Blitzumfrage zu Marktverwerfungen: Kurzfristige Überreaktion oder abrupter Regimewechsel?
Die Finanzmärkte sind in Aufruhr, da unerwartete Entwicklungen im Yen-Carry-Trade und ein schwacher US-Arbeitsmarktbericht für Unsicherheit und Kursstürze sorgen. Eine exklusive Blitzumfrage von e-fundresearch.com bietet Einblicke von internationalen Experten zu den Hintergründen und Auswirkungen.
Funds
| 06.08.2024 16:10 Uhr
Von einem ruhigen Sommerloch keine Spur: Die Auflösung des Yen-Carry-Trades und ein deutlich schlechter als erwarteter US-Arbeitsmarktbericht haben die globalen Märkte seit Ende letzter Woche zunehmend verunsichert, zu einer nahezu 180-Grad-Wende bei den Zinssenkungserwartungen und Rezessionsängsten geführt und eine Abverkaufswelle an den Aktienmärkten ausgelöst.
In diesen turbulenten Zeiten möchten wir unserer Leserschaft auf möglichst effiziente Art rasch verschiedenste Standpunkte zu den Hintergründen und den Schlussfolgerungen der aktuellen Marktverwerfungen bieten. Die e-fundresearch.com Redaktion hat sich deshalb in einer Blitzumfrage exklusiv in seinem internationalen Expertennetzwerk umgehört.
Unsere Frage an Fondsgesellschaften:
Kurzfristige Überreaktion oder abrupter Regimewechsel: Wie beurteilen Sie die Hintergründe und die Auswirkungen der aktuellen globalen Marktverwerfungen aus Multi Asset Perspektive?
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Karin Kunrath, Chief Investment Office, Raiffeisen Capital Management
In den letzten Tagen sind schwache Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten in den USA sowie das Auflösen von Yen-Carry Trades auf – sommerbedingte – geringe Liquidität gestoßen. Schwacher privater Konsum trägt ebenfalls zu einem Überdenken der aktuellen Positionierung bzw. Konjunktureinschätzung der Marktteilnehmer bei.
Ist man zu Jahresbeginn von einer geringen Rezessionswahrscheinlichkeit bzw. einem Soft Landing in den USA ausgegangen, ist in den letzten Tagen die Erwartung einer US-Rezession in den Vordergrund gerückt. Positiv ist zu vermerken, dass am breiten Aktienmarkt keine massive Überbewertung festzustellen ist.
Aus Multi Asset Sicht ist eine „Normalisierung“ des Marktes festzustellen. Diversifikation funktioniert erstmals seit längerem wieder. In unseren Multi Asset-Portfolios haben wir bereits Anfang Juli die Aktienquote reduziert und Anleihen zugekauft. Im Anleihebereich halten wir eine längere Duration als der Markt und sind im Credit-Segment stärker in besseren Bonitäten investiert.
Wir erwarten eine fortgesetzte Volatilität an den Aktienmärkten, aber keine ausgeprägte Marktkorrektur. Dementsprechend ändern wir unsere Asset Allocation zum aktuellen Zeitpunkt nicht.
Dr. Uwe Rathausky, Vorstand, GANÉ-Investment AG
Die Funktion der Börse ist nicht, alle Marktteilnehmer reich zu machen. Deswegen sind Korrekturen nach einer starken Kursentwicklung, wie wir sie in den letzten Monaten und Jahren erlebt haben, unvermeidlich. Die im Aktienkurs enthaltene Renditeerwartung vieler Börsenlieblinge war mehr und mehr vom zukünftigen Wachstum abhängig und dieses lässt sich dauerhaft einfach nicht mit 10 oder 20 Prozent pro Jahr darstellen. Insoweit sorgten die letzten Quartalszahlen für Ernüchterung, was die KI-bedingten Wachstums- und Gewinnschübe angeht. Das allein sehen wir aber noch nicht als Indiz für eine Krise. Aus der Marktpanik sollte man nicht den Schluss ziehen, dass wir am Beginn einer weltweiten Rezession stehen. Zwar enttäuschten manche Konjunktur- und Zinsberichte und auch die geopolitische Lage ist angespannt, dem steht aber ein recht stabiles Weltwirtschaftswachstum auf niedrigem Niveau, mildere Inflationszahlen und ein globaler Zyklus von bereits erfolgten und bevorstehenden Zinssenkungen entgegen. Bei einigen Unternehmen sehen wir attraktive Bewertungen für den langfristigen Vermögensaufbau. Daher haben wir einen Teil unserer Liquidität zum Arbeiten gebracht und die Aktienquote antizyklisch leicht erhöht.
Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Invesco
Es gibt sowohl saisonale als auch zyklische Faktoren für den Ausverkauf. Erstens nimmt die Volatilität im Sommer tendenziell zu, da Volumina zurückgehen. Zweitens ist die Volatilität tendenziell höher, wenn Volkswirtschaften schwach sind. Leider kamen saisonale und zyklische Faktoren zusammen, als die Bewertungen bei US-Aktien, hochverzinslichen Wertpapieren und dem japanischen Yen, der sehr niedrig geworden war, überzogen waren. Die nicht ganz perfekten Ergebnisse einiger US-Techwerte trugen nicht zur Stimmungsaufhellung bei, aber das eigentliche Problem ist die US-Wirtschaft und die Befürchtung, dass die Fed mit der Lockerung zu lange gewartet hat. In der Zwischenzeit hat die starke Aufwertung des japanischen Yen einheimische Aktien belastet und könnte japanische Anleger zu Verkäufen ausländischer Vermögenswerte veranlassen, um inländische Verluste zu decken. Wäre die Volatilität aus dem Nichts gekommen, würde ich erwarten, dass sie sich schnell auflöste und die Märkte sich erholten. Ich denke aber, dass sie auf der Erkenntnis beruht, dass die US-Wirtschaft schwächer ist, als viele dachten und bleibe bei der defensiven Haltung in meiner Modell-Asset-Allokation, also Übergewichtung von Staatsanleihen, Untergewichtung von Aktien.
Alexander Lechner, Head of Multi Asset Management, Erste Asset Management
Trotz der heutigen Zugewinne bleiben die wichtigsten Auslöser für die Berg- und Talfahrt an den Börsen bestehen: die Auflösung von Carry Trades im Yen und die zunehmenden Rezessionsrisiken. Das unterstreichen vor allem die schwächeren Wirtschaftsdaten in den USA. Gleichzeitig hat sich die US-Wirtschaft bis dato als überraschend resilient erwiesen. Zudem haben statistisch basierte Rezessionsindikatoren wie die Steilheit der US-Zinskurve und der Frühindikator des Conference Board in den vergangenen Jahren versagt. Die Sahm-Regel ist ein wichtiger Rezessionsindikator, beruht aber nur auf statistischen Beziehungen.
Die Marktbewegungen der letzten Handelstage sind zu einem Teil auf technische Faktoren zurückzuführen. Dazu zählen der bereits erwähnte Carry Trade im japanischen Yen aber auch der Umstand, dass institutionelle- und Retail– Investoren stark in chancenreichen Veranlagungen engagiert waren. Zusätzlich ist die Liquidität auf den Märkten im Sommer geringer. In einem derartigen Umfeld genügen schwächer als erwartete Wirtschafts- und Unternehmensdaten um große Kurssprünge auszulösen. Aus Marktsicht ist die Inflation also bereits niedrig genug, damit Anleihen ihrer Rolle als „sicheren Hafen“ wahrnehmen können.
Yves Ceelen, Head of Institutional Portfolio Management Mandates & Global Balanced, DPAM
Sommerkorrekturen an den Finanzmärkten sind nicht ungewöhnlich. Man denke zuletzt an die durch die Renminbi-Abwertung im August 2015 ausgelöste Börsenkorrektur. Auch diesmal liegt der Ursprung in Asien und auf den Währungsmärkten. Am 31. Juli überraschte die BoJ mit einer stärkeren Zinsanhebung als erwartet. Schwache US-Arbeitsmarktdaten kamen hinzu.
