Going Green | Wechseljahre - eine heiße Phase für Unternehmen?
„Wahnsinn Wechseljahre – vom Tabu zur Chance: Wie Frauen besser durchkommen“ titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel eine Coverstory Ende Mai. Ein Thema, bei dem es so gar nicht um eine individuelle Betroffenheit im Privaten geht, sondern mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Dimension, denn feststeht: die Wechseljahre betreffen die Hälfte der Weltbevölkerung – irgendwann. Weltweit sind laut UN derzeit 1 Milliarde Frauen 50 Jahre alt oder älter und damit in eben genau jener Lebensphase einer hormonellen, körperlichen Umstellung. Meist stellt sich diese zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr ein und kann durchaus mehrere Jahre andauern.
In Österreich betrifft das aktuell knapp 1 Million Frauen. Davon haben rund 80 Prozent körperliche, mentale Symptome, von Hitzewallungen über Schlafstörungen, geistige und körperliche Erschöpfung bis hin zu depressiven Verstimmungen. Ausprägung und Intensität können stark variieren, manchmal führen sie sogar bis zur Arbeitsunfähigkeit, beschreibt es die Initiative „Wir sind eine Million“ der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Auch ohne Beschwerden gehe es in den Wechseljahren um die Prävention vor Osteoporose, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch den sinkenden Hormonspiegel begünstigt werden.
Studie: Arbeitszeitreduktion als Folge von Wechseljahrbeschwerden
Welchen Stellenwert die Wechseljahre von Mitarbeiterinnen in den heimischen Unternehmen haben sollten, veranschaulicht die Erwerbstätigenquote. In Österreich liegt diese bei Frauen zwischen 45 und 54 Jahren bei 83,4 Prozent und sinkt bei den 55- bis 64-jährigen auf 51,6 Prozent. Dass in der Auseinandersetzung mit dem Thema tatsächlich noch viel Luft nach oben ist, macht die erste österreichweite Befragung zu den Wechseljahren am Arbeitsplatz „MenoSupport Austria“ deutlich, die 2024 von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin durchgeführt wurde. Ihre zentralen Ergebnisse: mehr als zwei Drittel der befragten Frauen gaben an, durch Wechselbeschwerden am Arbeitsplatz beeinträchtigt zu sein. Über 20 Prozent reduzierten daher ihre Arbeitsstunden, mehr als 15 Prozent nahmen sich eine berufliche Auszeit und 8 Prozent der befragten Frauen entschieden vorzeitig in Pension zu gehen. Bei den über 55-Jährigen waren es über 14 Prozent.
Die Folgen davon: Unternehmen verlieren erfahrene Mitarbeiterinnen, Frauen ihre Lebensqualität und Versicherungsjahre, so die Studie. Fast 60 Prozent der befragten Frauen gaben an, sich durch das Umfeld, das ihnen ihr Arbeitgeber bietet, nicht unterstützt zu fühlen. Eine offene Kommunikation zum Thema Wechseljahre im Unternehmen gab es nur bei knapp 15 Prozent und Informationen zu den Wechseljahren bieten gerade einmal rund 4 Prozent der Unternehmen. Lediglich 6,5 Prozent haben eine betriebsärztliche Betreuung zu den Wechseljahren, heißt es.
Nachhaltigkeitsresearch verortet Nachholbedarf, aber auch erste Schritte
Im Nachhaltigkeitsresearch börsennotierter Unternehmen werden beim Stakeholder Mitarbeiter Kriterien wie u.a. Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit sowie Gleichberechtigung analysiert und genderspezifische Maßnahmen untersucht. Dabei fällt auf, dass zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz in den (Nachhaltigkeits)-Reportings der Unternehmen nur vereinzelt berichtet wird und lässt den Schluss zu, dass dementsprechende Maßnahmen weitgehend fehlen. Dies erscheint insbesondere in jenen Branchen bemerkenswert, die eine traditionell hohe weibliche Mitarbeiterquote aufweisen, wie unter anderem die Finanzbranche.
