Der EPI und das rfu Modell: zwei unterschiedliche Modell-Welten
Der Environmental Performance Index (EPI) ist einer der am häufigsten rezipierten Indizes zum Vergleich der Umweltauswirkungen von Staaten. Von derYale und Columbia Universtät produziert, werden 40 quantitative Indikatoren in 11 Themenfeldern zu einem Ranking aggregiert. Die vordersten 27 Plätze werden ausschließlich von wohlhabenden westlichen Ländern belegt. Die hintersten Ränge belegen süd- und südostasiatische Länder mit Indien an letzter Stelle.
Das Ökologieranking der rfu bildet, neben der sozialen und ökonomischen, eine der drei Säulen des rfu-Ländermodells. Wie in unserem GOING GREEN- Artikel von Februar 2023 beschrieben, werden im rfu-Ländermodell 163 Länder nach rund 160 Indikatoren bewertet. Das Ökologieranking setzt sich aus den Ergebnissen im Bereich der neun planetaren Grenzen zusammen. Die ersten sechs Plätze belegen - im starken Kontrast zum EPI - Länder aus Sub-Sahara Afrika. Das Schlusslicht bilden die USA, nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait.
Warum so große Unterschiede?
Die Art und Weise wie Umweltauswirkungen gemessen und bewertet werden, hat einen großen Einfluss auf die Ergebnisse. Ein Beispiel dafür, wie sich methodische Entscheidungen auf die Ergebnisse auswirken, ist die Frage, ob die Veränderungen in den vergangenen Jahren – alsr Trend – oder aber die aktuellen Umweltauswirkungen betrachtet werden? Wie sich die jeweilige Betrachtungsweise auf die Ergebnisse auswirkt, wollen wir am Beispiel Klimawandel erläutern.
Länder mit ressourcenintensivem Lebensstil sowie Länder mit fossilen Vorkommen verursachen die meisten Treibhausgasemissionen. Dänemark verursacht beispielsweise durch seinen Konsum 11,5 Tonnen Treibhausgasemissionen (THG) pro Kopf, während es in Indien nur 1,9 Tonnen THG sind. In der Ökologiesäule des rfu-Ländermodells liegt daher im Gegensatz zum EPI und anderen Indizes, bei denen Trends, Gesetze und unterzeichnete internationale Abkommen im Mittelpunkt stehen, das größte Gewicht auf der Bewertung aktueller Umweltauswirkungen. Im Gegensatz dazu macht dieser absolute Impact im EPI aber nur 3 Prozent der Bewertung im Bereich Klimawandel aus. Fast 90 Prozent der Bewertung entfallen auf den Emissions-Trend, also die Veränderung klimarelevanter Emissionen in den vergangenen zehn Jahren (2010-2019), sowie die projizierten Emissionen für 2050.
Diese starke Gewichtung von Trends führt zu einem guten Ranking jener Länder, die ihre Emissionen in den letzten Jahren verringern konnten, obwohl sie weiterhin überdurchschnittlich viel emittieren – siehe EPI-Spitzenreiter Dänemark. Vice versa werden so jene Staaten schlechter bewertet, deren Emissionen in den letzten Jahren zugenommen haben, beispielsweise durch einen höheren Grad der Industrialisierung - auch wenn sie aktuell und historisch gesehen kaum etwas zur aktuellen Klimakrise beitragen. Zur Veranschaulichung dieser Verzerrung: Wenn eine schwere Raucherin es schafft, ihren Konsum von 40 auf 35 Zigaretten zu reduzieren, wird sie in einem hypothetischen Gesundheitsranking, das wie der EPI funktioniert, besser abschneiden als eine Person, die begonnen hat bei einer Feier hin und wieder zwei Zigaretten zu rauchen.