In der Folge wertete der Yen heftig auf und kehrte eine spekulative Bewegung um, die sich seit zwei Jahren aufgebaut hatte. Bis vor kurzem war der Yen mit seinen Zinsen nahe Null eine wichtige Finanzierungsquelle – das Volumen schätzen Analysten auf fast 4.000 Mrd. USD.
Wer gezwungen ist, Risikopositionen zu verkaufen, stößt Titel ab, was das Tempo der Börsenkorrektur erklärt. Auch andere Märkte sind betroffen, wie Rohstoffe, risikoreichere Anleihen und Währungen wie der mexikanische Peso.
Was macht die Fed? Wird sie mit einer Zinssenkung bis September warten oder eine frühere Sitzung einberufen, um die Märkte zu beruhigen. Rasches Handeln hätte den Vorteil, dass ein Börsenschock mit Auswirkungen auf den US-Konsum vermieden würde. Auch ein koordiniertes Vorgehen der Staats- und Regierungschefs der G7 oder G20 wie damals ist möglich.
Robert M. Almeida, Portfoliomanager und Global Investment Strategist, MFS Investment Management
Es ist schwer zu sagen, was den aktuellen Ausverkauf wirklich ausgelöst hat. Nach unserer Beobachtung hat eine Kombination aus vielen Faktoren dazu geführt, dass am Markt zu viele gehebelte Trades eingegangen wurden. Diese werden nun aufgelöst – und die Schlussrechnung kann nicht für alle Marktteilnehmer positiv sein.
Viele fragen sich, ob der Markt gerade überreagiert. Wir handeln nach dem Motto: Der Preis ist das, was man zahlt, und der Wert ist das, was man bekommt. Der Preis risikoreicher Aktien ist zu hoch geworden, doch der Wert (d. h. die Rendite auf das eingesetzte Kapital) lag unserer Meinung nach letztlich unter den Erwartungen der Anleger.
Volatilität bedeutet, dass der Markt falsche Annahmen ausgleicht, womit wir wieder beim vorherigen Punkt wären: Die Renditeerwartungen des Marktes waren unserer Meinung nach zu hoch. Die Gewinne beziehungsweise Erträge der Unternehmen sind zwar noch nicht eingebrochen, aber die Märkte preisen eine solche Entwicklung ein, bevor sie passiert – und das war wahrscheinlich letzte Woche der Fall.
Saira Malik, CIO, Nuveen
Bei ihrer jüngsten Sitzung äusserte sich der Fed-Vorsitzende Jerome Powell, dass eine Zinssenkung "schon im September" möglich sei. Der drastische Ausverkauf an den US-Aktienmärkten in den beiden Tagen nach der Zinsankündigung der Fed könnte die Sorge der Anleger widerspiegeln, dass die Fed hinter der Kurve zurückgeblieben ist. Gleichzeitig wurden in der vergangenen Woche eine Reihe von Daten veröffentlicht, die für eine Zinssenkung im September sprechen:
• JOLTS-Bericht (Job Openings and Labor Turnover Survey) für Juni: die Zahl der verfügbaren Stellen sank auf 8,18 Millionen oder 1,2 offene Stellen pro Arbeitssuchendem
• Beschäftigungskostenindex (ECI), ein Mass für Inflation der Löhne und vom Arbeitgeber gezahlten Leistungen, verlangsamte sich im zweiten Quartal auf +0,9 %
• Bericht über die Zahl der Beschäftigten ausserhalb der Landwirtschaft für Juli: Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze lag mit 114.000 unter den Konsensschätzungen von 175.000. Die Arbeitslosenquote stieg auf 4,3 %, während die Lohninflation (+3,6 % im Jahresvergleich) im Vergleich zum Juni zurückging. Fazit: Das Beschäftigungswachstum verlangsamt sich.
