Inflationsdaten sind immer wichtig. In diesen Monaten gilt das in besonderem Maße. Der Rückgang der Geldentwertung hat die EZB Anfang Juni dazu veranlasst, eine „dicke Bertha“ auszupacken. Sollte die Inflationsrate nicht bald wieder ansteigen, wird sie weitere Maßnahmen ergreifen. Geht die Preissteigerung dagegen wieder nach oben, dann müssen sich die Märkte darauf einstellen, dass die EZB weniger aggressiv wird.
Bei einem so wichtigen Datum sollte man eigentlich annehmen, dass es keine Fragen offen lässt. Umso erstaunlicher ist, wie viele Fallstricke und Missverständnisse es hier immer noch gibt. Zeit für ein paar Klarstellungen.
Beginnen wir mit dem Selbstverständlichen: Es geht in Europa nicht um Deflation, also um sinkende Preise. Güter und Dienste verteuern sich weiterhin, nur nicht mehr so stark. Die Ampeln stehen nicht auf rot (= es muss gehandelt werden), sondern auf gelb. Die EZB tut manchmal so, als sei es schon „fünf vor zwölf“.
Ebenfalls offensichtlich: Die Geldpolitik kann sich bei ihrem Kampf gegen die zu niedrige Inflation nicht auf ein breites öffentliches Mandat stützen. Im Gegenteil. Die Öffentlichkeit ist davon wenig begeistert. Den meisten Deutschen wären niedrigere Preise lieber als niedrigere Zinsen. In den südeuropäischen Schuldnerländern sind niedrigere Preise eine Kompensation für die Kürzung von Löhnen und staatlichen Leistungen in den letzten Jahren. Die Menschen freuen sich darüber.
Die mangelnde öffentliche Unterstützung macht die Aufgabe der EZB nicht leichter. Sie kann sich zwar formal auf den Gesetzestext berufen, dass die Inflation nahe, aber unter 2% sein soll. Das ist jedoch dünnes Eis. Die EZB kann nicht mit dem öffentlichen Rückenwind agieren, den sie zum Beispiel bei der Rettung des Euro hatte. Das ist ein Handicap.
Falsch oder besser irreführend ist, was in manchen statistischen Veröffentlichungen zu lesen ist: Nämlich, dass die Inflation deshalb zurückgeht, weil Energie und Nahrungsmittel billiger werden. Man muss sich nur einmal die „Kernrate der Inflation“ anschauen, in der die Statistiker Energie und Nahrungsmittel herausrechnen. Sie steigt kaum mehr als die tatsächliche Rate (0,8 verglichen mit 0,5%). Öl ist auf den Weltmärkten in den letzten zwölf Monaten um 6% teurer geworden, Erdgas um fast 20%.