„Keine andere Nationalbörse in Europa hat einen vergleichbar hohen Marktanteil. Rund 75 Prozent des Handels in österreichischen Aktien geht über unsere Börse “, so das positive Eingangsstatement des CEO der Wiener Börse, Christoph Boschan. Er verweist auf den zurückliegenden Erfolg des heimischen Kapitalmarkts: „Die durchschnittliche Rendite im ATX lag in den letzten 25 Jahren bei sechs Prozent. Aus 10.000 veranlagten Euro wurden 43.000 Euro.“ Das sei deutlich mehr als die Anlagerendite von 2,7 Prozent, die der durchschnittliche österreichische Sparer laut einer Studie der Allianz erziele.
Rückenwind durch Osteuropa
Auch Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group AG, sieht für den heimischen Handelsplatz noch viel Potenzial: “Wir haben hervorragende Unternehmen in globalen Nischen. Wien profitiert derzeit nicht nur von der besseren Konjunktur in der Eurozone, sondern vor allem von der Konjunkturerholung in Osteuropa. Denn rund 75 Prozent der im österreichischen Leitindex ATX gelisteten Unternehmen sind in CEE aktiv.”
Seit der Finanzkrise wuchs CEE mit insgesamt 20 Prozent zwischen 2007 und 2016 deutlich stärker als die Eurozone. Zwar könnten die Länder in der Region nicht mehr an die jährlichen Wachstumsraten vor der Krise von acht bis zehn Prozent anschließen. Dennoch sei das aktuelle Wirtschaftswachstum von zwei bis vier Prozent deutlich stärker als in der die Eurozone, so Mostböck. “Die Region profitiert von soliden Fundamentaldaten. Die Länder haben eine vergleichsweise geringe Verschuldung und ausreichend Fremdwährungsreserven.”
Wiener Börse profitiert von Konjunkturerholung besonders
Der Analyst rechnet für heuer für Österreichs ATX-Unternehmen mit einem Gewinnanstieg von 30 Prozent und für 2018 immerhin noch von 17 Prozent. Die überdurchschnittlich gute Entwicklung begründet Mostböck auch damit, „dass im ATX ein hoher Anteil von zyklischen Aktien sind, die stärker von der Konjunkturerholung profitieren.“ Auch laufe die Wiener Börse als kleiner Markt tendenziell in einer Erholungsphase besser. Schwächelt die Konjunktur, leidet die Wiener Börse dafür umso stärker.
Industrie und Finanzbranche holen auf
Auch Aktienexperte Wolfgang Matejka von Matejka & Partners sieht die europäischen Aktien gerade in einem Aufholprozess gegenüber dem US-Kapitalmarkt: „Das Wirtschaftswachstum in Europa ist weit stärker. In Österreich haben obendrein so ziemlich alle Unternehmen ihre Bilanzen nach der Krise kräftig abgewertet. Auf die Umsatzanstiege folgen gerade erst die Gewinnanstiege. Hier helfen auch die guten Geschäfte in CEE. Die österreichische Industrie macht sich gerade auf den Weg, gegenüber der internationalen Peergroup aufzuholen, ebenso wie die heimische Banken- und Versicherungsbranche.“
Online-Finanzwelt in Österreich unterentwickelt
Vom Aufwind an der Wiener Börse möchte auch der vor rund einem Monat gestartete Online-Broker DADAT Bank profitieren. Der Markt sei erst am Anfang, betonte DADAT-Chef Ernst Huber: “Das österreichische Direktbank und Onlinebroker-Geschäft ist noch unterentwickelt. Während es in Österreich gerade einmal 100.000 bis 110.000 Onlinebroking-Kunden gibt, sind es in Deutschland bereits knapp vier Millionen – also ein Faktor von ca. 36 bei einer zehnmal größeren Einwohnerzahl.“
DADAT, die Direktbank der GRAWE Bankengruppe, präsentiert sich als Online-Vollserviceanbieter, vom Wertpapierhandel über Konten, und über die Vermittlung von Ratenkrediten und Baufinanzierungen bis hin zur Vermittlung von Versicherungsprodukten. “Unsere Vision ist es, der innovativste und flexibelste Direktbank Österreichs zu sein und Step by Step auch unser Finanzbildungs-Angebot für unsere Kunden auszubauen“, so Huber.
Das politische Risiko
Unisono waren sich die Experten einig, dass das größte Risiko für die Aktienmärkte nicht von den Zinsen drohe - in der Eurozone wird mit einem Anstieg nicht vor Mitte 2018 gerechnet, sondern vor einer unberechenbaren Politik. Von einer neuen österreichischen Regierung wünscht sich Wiener Börse-Chef Christoph Boschan „ein Kapitalmarktkonzept, das den jüngsten negativen Schwung aus Erhöhung der KEst, Schließung des Dritten Markts für österreichische KMU, Finanztransaktionssteuer und gestiegenen Aufsichtskosten umkehrt.