzung einfordern. Ein möglicher Weg wären drei Sondervermögen von jeweils 100 Mrd. EUR für Verteidigung, Infrastruktur sowie Bildung.

Aus Sicht der Kapitalmärkte sind dies allesamt wichtige Aspekte und die Koalitionsbildung wird vor diesem Hintergrund genauestens verfolgt werden.

Deutschland auf dem Weg in die „Große Koalition“

Wir gehen davon aus, dass CDU-Chef Friedrich Merz zum nächsten Bundeskanzler gewählt werden wird. Da die FDP und das BSW den Einzug in den Bundestag verpasst haben, ist zu erwarten, dass es zu einer schwarz-roten CDU/CSU-SPD-Koalition kommen wird. Eine derartiges, ehemals „Große Koalition“ genanntes Bündnis gab es bereits mehrfach, zuletzt unter Kanzlerin Angela Merkel. Eine eventuelle Reform der Schuldenbremse würde allerdings eine 2/3-Mehrheit im Bundestag benötigen – so dass diese Koalition entweder auf die Unterstützung der Opposition angewiesen wäre oder eben andere Wege wie „Sondervermögen“ genutzt werden müssten, um wichtige Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen. Auch dieser Weg ist herausfordernd und benötigt eine 2/3-Zustimmung im Parlament oder den engen rechtlichen Rahmen einer Notlage. Daher müssen jetzt Kompromisse gefunden werden. Der derzeitige CDU-Vorsitzende und mögliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz warb im Wahlkampf für ein wirtschaftsfreundliches Programm mit niedrigeren Steuern, weniger Regulierung und weniger Sozialleistungen. Allerdings ist auch ein Blick auf die Ziele der SPD notwendig. Hier wurde im Wahlprogramm besonderer Wert auf soziale Gerechtigkeit, Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie die Senkung der Energiekosten gelegt.

In welchen Punkten sich die Parteien hier annähern werden, ist reine Spekulation. Wir sehen aber schon jetzt Bereiche, die von einer neuen „Großen Koalition“ profitieren könnten: Beide Parteien unterstreichen die Bedeutung von Investitionen in die Infrastruktur, was Unternehmen in den Bereichen Bau, und Energieinfrastruktur zugutekommen könnte. Die SPD legt großen Wert auf erneuerbare Energien, während auch die CDU Maßnahmen zur Förderung dieses Sektors unterstützt. Die Modernisierung des Bildungssystems und Investitionen in die Digitalisierung sind für beide Parteien von hoher Priorität. Kontrovers bei einer „Großen Koalition“ aus Union und SPD wäre der Fokus der SPD auf soziale Gerechtigkeit, was zu höheren Sozialausgaben und einer stärkeren Regulierung des Arbeitsmarktes führen könnte. Dies ist ein weniger kapitalmarktfreundlicher Aspekt und es bleibt abzuwarten, inwieweit die CDU hier mitzieht. Gerade bei der Außenpolitik erscheinen die Schnittmengen zwischen der CDU und den Grünen größer.

Bedeutung für die Kapitalmärkte

Eine neue deutsche Regierung mit einem wirtschaftsfreundlichen Kurs könnte dringend benötigte neue Impulse für die angeschlagene deutsche Wirtschaft setzen. Insbesondere wenn diese tatsächlich deregulierend agiert und steuerliche Entlastungen anstrebt. Dies würde auch den deutschen Konsum und damit das deutsche Wirtschaftswachstum wiederbeleben.

Wir erwarten, dass die neue Regierung auch eine stärkere Führungsrolle in der EU und der Welt übernehmen wird. Nicht zuletzt durch die Präsidentschaft von Donald Trump in den USA braucht Europa neue Antworten auf offene Fragen, wie zum Beispiel die Sicherheitsarchitektur sowie die Positionierung zum wichtigen Handelspartner China. In der EU, aber auch in Deutschland gibt es dringenden Reformbedarf, um Bürger und Unternehmen von Bürokratiekosten zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit der EU und Deutschlands zu stärken. Der potentielle neue Kanzler betonte im Wahlkampf, dass die Überregulierung die Produktivität der EU im Vergleich zu den USA und China beeinträchtige. Er sprach von einem „One in, two out“-Prinzip, nach dem für jede neue Regelung zwei alte abgeschafft werden müssten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen vom Bürokratieabbau profitieren, indem ihre Berichtspflichten reduziert werden.

Aus Aktien-Sicht sollten sich für folgende Sektoren die Perspektiven verbessern:

  • kleine und mittlere Unternehmen, bei denen sich die zum Teil fixen Bürokratiekosten über eine niedrigere Umsatzbasis verteilen und Bürokratieabbau entsprechend helfen würde
  • Nebenwerte, bei denen eine Belebung der Inlandsnachfrage stärkere positive Auswirkungen hätte
  • Unternehmen aus den Bereichen Digital- und Energieinfrastruktur sowie Investitionsgüter allgemein; Unternehmen, die von besseren Rahmenbedingungen für neue Technologien wie etwa KI profitieren sowie einen Fokus auf die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten in den Bereichen Gesundheit, Bau aber auch der öffentlichen Verwaltung haben, hier Dienstleistungen anbieten oder in ihren Segmenten bei der Digitalisierung gut positioniert sind
  • Unternehmen aus dem Bereich Verteidigung, aber auch Sicherheit allgemein – dazugehört auch Cybersecurity – angetrieben durch steigende Budgets für Verteidigung.

Von Christoph Berger, CIO Equity Europe, Allianz Global Investors

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