Produktions- versus konsumbasierte Sichtweise
Bei der Anwendung von Umweltkennzahlen unterscheiden wir zwei unterschiedliche Sichtweisen: Umwelteffekte, die innerhalb der Staatsgrenzen entstehen (produktionsbasiert) und Umwelteffekte, die durch den Konsum der Einwohner*innen eines Staates entstehen und somit den Handel berücksichtigen (konsumbasiert). Ein Großteil der offiziell herangezogenen Indikatoren zu den Umweltauswirkungen von Ländern beschränkt sich auf die Auswirkungen, die aus der Produktion innerhalb des jeweiligen Landes resultiert – so auch der EPI. Hier schneiden jene Staaten schlechter ab, in denen sich energie- und ressourcenintensive Industrien befindet. Viele wohlhabende Staaten konnten in der Vergangenheit durch die Auslagerung der Produktion in Länder mit geringeren Löhnen und billigen Ressourcen eine Verbesserung produktionsbasierter Umweltstatistiken erzielen. Bei dieser Art der Betrachtung wird aber übersehen, welche meist sehr hohen Umweltauswirkungen der Konsum in den jeweiligen Staaten hat.
Das Vereinigte Königreich konnte beispielsweise durch die Auslagerung seiner Kohle- und Stahlindustrie in andere Regionen der Welt die produktionsbasierten Treibhausgasemissionen massiv reduzieren. Sie liegen aktuell bei 6 Tonnen pro Einwohner*in. Tatsächlich sind aber jene Treibhausgasemissionen, die durch den britischen Konsum entstehen, zu großen Teilen einfach in andere Staaten verlagert und eigentlich deutlich höher als die produktionsbasierten (10 Tonnen THG pro Einwohner*in). Auch beim EPI-Spitzenreiter Dänemark ist der Unterschied eklatant. So betragen die Emissionen, die innerhalb des Staates entstehen, 8 Tonnen THG pro Person, konsumbasiert sind es aber insgesamt 11 Tonnen THG.
Europäischer Fleischkonsum verzerrt das Bild zu Lasten Süd-Amerikas
Ein weiteres Beispiel für das verzerrte Bild, das durch die einseitige, produktionsbasierte Betrachtung von Umweltauswirkungen entsteht, betrifft den europäischen Fleischkonsum. Dieser wirkt sich aus produktionsbasierter Perspektive nämlich vor allem negativ auf die Bewertung Süd-Amerikas aus, beispielsweise durch die 16 Prozent der Abholzung von Wäldern, die durch den europäischen Fleischkonsum verursacht werden. Um ein zutreffenderes Bild der Umweltauswirkungen von Staaten zu erhalten, werden im rfu-Ökologiemodell daher sowohl produktions- als auch konsumbasierte Indikatoren verwendet.
Bewertungs-Modelle spiegeln Weltsicht wider
Die so unterschiedlichen Ergebnisse des EPI und des rfu-Ökologiemodells lassen sich also durch die Auswahl und Bewertung der unterschiedlichen Indikatoren erklären. Der EPI bevorzugt - durch die Konzentration auf produktionsbasierte Daten und den Fokus auf Trends - jene Staaten, welche die umweltschädliche Produktion ihrer Konsumgüter in andere Länder auslagern und so ihre Umweltauswirkungen reduziert haben, auch wenn sie weiterhin überdurchschnittlich hohe Umweltauswirkungen verursachen. Im Gegensatz dazu werden jene Länder, in denen sich die Produktionsstätten befinden und deren Umweltauswirkungen beispielsweise durch beginnende Industrialisierung in den vergangenen Jahren gestiegen sind, schlechter bewertet. DerEPI wurde vom Weltwirtschaftsforum Davos, einer Organisation multinationaler Konzerne und Lobbying-Plattform. - in Auftrag gegeben.
Im rfu-Ökologiemodell wird diese Verzerrung zugunsten wohlhabender Staaten reduziert, indem sowohl produktions- als auch konsumbasierte Daten verwendet werden und ein Fokus auf den tatsächlichen, aktuellen Umweltauswirkungen liegt.
Die Ergebnisse im Überblick
Ein Blick auf die nachstehende Weltkarte zeigt, dass die Länder der Sub-Sahara Afrikas die geringsten Umweltauswirkungen aufweisen und somit die besten Ökologie-Ergebnisse im rfu-Länderrating erzielen. Uganda liegt auf Platz 1. Südafrika und Mauritius erhalten aufgrund der im lokaler Vergleich hohen Umwelt-Auswirkungen (z.B. THG-Emissionen) eine deutlich schlechtere Bewertung. Indien, im EPI auf dem letzten Platz, liegt beim rfu-Ökologie-Rating auf Platz 76.