Chris Iggo, CIO Core Investments, AXA Investment Managers
Die Marktverwerfungen sind auf kurzfristige Überreaktionen und veränderte Marktbedingungen zurückzuführen. Mehrere Faktoren spielen eine Rolle: negativer Preismomentum, schwächere Wirtschaftsdaten, politische Unsicherheit im US-Wahlkampf sowie geopolitische Spannungen. Die Entwicklung der Marktpreise spiegelt diese Gemengelage wider. Kurzfristig besteht die Gefahr, dass der negative Preismomentum die Fundamentaldaten überlagert und es zu übertriebenen Marktbewegungen kommt. In einem solchen Szenario wären Reaktionen der Zentralbanken, wie Zinssenkungen der Fed, denkbar. Kurzfristig führt dies evtl. zu Risikoaversion, was Staatsanleihen, hochwertigen Krediten und Währungen wie Franken und Yen zugutekommt. Die jüngste Abschwächung des US-Arbeitsmarktes sollte im Kontext steigender offener Stellen und weiterhin positiven Beschäftigungswachstums betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund verstärken wir die defensive Ausrichtung unserer Aktienquote und streben eine gleichgewichtete Allokation an, anstatt marktgewichtet investiert zu bleiben. Also: Gewinne bei US-Mega-Caps sichern und nicht auf den Zug des übertriebenen Anstiegs bei US-Small-Caps Mitte Juli aufspringen, der fundamental nicht gerechtfertigt ist.
Robert Greil, Chefstratege, Merck Finck
„Rezessionsängste übertrieben – kein Grund zur Panik“
Wir halten die teils überbordenden Ängste vor einer US-Rezession für übertrieben und gehen in unserem Basisszenario nach wie vor von einer „weichen Landung“ der Wirtschaft aus. Der Arbeitsmarktbericht für Juli mag auf ein nachlassendes Wachstumstempo hinweisen, war aber aus unserer Sicht auch durch einige Sondereffekte geprägt. Andere Indikatoren wie etwa der gestern Nachmittag veröffentlichte ISM-Bericht für den Dienstleistungssektor im Juli zeigen hingegen sowohl in Sachen Beschäftigung als auch Auftragseingang klar positive Entwicklungen. Im Gegensatz zum ISM-Bericht für das verarbeitende Gewerbe ist der für die Dienstleistungsbereiche im Juli gut erholt und besser als erwartet ausgefallen. Während das verarbeitende Gewerbe für die US-Wirtschaft ohnehin weniger wichtig ist, deutet sich im bedeutenderen Dienstleistungssektor somit weiteres Wachstum an.
Den aktuellen Abverkauf sehen wir daher neben den Folgen der Auflösung inter-nationaler Yen-finanzierter Investments eher als eine Enttäuschung der Marktteil-nehmer, die auf eine möglicherweise überbordende Euphorie folgt. Am fundamentalen Gesamtbild hat sich aus unserer Sicht nichts Materielles geändert.
Andreas Böger, Head of Sustainable Investments, Impact Asset Management GmbH
Die Aktienmärkte erreichten in den vergangenen Monaten regelmäßig neue Allzeithochs, angeführt von den großen Technologiekonzernen und anderen Qualitätstiteln. Eine Korrektur war überfällig und wurde im Juli von einer Momentum-Umkehr eingeleitet. Bewertungen rückten wieder in den Vordergrund, die Wirtschaftlichkeit der KI-Investitionen wurde kritisch hinterfragt und die zyklischen Titel sollten von möglichen Zinssenkungen profitieren.
Die geordnete Entwicklung wandelte sich in der vergangenen Woche zu einem breiten Abverkauf, nachdem eine Reihe schwacher Wirtschaftsdaten die angenehme Zinssenkungsfantasie zur gefürchteten Rezessionsangst mutieren ließ.
Aus unserer Sicht haben die Märkte keine große Wandlung vollzogen, vielmehr folgen sie dem Skript zur Jahreswende. Die Normalisierung von Wirtschaft und Zinsen nach dem COVID-Kater bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen „zu starker“ und „zu schwacher“ Wirtschaft, eine allgemein gute Marktentwicklung dürfte damit immer wieder von Korrekturen unterbrochen werden. Anleger sollten den Blick auf das große Ganze nicht verlieren, weiter auf Qualität setzen und damit in verschiedenen Szenarien gut aufgestellt bleiben.
