Die Zinspolitik steht erneut im Fokus der Finanzwelt. Wir haben eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, wie verschiedene Marktteilnehmer die aktuellen Entwicklungen einschätzen. Welche Erwartungen haben sie an die nächsten Schritte der Notenbanken, und wie könnten diese die Finanzmärkte beeinflussen?
Lesen Sie im aktuellen #EconomicsForum die Einschätzungen des internationalen e-fundresearch.com Expertennetzwerks:
Unsere Fragestellung an die Fondsgesellschaften:
Wie viele Zinssenkungen werden auf beiden Seiten des Atlantiks noch erwartet und wie hoch werden sie ausfallen? Welche Rolle spielen die aktuellen Arbeitsmarktdaten in den USA und Europa? Wie werden die unterschiedlichen Ansätze der Fed und EZB die Finanzmärkte beeinflussen? Könnten die Erwartungen an Zinssenkungen überzogen sein, und was wären die möglichen Konsequenzen für Investoren?
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Das Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole bot der US-Notenbank eine Bühne, um der Welt zu signalisieren, welchen politischen Ansatz die Zentralbank für den Rest des Jahres verfolgt. Powell stellte fest, dass „[wir] alles in unserer Macht Stehende tun werden, um einen starken Arbeitsmarkt zu unterstützen, während wir weitere Fortschritte in Richtung Preisstabilität machen“.
Doch die Zinssätze sind nur ein Teil der makroökonomischen Faktoren, die die Preise von Vermögenswerten beeinflussen. Auch das Wirtschaftswachstum und die Inflationsdynamik spielen eine Rolle. Da die extremen Konzentrationen und Bewertungen an vielen Aktienmärkten nach wie vor herausfordernd sind, erwarten wir, dass es im Vorfeld der US-Wahlen im November zu weiteren Schwankungen nach der Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten und makroökonomischer Ereignisse kommen wird.
Aus Multi-Asset-Perspektive könnten Anleger von Large-Cap-Technologietiteln in US-Small Caps umschichten und die Volatilität nutzen, um in den kommenden Monaten zyklische und zinssensitive Engagements aufzubauen. In Anbetracht seiner inflationsanfälligen Eigenschaften glauben wir auch, dass Gold auf diesen Niveaus attraktiv bleibt.
Benjamin Karner, Senior Portfoliomanager Anleihen, Kepler Fonds KAG
Die Fed hat bereits recht deutlich signalisiert, den Senkungszyklus am 18. September einzuleiten. Die Frage ist vielmehr, ob ein 25 bps oder gar 50 bps Schritt gesetzt wird. Die rasche Abkühlung des amerikanischen Arbeitsmarkts bereitet der Fed zurecht Sorgen.
Dies kann einen sich selbst verstärkenden negativen Prozess auslösen, den die Notenbank auf jeden Fall vermeiden möchte. Welch Unsicherheit derzeit am Markt vorherrscht, sieht man an den Reaktionen auf die monatlich veröffentlichten Nonfarm Payrolls, obwohl bekannt ist, dass es bei diesem Indikator große Revisionen gibt. Deshalb ist es ratsam, verschiedenste Arbeitsmarktdaten im Aggregat zu betrachten. Doch auch da zeigt sich eine klare Abkühlung.
Der Start der Zinssenkung der Fed erleichtert den Job der EZB. Sie hätte wohl bereits gerne weitere Zinssenkungen gesetzt, da die Inflation sich erwartungsgemäß verringert und doch einige Wirtschaften der Eurozone straucheln.
Die derzeit eingepreisten Zinssenkungen sind realistisch. Der Fokus sollte allerdings nicht darauf liegen, ob ein Schritt ein Monat früher oder später gesetzt wird, sondern auf der Verfassung der Wirtschaft und dem damit verbundenen Ziel der Zinssenkungen.
Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa, T. Rowe Price
Die HVPI-Gesamtinflation im Euroraum wird im August wohl auf 2,2 % sinken. Hauptgrund sind die sinkenden Energiepreise gegenüber dem Vorjahr. Die HVPI-Kerninflation wird voraussichtlich bei 2,9 % liegen, die Inflation im Dienstleistungssektor, die zuverlässigste Messgröße, bei 4 %. Ein Teil des Anstiegs im August lässt sich wohl durch einmalige Preiseffekte aufgrund der Olympischen Spiele erklären. Dennoch liegt sie nach wie vor deutlich über dem Niveau der EZB-Ziele. Die Inflationsdynamik im Dienstleistungssektor hat sich zwar gegenüber den hohen Werten im ersten Halbjahr abgeschwächt, ist aber immer noch zu stark und zu hartnäckig. Die Inflation ist eindeutig nicht der einzige relevante Datenpunkt für die Geldpolitik. Das Lohnwachstum im 2. Quartal ist deutlich zurückgegangen. Unternehmensumfragen weisen auf die Gefahr einer stärkeren Wirtschaftsabschwächung als erwartet hin. So wird die EZB ihre Leitzinsen im September wahrscheinlich erneut um 25 Bps senken. Da sich der Euroraum von dem großen angebotsseitigen Energie-Schock erholt, ist es wahrscheinlich, dass dieses stagflationäre Bild von hartnäckiger Inflation und schwacher Wirtschaftstätigkeit noch einige Zeit anhalten wird.
François Rimeu, Senior Strategist, Crédit Mutuel Asset Management
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Fed am 18.09. die Zinssätze senken und damit ihren Lockerungszyklus beginnen. Die Inflation macht langsam weniger Sorgen, das Gegenteil gilt für den Arbeitsmarkt. In den nächsten Quartalen dürften sich die Fed-Mitglieder mehr von der Arbeitsmarktdynamik als von geringfügigen Inflationsschwankungen beeinflussen lassen (außer natürlich von neuen Angebotsschocks). Wenn die Inflationserwartungen halten, ist die Fed zurecht relativ unbesorgt über Inflationsrisiken.
Die Märkte prognostizieren nun über 8 Zinssenkungen bis Sommer 2025, was bereits erheblich ist. Bisher wurden derartige Lockerungen nur während Rezessionen beobachtet. Jedoch: Falls die Erwartungen der Fixed-Income-Märkte richtig sind, könnten wir auf eine milde US-Rezession zusteuern.
Die Situation in der Eurozone ist recht ähnlich, allerdings mit zwei Hauptunterschieden:
1. Das Lohnwachstum (und die Dienstleistungsinflation) ist hartnäckiger, was die EZB zu mehr Vorsicht bewegen könnte. V. a. aufgrund der hartnäckigeren Inflation sind die Markterwartungen für Zinssenkungen in der Eurozone derzeit weniger ausgeprägt.
2. Im Vergleich zu den USA fehlt es der Eurozone an Wirtschaftswachstum.
Dr. Felix Schmidt, Senior Economist Berenberg, Berenberg
„Während die konjunkturellen Risiken in der Eurozone zuletzt zugenommen haben, ist die Inflationsrate im August auf 2,2 Prozent gesunken. Alles deutet daher darauf hin, dass die EZB am Donnerstag dieser Woche den Einlagensatz erneut um 25 Basispunkte auf 3,5 Prozent senken wird.
Angesichts der aktuellen Unsicherheiten wird sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der anschließenden Pressekonferenz zu Tempo und Umfang der weiteren geldpolitischen Lockerung bedeckt halten. Aufgrund der hartnäckigen Kerninflation ist jedoch davon auszugehen, dass die EZB auf ihrer Sitzung im Oktober erneut eine Pause einlegen wird, bevor sie dann am 12. Dezember den Leitzins zum dritten Mal in diesem Lockerungszyklus um 25 Basispunkte senken wird.
