Herr Dr. Busch, 2016 ist die US-Wirtschaft mit 1,6% so langsam gewachsen wie seit fünf Jahren nicht mehr. Wie ist die Ausgangslage für dieses Jahr?
Dr. Andreas Busch: Lässt man die Unwägbarkeiten beiseite, die durch die unklare wirtschaftspolitische Marschrichtung der neuen Regierung Trump entstanden sind, präsentiert sich die US-Wirtschaft in einer rundum erfreulichen Verfassung. Wir hatten bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die drei wichtigsten Bremskräfte, die das BIP-Wachstum in den zurückliegenden Quartalen gedämpft hatten, inzwischen der Vergangenheit angehören: Sowohl der Einbruch der Investitionen in der Ölförderindustrie um mehr als 70% als auch der Gegenwind von der über 20%-igen US-Dollar-Aufwertung sowie der Abbau der zu hohen Lagerbestände sind mittlerweile verdaut.
Welche Kräfte werden 2017 die Konjunktur antreiben?
Busch: Die fundamentalen Aufschwungskräfte gewinnen wieder an Bedeutung. Eine besondere Rolle spielt dabei der Nachholbedarf bei den Investitionen. Im Unternehmenssektor hat die Nachfrage nach Kapitalgütern während vier Quartalen stagniert. Die Investitionsquote, also der Anteil der Netto-Investitionen am BIP, ist in diesem Zuge wieder auf ihren langfristigen Trend zurückgefallen. Von Überkapazitäten, die während einer längeren Aufschwungsphase entstehen können, ist folglich nach wie vor nichts zu sehen. Im Gegenteil – der Bedarf für Erweiterungsinvestitionen ist zuletzt sogar gestiegen und dürfte ein wichtiger Treiber des BIP-Wachstums im laufenden Jahr sein.
Welche Bedeutung haben die privaten Investitionen?
Busch: Bei den Investitionen der privaten Haushalte, also dem Wohnungsbau, sieht die Lage ähnlich aus. Hier liegt die Investitionstätigkeit sogar noch unter dem langfristigen Trend, was sich auch in der historisch tiefen Eigenheimquote und den niedrigen Leerstandsraten von Mietobjekten spiegelt. Deshalb dürfte der private Wohnungsbau in den kommenden Jahren ebenfalls ein wichtiger Wachstumsmotor sein. Dieser positive Ausblick für den Immobilienmarkt stützt sich auch auf die erfolgreiche Entschuldung der privaten Haushalte. Mit gut 100% des verfügbaren Jahreseinkommens hat sich der Schuldenstand der US-Bürger inzwischen um knapp ein Viertel gegenüber dem Höchststand aus dem Jahr 2007 reduziert. Gleichzeitig ist die Schuldendienstquote – das ist die Summe der Zins- und Tilgungszahlungen in Relation zum verfügbaren Einkommen – mit rund 10% auf einen neuen historischen Tiefstand gesunken.
Und wie sieht es mit dem privaten Konsum aus?
Busch: Der private Konsum hat wegen des erfolgreichen Schuldenabbaus ebenfalls zusätzliches Potential. Dies resultiert auch aus der Tatsache, dass die US-Bürger zuletzt relativ viel gespart haben. Üblicherweise nimmt die Spartätigkeit ab, wenn die Vermögen, wie aktuell zu beobachten, zulegen. In den vergangenen drei Jahren haben die privaten Haushalte aber ungeachtet der Vermögenszuwächse nicht weniger, sondern mehr gespart. Wir werten dies indes primär als ein vorübergehendes Vorsichtssparen, das im Windschatten eines beschleunigenden Konjunkturaufschwungs mit anhaltender Arbeitsmarkterholung und stärkerem Lohnwachstum sukzessive an Bedeutung verlieren wird – der Konsum erhält im Gegenzug einen zusätzlichen Schub.
Was bedeuten diese positiven Rahmenbedingungen für das Wachstum der US-Wirtschaft?
Busch: Insgesamt sehen wir die US-Wirtschaft in einer guten Ausgangslage für ein deutlich anziehendes BIP-Wachstum von 2,5% in diesem Jahr. Die Risiken bei dieser Prognose sind dabei zweigeteilt. Auf der einen Seite lastet der Konfrontationskurs der neuen Regierung Trump auf dem Ausblick. Kommt es zu einer Eskalation der Handelskonflikte, würde das BIP-Wachstum unweigerlich gebremst. Auf der anderen Seite sehen wir bei den wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Nachfragekomponenten positives Überraschungspotential. So rechnen wir bei den Anlageinvestitionen mit einer Beschleunigung auf lediglich 4% p.a. – nach einer Stagnation 2016. Gemessen an Werten von über 10% p.a. in den vergangenen Aufschwungsphasen ist das konservativ. Ähnlich vorsichtig sind wir beim Konsumwachstum, das im laufenden Jahr bei rund 2,5% liegen dürfte, was ebenfalls weniger ist als in vergleichbaren Aufschwüngen. Die Möglichkeit, dass sich diese beiden wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Nachfragekomponenten dynamischer entwickeln und damit das BIP noch stärker anschieben als von uns im Basisszenario veranschlagt, ist somit nicht zu vernachlässigen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Busch!