Nicolai Austein, Portfoliomanager im Team Fundamentales Multi-Asset, Metzler Asset Management
Aktuell schätzen wir die Ereignisse an den Aktienmärkten als eine Bereinigung von deutlich überzogenen Bewertungen, insbesondere im Technologiesektor, ein. Der Fokus liegt auf den Notenbanken: Sollten diese mit zeitnahen Zinssenkungen reagieren und überzeugend den Eindruck vermitteln, eine Rezession verhindern zu wollen, dürfte dies zu einer Stabilisierung der Lage beitragen. Bis dahin könnte weiterhin Druck auf den Aktienmärkten lasten.
In unseren Multi-Asset-Portfolios sind wir auf der Aktienseite bereits seit der ersten Jahreshälfte leicht defensiver aufgestellt. Wir planen keine weitere Reduktion, solange eine globale Rezession vermieden werden kann. Zudem entwickeln sich die Unternehmensgewinne großteils weiterhin positiv. Dessen ungeachtet sind die Timing-Risiken für taktische Sicherungsmaßnahmen sehr hoch, was gegen einen kurzfristigen Aktionismus spricht. Die Historie zeigt, dass man in solchen Situationen Ruhe bewahren sollte.
Nicht zu vergessen ist auch die Rückkehr der Diversifikation. So haben wir auf der Rentenseite in den letzten Monaten die Duration schrittweise nach oben angepasst und können aktuell von den Kursgewinnen bei Staatsanleihen mit guter Bonität profitieren.
Dr. Jochen Heubischl, Leiter für Multi Asset, MEAG
Wenn in einer einzigen Sitzung ein asiatischer Markt mehr als 10% Tagesverlust verzeichnet, und wir den drittgrößten Anstieg der Volatilität in der Geschichte sehen, dann kann man durchaus von irrationalem Marktverhalten sprechen. Die Makrodaten rechtfertigen eine solche Marktbewegung nicht vollständig.
Die Bewegung, die wir derzeit beobachten, wird vor allem von den US-Zinsen angetrieben. Diese hat die Bewegung im Yen ausgelöst, was wiederum zur Auflösung von Carry-/Aktienpositionen führte, welche in großem Volumen weltweit gespielt werden bzw. wurden.
Was man weiterhin festhalten kann, ist, dass sich das Narrativ ändert: Der Markt beginnt, das Risiko eines deutlichen Abschwungs oder sogar einer Rezession einzupreisen und befürchtet, dass die US-Notenbank FED zu lange mit ihrer Zinssenkung abwarten wird, d.h. die FED fällt hinter die Kurve zurück. Aktuell überwiegen die Konjunktursorgen und die Befürchtungen bezüglich einem Fehler in der Fed-Politik gegenüber den Inflationssorgen und geopolitischen Risiken.
Wir gewichten das Risiko einer Rezession aktuell nicht so hoch wie der Markt. Dennoch sind wir der Meinung, dass es aktuell noch zu früh ist, um wieder aggressiv in den Markt einzusteigen.
Rahul Bhushan, Managing Director, Europe and Global Head of Index, ARK Invest Europe
Ich würde "beides" sagen. Einerseits handelt es sich um eine Überreaktion, denn Panik ist nie ein sinnvoller Ansatz im Geldmanagement. Gleichzeitig erleben wir auch einen Regimewechsel, da sich die Geldpolitik nicht mehr darauf konzentriert, wann die Zinsen gesenkt werden, sondern wie schnell. Die Fed steht nun vor der heiklen Aufgabe, die Zinssätze schnell genug zu senken, um die finanziellen Bedingungen zu erleichtern, ohne eine Rezession auszulösen, wenn die Senkungen zu stark und zu schnell sind.