Erst im Laufe des nächsten Jahres werden diese Zinssenkungen im vollen Umfang in der Realwirtschaft ankommen. Eine anziehende Konjunktur und ein steigender Lohndruck aufgrund des Arbeitskräftemangels könnten die EZB dann dazu veranlassen, den Lockerungszyklus bereits im Sommer 2025 bei einem Einlagensatz von 2,75 Prozent zu beenden – und damit früher als derzeit von vielen Marktteilnehmern erwartet.“
Dr. Thomas Hempell, CFA, Head of Macro and Market Research, Generali Asset Management
Vor drei Jahren zeigte sich Fed-Chef Powell beim Treffen der Geldhüter in Jackson Hole sehr zuversichtlich, dass sich der damalige Inflationsanstieg als temporär erweisen würde. Ein schwerer Irrtum.
Drei Jahre später befindet sich das Inflationsziel auf beiden Seiten des Atlantiks jetzt endlich in Sichtweite. Die Konjunktur und der US-Arbeitsmarkt kühlen ab. Wir erwarten eine Sequenz von Zinsschritten: um weitere 0.25% pro Quartal bis auf 2.25% beim Einlagensatz der EZB, und bei der Fed zunächst sogar schnellere 0.25% pro Sitzung (ab Frühjahr 2025 pro Quartal) auf 3.0-3.25% Ende 2025. Die Fed startet von einem höheren Zinsniveau über 5% kommt und beginnt später mit der Lockerung.
Rückläufige Inflation und Zinsen können bei von uns erwartetem moderaten Wachstum ohne Rezession riskantere Anlageklassen Rückenwind bieten und die Renditen bis weit ins nächste Jahr im Zaum halten. Kurzfristig sind wir jedoch vorsichtiger. Denn die Märkte preisen jetzt zu schnelle und tiefe Zinssenkungen ein. Das birgt das Potenzial für kurzfristige Enttäuschungen. Denn die Geldhüter wollen sich bei der Inflation auf keinen Fall erneut die Finger verbrennen – und werden bei der Geschwindigkeit der Zinssenkungen sehr vorsichtig vorgehen.
David Page, Head of Macro Research, AXA Investment Managers
Wir erwarten zwei Zinssenkungen der Fed in 2024, schließen aber eine dritte nicht aus. Powell hat angedeutet, dass das Vertrauen in eine rückläufige Inflation zugenommen hat und dass die Zeit für eine Anpassung der Geldpolitik gekommen sei. Es besteht allerdings ein Risiko, dass die allgemeinen Erwartungen an Zinssenkungen überzogen sind. Powell hat zwar Raum für weitere Lockerungen eingeräumt, doch er betonte auch, dass letztendlich viel von den Daten abhängt. Hohe Erwartungen an schnelle Zinssenkungen bergen Risiken, besonders bei unerwarteten Arbeitsmarktdaten oder Inflation.
Auf der anderen Seite des Atlantiks hat die EZB zwar bereits im Juni die Zinsen gesenkt, jedoch werden diese noch lange auf dem hohen Niveau verharren. Die makroökonomischen Bedingungen in Europa unterscheiden sich von den USA, und die Inflations- und Arbeitsmarktbedingungen könnten es erfordern, dass die EZB weniger aggressiv vorgeht.
Thomas Romig, Head of Multi Asset Portfolio Management, Assenagon Asset Management S.A.
Die Zentralbanken sehen sich zwar dem Druck ausgesetzt, den Erwartungen an Zinssenkungen gerecht zu werden. Doch die Ansätze von Fed und EZB unterscheiden sich signifikant. So könnte die Fed zusätzliche Zinssenkungen erwägen, falls schwache Arbeitsmarktdaten und niedrige Inflation auf eine wirtschaftliche Abkühlung hindeuten. Dagegen könnte die EZB nach ihrer ersten Zinssenkung im Juni am aktuellen Zinsniveau festhalten oder nur eine kleine Zinssenkung von 25 Basispunkten vornehmen, um die Inflation weiterhin zu überwachen und potenzielle wirtschaftliche Risiken abzuwägen.
