Die Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen („Zinsbesteuerungsrichtlinie“) wird in den Mitgliedstaaten der EU seit dem 1. Juli 2005 angewandt. Die Richtlinie soll letztendlich ermöglichen, dass Erträge, die in einem Mitgliedstaat im Wege von Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die natürliche Personen und in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, erzielt werden, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats effektiv besteuert werden, in denen der wirtschaftliche Eigentümer steuerlich ansässig ist.
Für Investmentfonds ist die Definition „Zinszahlung“ (Artikel 6) von Bedeutung. Investiert der Fonds hingegen ausschließlich in von der Richtlinie nicht betroffene Vermögensgegenstände (zB Aktien) unterliegen die Erträge keiner Besteuerung gem. Zinsbesteuerungsrichtlinie.
Künftig sollen Zinszahlungen aller Investmentfonds von der Steuer erfasst werden
In Bezug auf in der EU niedergelassene Investmentfonds deckt Artikel 6 gegenwärtig nur Erträge aus Investmentfonds, die der UCITS-Richtlinie (85/611/EWG) unterliegen, ab. Erträge aus Fonds, die der UCITS-Richtlinie nicht unterliegen („non-UCITS“) werden von der Zinsbesteuerungsrichtlinie grundsätzlich nicht erfasst, auch wenn sie in der EU zugelassen sind (zB SICAV nach Teil II des Luxemburger Fondsgesetzes vom 20.12.2002, oder non-UCITS mit Domizil in Malta, Gibraltar oder einem sonstigen EU-Mitgliedstaat).
Das Ergebnis ist eine asymmetrische Behandlung von non-UCITS, was nicht beabsichtigt war. Der Vorschlag der EU-Kommission vom 13.11.2008 zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie sieht deshalb Änderungen in Artikel 6 (1) lit. c und d vor.
Demnach sollen bei gleichbleibenden Grundvoraussetzungen für das Auslösen einer Besteuerungspflicht (Schwellenwerte von 15 % bzw. 40 %, Pauschalbesteuerung bei Fehlen von entsprechenden Informationen, etc.) als Zinszahlung jedenfalls gelten, vereinfacht ausgedrückt:
Zinsen, die ausgeschüttet werden bzw. Zinserträge, die bei der Rückgabe realisiert werden
- von Investmentfonds, die nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates eingetragen sind,
- von allen Investmentfonds, die außerhalb der EU niedergelassen sind, unabhängig von ihrer Rechtsform.
Derzeit steht noch nicht fest ob bzw. wann die Änderungen in Kraft treten werden. Ein mögliches Datum für das In-Kraft-Treten ist der 1.1.2013. Das würde dann bedeuten, dass ab 1.1.2013 Fondsstrukturen, deren Zinskomponenten aus Sicht der Besteuerung der Zinsbesteuerungsrichtlinie derzeit „out of scope“ sind, künftig „in of scope“ sein werden und einer Besteuerung unterliegen könnten.
Brisante negative Pauschalbesteuerung
Ausschütter: Sollten der Zahlstelle eines non-UCITS, der nach Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie von „out of scope“ in „in of scope“ gewandelt wird, keine Informationen über den genauen Anteil der Zinszahlungen an den ausgeschütteten Erträgen vorliegen, wird - wie auch schon nach derzeitiger Regelung für Fonds, die „in of scope“ sind - ex lege angenommen, dass der Gesamtbetrag der ausgeschütteten Erträge als Zinszahlung gilt, und die Besteuerung demnach pauschal auf dem ausgeschütteten Gesamtbetrag basiert (Anm.: Bei thesaurierten Erträgen greifen die Vorschriften der Zinsbesteuerungsrichtlinie erst im Falle der Rückzahlung [Veräußerung]).
Veräußerungserträge (von ausschüttenden und thesaurierenden Fonds): Die Veräußerungserträge von ausschüttenden und thesaurierenden Fondsanteilen unterliegen nur dann der Besteuerung, wenn über 40 % (ab 1.1.2011: 25 %) des Fondsvermögens in Zinsanlagen investiert wurde, sei es unmittelbar oder mittelbar über eine andere Beteiligung. Damit die Befreiung von der Steuer im Veräußerungsfall auch tatsächlich erfolgen kann, ist noch eine weitere Voraussetzungen nötig, denn der Zahlstelle muss eine entsprechende Information über den Prozentanteil des in „zinstragenden“ Produkten angelegten Vermögens vorliegen, da dieser Prozentanteil sonst ex lege mit als über 40 % (ab 1.1.2011: 25 %) liegend angenommen wird was wiederum eine nachteilige Pauschalbesteuerung auslöst.
Fonds bzw. ihre Administratoren müssen schon jetzt vorsorgen!
Noch ist unklar, ob bzw. wann die Änderungen der Zinsbesteuerungsrichtlinie in Kraft treten werden. Interessant ist, dass gemäß Vorschlag des Rates der EU vom 25.11.2009* vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten Erträge aus der Rückzahlung von non-UCITS nur dann als Zinszahlungen behandeln können, wenn sie diesen non-UCITS am 1. Juli 2010 oder danach zugeflossen sind.
Ändert sich nichts mehr am Vorschlag vom 25.11.2009 (Rückwirkung!) und tritt die Änderung am 1.1.2013 in Kraft, dann besteht Handlungsbedarf: Non-UCITS, die von der Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie betroffen sein werden und von „out of scope“ nach „in of scope“ fallen, müssen schon jetzt vorsoregen! Sonst werden Anteilinhaber, die Anteilscheine zwischen dem 1.7.2010 und dem 31.12.2012 erworben haben, im Fall der Rücklösung nach dem 1.1.2013 – da den Zahlstellen keine Informationen über die steuerbaren Erträge vorliegen – nachteilig pauschal besteuert. Um jedenfalls sicher zu gehen, sollte der Fondsadministrator die steuerbaren Beträge („TIS“) bereits seit dem 1.7.2010 berechnen, auch wenn die Richtlinie noch nicht einmal in Kraft ist! Denn es ist für den Administrator nicht möglich steuerbare Beträge („TIS“) später rückwirkend für die Vergangenheit zu berechnen!
*http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st16/st16473-re01.de09.pdf
Notiz zum Autor
Rolf Majcen ist Geschäftsführer bei FTC Capital GmbH (www.ftc.at). FTC ist auf die Entwicklung computergesteuerter, vollautomatischer Handelssysteme spezialisiert (Trendfolgesysteme, die auf den systematischen Handel von Aktienfonds und ETFs ausgelegt sind, diverse systematische Futures-Strategien). Seit April 2009 setzt FTC im Fonds eines Drittanbieters ein neu entwickeltes Modell für die systematische Steuerung der Asset-Allocation ein, das aus einem Universum liquider Einzelinstrumente (vorrangig ETFs) ein dynamisches Anlageportfolio konstruiert.
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