In einem Markt, der durch Liquidität gekennzeichnet ist, sind die Korrelationen zwischen allen Anlageklassen hoch. Traditionelle risikoarme Anlagen entwickeln sich gut (z.B. US-Staatsanleihen, Gold, Yen), während andere wie Bitcoin und US-Großunternehmen zurückgehen. Dennoch halten sich bestimmte Sektoren wie Versorger und Gesundheitswesen relativ gut. Es ist wichtig, das Prinzip der Diversifizierung wirklich zu verstehen, anstatt sie nur anzustreben. Viele glauben, sie seien diversifiziert, sind es aber nicht, vor allem wenn die Märkte von der Dollarliquidität getrieben werden. Es kommt weniger darauf an, in was man investiert ist, sondern vielmehr darauf, die Kovarianzen zu verstehen.
Ella Hoxha, Leiterin für Fixed Income, Newton Investment Management (BNY Investments)
Die Marktbewegungen befinden sich noch im Anfangsstadium, insbesondere bei Aktien und Anleihen, und können daher weiter korrigiert werden. Hohe Positionen in risikoreichen Vermögenswerten mit geringen Barmitteln an der Seitenlinie verschärfen dies noch. Schwachpunkte dürften sich in den wachstumssensitiveren Marktsektoren wie Hochzinsanleihen und Aktien bemerkbar machen. Dies dürfte Kernanleihen und niedrig verzinsliche Währungen weiterhin stützen.
Rohstoffe werden durch die geopolitische Situation im Nahen Osten unterstützt. Zudem könnten diese auch durch die wahrscheinliche politische Reaktion der Zentralbanken in einem schwachen Marktumfeld begünstigt werden. Wir bleiben bei einer Übergewichtung von Kernanleihen und Safe-Haven-Währungen, wobei wir kurzlaufende Anleihen und steilere Kurven bevorzugen. Investment-Grade-Anleihen dürften hier unterstützt werden, High-Yield-Anleihen könnten jedoch etwas stärker unter Druck geraten. Die US-Daten der letzten Woche haben uns ein schwächeres Wachstum bestätigt, wobei die US-Wirtschaft für eine weiche Landung eingepreist war – jetzt ist diese Annahme in Frage gestellt.
Stefan Wolpert, Portfoliomanager Multi Asset, Habbel, Pohlig & Partner
Die Kursbewegungen deuten weder auf eine Überreaktion noch einen Regimewechsel hin, sondern vielmehr auf eine Normalisierung von Übertreibungen in mehreren Märkten. Enttäuschende Ergebnisse großer Tech-Firmen haben die „KI-Manie“ auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, da die Frage aufkommt, ob die Milliardeninvestitionen gerechtfertigt sind. Verluste in deutlich überbewerteten Titeln waren die Folge. Ein abkühlender US-Arbeitsmarkt und sinkende Inflationsdaten geben der Fed Spielraum für Zinssenkungen, während die Bank of Japan restriktiver agiert. Als Folge werden Carry Trades zurückgefahren, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die kreditfinanzierten Anlagen, einen erstarkenden Yen und Kursverlusten am japanischen Aktienmarkt, der jüngst neue Rekordhochs erstürmt hatte. Der Volatilitätsanstieg beeinflusst wiederum andere Anlageklassen, wie z.B. höherrentierliche Anleihen, deren Renditeabstand zu sicheren Staatsanleihen zuletzt deutlich geschrumpft war. Trotz der deutlichen Kurserholung können Nachbeben auf den Kursrutsch jedoch nicht ausgeschlossen werden. Erhöhte Volatilität dürfte noch den einen oder anderen Akteur zu Anpassungen zwingen.
Ben Bennett, Head of Investment Strategy, Asia, L&G Asset Management
Die Marktkorrektur hat mehrere Ursachen, die zu einer Spirale von Kursrückgängen und Zwangsverkäufen führten:
1. Gewinne, die auf Momentum basieren, sind diffizil. Wenn nur gekauft wird, weil alle kaufen, dann kann die Stimmung sehr leicht kippen.
2. Die Bewertungslücke zwischen den großen Tech-Werten und Small Caps hat sich ständig vergrößert. Da die "Mag 7"etwa 4x so groß sind wie der gesamte Russell 2000, führte eine kleine Präferenzänderung bei Anlegern im Juli zu einer Rallye der Small Caps. Die Gewinne von US-Tech-Unternehmen wie Amazon und Intel blieben hinter den Erwartungen zurück, was die vorherrschende Überzeugung untergrub, dass deren Kurse auf jeden Fall auch in Zukunft weiter steigen würden.
