Richtig ist, dass die Inflation im Spannungsfeld unterschiedlicher Kräfte steht. Siehe die Graphik für das Beispiel Deutschland. Auf der einen Seite steigen die Löhne kräftig an, derzeit um über 3%. In immer mehr Branchen gibt es Kapazitätsengpässe. Das treibt die Geldentwertung in Deutschland nach oben, indirekt aber auch in Europa. Auf der anderen Seite sinken die Einfuhrpreise, seit Anfang vorigen Jahres um 2%. Das hängt zum Teil mit der Austeritätspolitik in Südeuropa zusammen. Sie lässt dort die Preise zurückgehen und führt in Deutschland zu billigeren Importen. Hinzu kommt die Aufwertung des Euro auf den Devisenmärkten. Sie belief sich im Schnitt in den letzten zwölf Monaten auf 5%. Das dämpft die Inflationsrate.
Falsch ist, dass die Europäische Zentralbank den Inflationstrend unter diesen Umständen nachhaltig drehen könnte. Sie befindet sich mehr denn je in der bekannten Liquiditätsfalle, in der niedrigere Zinsen und mehr Geld in der Realwirtschaft nur noch wenig bewegen. Das neue Programm kann allenfalls die Erwartungen drehen (so wie das im Juli 2012 beim Euro der Fall war). Ob das aber ein zweites Mal gelingt, ist nicht so sicher. Das Programm wird aber in jedem Fall durch die Liquidität an den Finanzmärkten zu Kurssteigerungen führen. Es wird strukturell helfen, dass kleine und mittlere Unternehmen mehr Kredit bekommen (was aber nicht unbedingt Aufgabe der EZB ist).
Die Inflationsrate kann man letztlich nur durch vier Dinge nach oben bringen. Erstens – Gott verhüte - durch ein Ende der Konsolidierungs- und Reformpolitik. Damit wären alle erzielten Erfolge bei der Stabilisierung des Euro dahin. Zweitens– auch das ist nicht wünschenswert – durch einen Anstieg der Rohstoffpreise als Folge der Ereignisse in Russland/Ukraine oder in Irak/Syrien. Drittens durch eine bessere Konjunktur. Für die Gemeinschaft als Ganze dauert das. Für Deutschland hieße es Überhitzung, die niemand will.
Euro-Abwertung als effektivstes Mittel?
Das effektivste Mittel wäre – viertens - eine Abwertung des Euro auf den Devisenmärkten. Japan hat gezeigt, wie das geht. Nach einer Daumenregel führt ein um 10% schwächerer Euro zu einer Erhöhung des Verbraucherpreisindex um einen halben Prozentpunkt. Damit wäre schon einiges gewonnen. Die Frage ist freilich, wie man das hinkriegt. Die niedrigeren Zinsen der EZB haben bisher jedenfalls nicht geholfen. Denkbar wären Interventionen an den Devisenmärkten. Die EZB könnte zum Beispiel amerikanische Staatsanleihen kaufen. Also ein Q/E-Programm, aber nicht mit europäischen, sondern mit US-Papieren. Rechtlich geht das. Ob die Begeisterung der Amerikaner dafür freilich groß ist, kann man bezweifeln.
Für den Anleger sind das keine schlechten Nachrichten. Es mag paradox klingen: Aber je weniger die EZB es schafft, die Inflationsrate im Euroraum nach oben zu hieven, umso besser für die Finanzmärkte. Denn dann wird sie noch länger bei ihrer bisherigen ultralockeren Geldpolitik bleiben. Sie wird möglicherweise noch nachlegen. In jedem Fall wird es die Umkehr, wie sie die Bank von England und auch die Federal Reserve derzeit vorsichtig anpeilen, in Euroland vorerst nicht geben. Die Kehrseite ist die Gefahr weiterer Blasen an den Märkten.
Dr. Martin Hüfner
Volkswirtschaftlicher Berater
direktanlage.at & Assenagon Asset Management
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