Aktuelle Frage im Economics Forum:
"Wie schätzen Sie das Wirtschaftswachstum in den wichtigsten Regionen und Sektoren der Weltwirtschaft im kommenden Jahr ein und erwarten Sie in Europa inflationäre oder deflationäre Trends? Welche makroökonomischen Faktoren sollten Investoren in Europa im Jahr 2014 am meisten beachten?"
Philippe Waechter, Chief Economist, Natixis Asset Management (10.12.2013): "Die globale Wirtschaftstätigkeit dürfte 2014 positiver ausfallen als in 2013. Wir mahnen jedoch zur Vorsicht, da die weltweite Konjunktur weiterhin schwach bleiben dürfte. So korrigierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im November ihre weltweite Prognose für 2014, entgegen früherer Schätzungen, von 4% auf nun 3,6%.
Mit am meisten beunruhigt uns, dass die Wachstumsprognosen für die USA, China, Großbritannien und die Euro-Zone unterhalb der Raten liegen, die im Durchschnitt vor der Finanzkrise erzielt wurden. Das zeigt, dass die Konjunktur weltweit schleppend verläuft und wahrscheinlich nicht stark genug anziehen wird, um die Weltwirtschaft wieder voll in Gang zu bringen. Das geringe Wachstum wird weiterhin für schwache Arbeitsmärkte in den am stärksten industrialisierten Ländern sorgen. In den USA ist im neuen Jahr nicht mit einer Verbesserung der Arbeitslosenquote, die zurzeit bei 7,3% liegt, zu rechnen. Im Euroraum, wo die Arbeitslosenquote 12,2% beträgt, wird das Ziel schlicht eine Stabilisierung sein. Das klingt alles in allem nicht sehr ambitioniert, aber bei niedrigen Wachstumsraten ist nicht mehr zu erwarten.
Positiv ist, dass die USA dank der Steigerung der Ölförderung im eigenen Land weniger Öl importieren müssen. Das bedeutet noch keine Unabhängigkeit in Sachen Energie, jedoch ein höheres Maß an Autonomie.
Fundamentale wirtschaftliche Veränderungen finden auch in anderen Teilen der Welt statt. In China etwa, entwickelt die kommunistische Partei ein neues Regierungsmodell und verabschiedet sich von den reformistischen Ideen der Politik Deng Xiaopings der 1970er bis 80er Jahre. Erst wenn das neue Modell festgelegt ist, kann es China helfen, seine Ressourcenallokation intern zu verbessern und vielleicht sogar seine Währung konvertierbar zu machen.
Der Euroraum wird sich 2014 unter anderem der wichtigen Aufgabe widmen müssen, strukturelle Reformen zugunsten einer größeren Wachstumsautonomie umzusetzen. Dies wird besonders in Italien und Frankreich wichtig sein. Frankreich und Italien sind die zweit- bzw. drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und in beiden Ländern war die Konjunktur im 3. Quartal rückläufig, nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vorausgegangenen Quartal jeweils um 0,1% geschrumpft war.
Schließlich wird die neue Welt, an der zurzeit noch gebaut wird, immer stärker durch die Globalisierung bestimmt – mit intensivem Handel zwischen den Ländern, aber auch mit der Bereitschaft, auf autonomere Art und Weise zu wachsen. Dieser neue globale wirtschaftliche Rahmen ist noch im Wandel. Darum ist die Situation komplizierter und die zu verspürende Unsicherheit hält im Vergleich zu früheren Rezessionen länger an.
Um diese sich entwickelnde Wirtschaftsordnung zu unterstützen, werden die Zentralbanken ihre aktuell lockere Geldpolitik wohl kaum ändern. Dieses Umfeld in Kombination mit einer niedrigen Inflationsrate bedeutet, dass mit einem Anstieg der langfristigen Zinsen nicht zu rechnen sein dürfte. Die amerikanische Notenbank wird ihre Anleihekäufe erst bei einem stärkeren Wachstum auslaufen lassen."
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