3. Japan versuchte den Yen zu stützen, zunächst durch Währungsinterventionen, dann durch Zinserhöhungen. Dies stellte nicht nur die Richtung des "Momentum Trade" in Frage, sondern untergrub auch den "Carry Trade".
4. In den USA enttäuschten Makrodaten, vor allem die Beschäftigtenzahlen, und machten Hoffnungen auf eine "sanfte Landung" zunichte. Anleger erwarten nun rasche Zinssenkungen, um Rezessionsängsten entgegenzuwirken.
Guy Stear, Head of Developed Markets Strategy, Amundi Investment Institute, Amundi
Der japanische Topix-Index verzeichnete an einem Tag den stärksten Rückgang seit mehr als drei Jahrzehnten. Auch europäische und US-Aktien fielen, während die Anleiherenditen den Anstieg vom Jahresanfang wieder aufholten. Enttäuschung über die Gewinne im Technologiesektor, Sorgen über die US-Wirtschaft und steigende geopolitische Risiken trugen zu dieser Entwicklung bei. Die Juli-Arbeitsmarktdaten deuten auf eine Verlangsamung der US-Wirtschaft hin. In Verbindung mit einem günstigeren Inflationsbild in einem restriktiven Zinsumfeld werden die Zentralbanken die Zinsen wahrscheinlich schneller als geplant senken müssen. Die Marktvolatilität könnte den Zeitpunkt der Senkungen beeinflussen, doch dürften die soliden Bilanzen der Unternehmen und Haushalte sowie proaktive Zentralbankmaßnahmen zu einer geordneten Verlangsamung beitragen. Ein sprunghafter Anstieg der Volatilität könnte es rechtfertigen, das Risikoengagement vorsichtshalber zu reduzieren, die Maßnahmen könnten Chancen in den Industrieländern eröffnen, insbesondere bei Aktien. Staatsanleihen erscheinen nach den jüngsten Bewegungen weniger attraktiv, während die Aussichten für Unternehmensanleihen gemischt sind, wobei Investment Grade gegenüber High-Yield bevorzugt wird.
Matthias Hoppe, Portfoliomanager, Head of EMEA Portfoliomanagement,, Franklin Templeton Investment Solutions
Die Aktienmarktrallye in der ersten Jahreshälfte war nicht „gesund“, da sie von wenigen KI-Aktien wie Nvidia dominiert wurde. Obwohl die Fundamentaldaten unterstützend waren, waren sie ungleich verteilt. Die Sektoren, die die Rally anführten, haben mit einer Korrektur begonnen und könnten weiter fallen. Großkapitalisierte US-Wachstumsunternehmen übertrafen ihre Value-Pendants bis Juli um mehr als 65 Prozentpunkte. Obwohl sie stark gefallen sind, haben sie weniger als ein Drittel ihrer Gewinne eingebüßt und liegen seit Jahresbeginn noch vorn. Die Renditen von Staatsanleihen sind gesunken und die Kurse von Anleihen hoher Bonität gestiegen, was ein günstigeres Inflationsumfeld und die Aussicht auf einen Zinssenkungszyklus widerspiegelt. Dies erhöht jedoch das Risiko einer Überbewertung dieser sicheren Anlagen. Ereignisse im Nahen Osten überwiegen nicht die Sorgen über schwächere Nachfrage in China und den Industrieländern. Die Rolle der Fed bei der Abmilderung oder Verschärfung von Rezessionsrisiken ist unklar. Eine Notfall-Zinssenkung könnte mehr Panik verursachen. Es ist wichtig, nicht zum Zwangsverkäufer zu werden, um Chancen zu nutzen oder das Risiko zu kontrollieren.
