Aktuelle Frage im Economics Forum:
"Government Shutdown, Debt Ceiling, mögliches Tapering und höhere Renditen auf Staatsanleihen lenkten den Fokus der Investoren auf die US Anleihenmärkte. Wie ist Ihre aktuelle Einschätzung der makroökonomischen Lage in den USA und welche Faktoren sollten Investoren genau beobachten?“
Gerhard Winzer, Chief Economist, ERSTE SPARINVEST (08.10.2013):
"In den USA ist seit dem Antritt des Demokraten Obama ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Kongress, genauer dem von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus, im Gange. Abermals hat sich der Streit verschärft. Aktuell geht es vordergründig um die Genehmigung des Budgets für das Fiskaljahr 2014 und die Anhebung der Staatsschuldenobergrenze. Die Republikaner haben ihre Zustimmung (vor allem) an die Bedingung gekoppelt, die von Obama initiierte Gesundheitsreform aufzuschnüren. Tatsächlich geht es um unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Rolle die Regierung in den USA spielen soll. Um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die Regierung für Gesundheit, Pensionen, Bildung, Infrastruktur und Umwelt Dienstleistungen zur Verfügung stellen soll, wird eine Lähmung des politischen Systems in Kauf genommen. Auf lange Sicht leidet darunter die Effektivität der Staatsführung. Das ist negativ für den Wirtschaftsstandort. Die kurzfristigen Auswirkungen sind signifikant, aber zu bewerkstelligen. Mit jeder Woche, in der rund ein Drittel aller Regierungsbeamten im Zwangsurlaub verweilt, kann von der Schätzung für das reale BIP-Wachstum in den USA von 2% rund 0,12 Prozentpunkte abgezogen werden. Dramatische Auswirkungen hätte das Erreichen der Staatsschuldenobergrenze im Laufe dieses Monats. Wenn sie nicht angehoben wird, kommt es zu einem (technischen) Konkurs. Die USA wären dann zwar zahlungsfähig aber nicht zahlungswillig. Von den kurzfristigen Folgen abgesehen (Flucht in den sicheren Hafen wie Staatsanleihen in der Schweiz, Norwegen, Schweden, Australien und Deutschland), wären vor allem die langfristigen Folgen spürbar. Der Rückgang der Bedeutung der mit Abstand wichtigsten Reservewährung der Welt, des US-Dollar, würde sich beschleunigen. Die USA könnten sich dann nicht mehr so einfach beinahe unbegrenzt in der eigenen Währung zu niedrigen Zinssätzen im Ausland verschulden.
Seit 2009 befindet sich die US-Volkswirtschaft in einem langsamen, schwachen und fragilen Erholungsszenario. Der Aufschub für die Reduktion des Anleiheankaufsprogramms der US-amerikanischen Zentralbank im September hat einmal mehr verdeutlicht, dass die Zentralbankpolitik extrem expansiv bleiben wird. Der Aufschwung ist eben (noch) nicht selbst tragend. Im Einklang mit dem Erholungsszenario wird das Renditeniveau in den kommenden Jahren langsam aber doch ansteigen."