Dunkelrot erkennbar sind jene Staaten, deren Wirtschaft sich auf die Extraktion und häufig auch auf den Export von Ressourcen fokussiert haben und in denen gleichzeitig ein hoher Lebensstandard herrscht. Besonders schlecht schneiden erdöl- oder gasreiche Staaten im Nahe Osten, aber auch die USA und Kanada ab. Ebenso Staaten, in denen viel Mining betrieben wird, wie Australien und Russland, und jene, in denen Futtermittel und Fleisch für den globalen Konsum produziert werden, landen auf den hinteren Rängen.
Im westeuropäischen Vergleich schneiden einige Staaten gut ab, wie die Schweiz, Italien, Portugal und Schweden. Deutlich weiter hinten liegen allerdings Luxemburg und Belgien.Beides Länder mit sehr hohen produktions- und konsumbasierten Emissionen.
Herausforderungen durch Datenlage
Viele wichtige Aspekte der Auswirkungen von Staaten auf die Ökologie sind nur schwer greifbar und nicht in quantitative, global vergleichbare Daten auf Länderebene zu gießen. Das betrifft beispielsweise menschliche Eingriffe in Wasserkreisläufe, die Gesundheit landwirtschaftlicher Böden, Stickstoff- und Phosphorkreisläufe. Alles, was nicht quantitativ messbar ist, fällt so häufig aus vergleichenden Betrachtungen und damit auch aus Nachhaltigkeitsrankings heraus. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass sich Kontroversen und Konflikte um artenreiche Gebiete (z.B. Bau von Wasserkraftwerken, Landnutzungsänderungen) erst stark zeitverzögert in Biodiversitätsstatistiken widerspiegeln. Viele relevante Daten werden bisher auch noch nicht in ausreichendem Maß erhoben. Das betrifft unter anderem Statistiken rund um Wasser oder die Qualität von Böden, bei denen häufig Staaten, in denen noch viel Subsistenzlandwirtschaft betrieben wird, deutlich besser abschneiden würden als Länder mit industrialisierter Landwirtschaft.
Wird Armut belohnt?
Speziell die Ergebnisse für Sub-Sahara Afrika sind allerdings unter Vorbehalt zu betrachten: bei den Ländern, die im Ökologierating ganz vorne liegen, handelt es sich teilweise um Staaten, die beim sozialen und ökonomischen Rating sehr schlecht abschneiden. Unter diesen befinden sich unter anderem Mosambik und Malawi, die zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. Hier sind geringe Umweltauswirkungen eine Folge von Armut und geringen Lebensstandards. Diese Länder tragen zwar am wenigsten zur Klimakatastrophe bei, leiden aber bereits jetzt am stärksten an deren den Folgen. Im nächsten Artikel zum rfu-Ländermodell wenden wir uns daher den Ergebnissen der sozialen Säule zu.
Von Lisette von Maltzahn, Analystin bei rfu
Weitere Leistungen sind u.a. die Erstellung von Prüfgutachten nach dem Österreichischen Umweltzeichen sowie Second Party Opinions zur Emission von Green und Social Bonds. Weitere Informationen finden Sie auf www.rfu.at Über die Artikelserie "GOING GREEN":
Die rfu, mit Sitz in Wien, ist Österreichs Spezialistin für Nachhaltiges Investment und Management und unterstützt institutionelle Kunden mit Nachhaltigkeits-Research und der Konzeption von Investmentprodukten. „Technologisches Herz" sind die rfu Nachhaltigkeitsmodelle für Unternehmen, Länder und Rohstoffe.
GOING GREEN ist eine monatliche Kolumne auf e-fundresearch.com zu Entwicklungen und Hintergründen im nachhaltigen Investment, verfasst von Reinhard Friesenbichler und seinen Kolleginnen und Kollegen aus der rfu.