Morgane Delledonne, Head of Investment Strategy, Global X
Die Volatilität an den globalen Aktienmärkten ist auf ein Niveau gestiegen, das zuletzt beim Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 zu beobachten war. Die Marktteilnehmer bauten zuletzt Risiken ab, da sie sich aufgrund einer Abschwächung des US-Arbeitsmarktes zunehmend Sorgen um das künftige Wachstum machen. Vor diesem Hintergrund zeigten Staatsanleihen eine starke Erholung.
Auf der Aktienseite zeichneten die Unternehmenszahlen der Magnificent 7 insgesamt ein gutes Bild. Viele Anleger verlieren allerdings ihre Geduld, was die Rendite der Investitionen in künstliche Intelligenz (KI) angeht. Die Technologieunternehmen investieren weiterhin massiv in generative KI, halten sich aber mit einer Quantifizierung der potenziellen Einnahmen oder des Zeitrahmens zurück. Angesichts ihrer hohen Bewertung im Vergleich zu anderen Sektoren sind große Technologieunternehmen trotz solider Fundamentaldaten heute anfälliger für Schwankungen.
Die Volatilität dürfte im Vorfeld der September-Sitzung der Fed hoch bleiben. Das gilt insbesondere rund um die Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten. In der Folge könnten die US-Präsidentschaftswahlen für Schwankungen sorgen.
Daniel Kutschker, CEFA, LBBW Asset Management
Die technischen Erklärungen rund um die Auflösung der in japanischen Yen notierten Carry Trades sowie der angestiegenen Rezessionsgefahr in den USA sind nachvollziehbar und haben in der regelmäßigen Analyse ihre Berechtigung. Die damit einhergehende Markreaktion scheint übertrieben und signalisiert ein Überschießen des Zinsmarktes sowie eine Überreaktion bei den Aktien. Neben den technischen Faktoren sollten aber strukturelle Aspekte nicht vernachlässigt werden, die am besten mit dem Begriff des „Kettenbriefs“ bzw. „Ponzi Scheme“ beschrieben werden können. Passive Investoren, die vorwiegend in aktuelle Trendthemen investieren, führen zu Kapitalallokationen, die sich nicht mehr an klassischen Bewertungsmodellen orientieren. Dies wird durch sogenannte Momentum-Investoren noch verstärkt und spiegelt sich auch im Anlageverhalten über die Generationen hinweg wider („Buy the Dip-Mentalität“). Kettenbriefe enden oft abrupt, so dass eine weitsichtige Portfoliokonstruktion eine sinnvolle Möglichkeit darstellt, diese Risiken zu minimieren. Hier sind Multi Asset Portfolien durch die Möglichkeit des "Auskorrelierens" von Anlagekategorien und dem Einsatz von liquiden Derivaten im Vorteil.
Salah Bouhmidi, Head of Markets, IG Europe
Die anhaltend restriktive Geldpolitik schlägt zunehmend auf die Realwirtschaft durch. Schwache Wirtschafs- und Arbeitsmarktdaten erhärten nun den Verdacht eines anstehenden Einbruchs der US-Ökonomie. Die Angst vor einer Rezession sorgt international für Unruhe, an den Finanzmärkten reagieren Anleger mitunter panisch.
Grund dafür ist neben der US-Arbeitsmarktdaten eine gefährliche wirtschafts- und geopolitische Melange: Enttäuschende Quartalszahlen der Big Tech-Konzerne, nachlassende KI-Euphorie, Verkauf von Apple-Aktien durch Berkshire Hathaway, Angst vor einer Eskalation im Nahen Osten und eine geldpolitische Wende in Japan.
Der CHF markierte jüngst ein 7-Monats-Hoch, der Yen kletterte auf den höchsten Stand seit fünf Monaten. Auch der Goldpreis setzt zum Sprung in Richtung seiner alten Bestmarken an. Risiko-Assets wie Kryptowährungen und hoch bewertete Tech-Aktien geben stark nach.
Langfristig orientierte Investoren sollten die starke Kursreaktion jedoch nicht überbewerten. Die Abwärtsphasen an den Märkten sind häufig schnell und heftig, doch können sich im längeren Horizont betrachtet als Kaufchance herausstellen.
Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
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