Im Zuge der jährlichen Nachhaltigkeitsanalysen für den Österreichischen Nachhaltigkeitsindex VÖNIX nahmen die Analystinnen und Analysten der rfu research die Wechseljahre dieses Frühjahr daher als eine Spezialfrage in ihre Fragebögen an die Unternehmen mit auf. Die Antworten zeigen: zwar existieren für den Stakeholder Mitarbeiter im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung eine Vielzahl an Maßnahmen. Diese reichen von Ernährungsberatung über Sportprogramme und Stressmanagement bis hin zu Angeboten für psychisches Wohlbefinden. Viel Konkretes zu den Wechseljahren aber gibt es nicht. Zusammengefasst lautete der Grundtenor in den Antworten – neben einem generellen Verweis auf eine ohnehin umfassende betriebliche Gesundheitsförderung - dass es (noch) keine spezifischen Maßnahmen für Frauen in den Wechseljahren im Unternehmen gebe. Umso mehr sticht vereinzeltes, konkretes Engagement hervor, wie u.a. die Umsetzung der betriebsärztlichen Empfehlungen für eine Belüftungs- und Pausenkultur oder spezifische Gesundheitsberatung zu Wechseljahrsymptomatiken. In einigen wenigen Unternehmen wurden bereits Fachvorträge bzw. Workshops für Mitarbeiterinnen in den Wechseljahren angeboten. Bei anderen sei die Bearbeitung des Themas Wechseljahre in Planung.
Menopause Policies in britischen Unternehmen
Wie wichtig Bewusstseinsbildung zu den Wechseljahren ist, hat man in Großbritannien vor einigen Jahren erkannt. Die 2022 von der damaligen Regierung verabschiedete Women’s Health Strategy rückte die Wechseljahre am Arbeitsplatz in den Fokus der Frauengesundheitspolitik. Seither hat sich viel getan, mittlerweile verfügen rund 30 Prozent der Unternehmen in Großbritannien über eine eigene Menopause Policy. Flexibles Arbeiten, Aufklärung und Beratung gelten als besonders effektive Maßnahmen, um mit den Wechseljahrbeschwerden besser umzugehen und Frauen im Arbeitsprozess zu halten.
Sensibilisierung von Führungskräften und flexible Arbeitszeitmodelle
Was sich Frauen von Unternehmen in Österreich wünschen, kommt in der MenoSupport Austria-Studie klar zum Ausdruck: ganz oben mit 72 Prozent steht die Sensibilisierung der Führungskräfte für das Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz, gefolgt vom Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen (70 Prozent) und der Etablierung einer wechseljahrfreundlichen Arbeitskultur mit 69 Prozent.
„Die Wechseljahre gehören einfach dazu. Das ist nicht irgendein Minderheitenthema, sondern völlige Normalität und es ist kein Voodoo, wenn man diese Dinge weiß und versteht und darauf als Arbeitgeber Rücksicht nimmt. Sei es mit flexiblerer Arbeitszeitgestaltung oder der Möglichkeit mal aufzumachen, rauszugehen, wenn es heiß wird“, wie es AMS-Vorstand Johannes Kopf kürzlich im Podcast „Von wegen Pause!“ der Journalistin Birgit Fenderl auf den Punkt brachte.
Über die rfu:
Die rfu, mit Sitz in Wien, ist Österreichs Spezialistin für Nachhaltiges Investment und Management und unterstützt institutionelle Kunden mit Nachhaltigkeits-Research und der Konzeption von Investmentprodukten. „Technologisches Herz" sind die rfu Nachhaltigkeitsmodelle für Unternehmen, Länder und Rohstoffe.
Weitere Leistungen sind u.a. die Erstellung von Prüfgutachten nach dem Österreichischen Umweltzeichen sowie Second Party Opinions zur Emission von Green und Social Bonds.
Weitere Informationen finden Sie auf www.rfu.at
Über die Artikelserie "GOING GREEN":
GOING GREEN ist eine monatliche Kolumne auf e-fundresearch.com zu Entwicklungen und Hintergründen im nachhaltigen Investment, verfasst von Reinhard Friesenbichler und seinen Kolleginnen und Kollegen aus der rfu.
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