Die aktuellen Arbeitsmarktdaten sind von entscheidender Bedeutung: In den USA könnten höhere Arbeitslosenzahlen die Fed dazu bewegen, die Geldpolitik zu lockern, während robuste Beschäftigungszahlen den Druck auf Zinssenkungen reduzieren könnten.
In Europa könnten gemischte Arbeitsmarktdaten der EZB signalisieren, dass weitere Zinssenkungen möglicherweise nicht gerechtfertigt sind.
Wir sind davon überzeugt, dass die aktuell eingepreisten Zinssenkungserwartungen eher optimistisch sind. Das heißt, wir halten das Renditesenkungspotenzial für Anleihen ab einer Laufzeit von 4 - 5 Jahren für eher begrenzt.
Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI-Gruppe, FERI AG
Die EZB dürfte sich leicht tun mit ihrer Entscheidung: Im Windschatten der klar absehbaren Zinssenkung in den USA am 18. September werden Europas Währungshüter voraussichtlich ihren zweiten Zinsschritt nach unten vollziehen. Rückenwind erhalten sie auch von aktuellen Inflationsdaten im Euroraum, die im August nahe an die 2 Prozent-Zielmarke heranrücken.
Mit der Leichtigkeit könnte es danach vorbei sein, das weiß auch EZB-Chefin Lagarde. Ihr jüngster Hinweis, man orientiere sich nicht an einzelnen Datenpunkten, zielt auf den Herbst: Dann dürfte die Inflationsrate im Euroraum wieder anziehen und bei weiter steigenden Preisen zum Jahresende sogar wieder in der Nähe von 3 Prozent liegen.
Der EZB droht ein stagflationäres Umfeld: Die Inflationsentwicklung erfordert eigentlich ein Festhalten an hohen Zinsen. Die anhaltend schwache konjunkturelle Dynamik könnte aber das Argument fördern, mit Zinssenkungen die Wirkung der restriktiven Geldpolitik auf die Wirtschaft abzuschwächen.
Für Finanzmärkte wie auch für Unternehmen bedeutet dies ein zusätzliches Unsicherheitsmoment. Eine schnelle Abfolge weiterer Zinssenkungen ist jedenfalls nicht automatisch das wahrscheinlichste Szenario.
Oliver Blackbourn, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
Während die EZB die Zinssätze voraussichtlich um 25 Basispunkte senken wird, könnte die Fed ihren Zinssenkungszyklus mit einem doppelten Schritt von 50 Basispunkten einleiten. Das unterschiedliche Arbeitsmarktumfeld ist der Grund für diese Differenz. Die Arbeitslosenquote in der Eurozone ist weiter gesunken, in den USA aber gestiegen, was die bekannte Sahm-Regel ausgelöst hat. Da es jedoch keine eindeutigen Beweise für einen sich rasch verschlechternden Arbeitsmarkt gibt, herrscht weiterhin Uneinigkeit über eine mögliche Rezession der US-Wirtschaft. Die Märkte werden sich an der Wahl zwischen einer Zinssenkung um 0,25 % und einer um 0,5 % orientieren, wobei letztere die Dringlichkeit einer Konjunkturstütze verdeutlicht. Im Gegensatz dazu hat die EZB früher mit Zinssenkungen begonnen und konnte bisher kontinuierlich vorgehen, nachdem sie die zweite Zinssenkungsmöglichkeit ausgelassen hatte. Die Markterwartungen an die beiden Zentralbanken scheinen etwas uneinheitlich zu sein. Es wird erwartet, dass die Fed die Zinsen aggressiver senken muss, obwohl eine US-Rezession einen weltweiten Abschwung auslösen könnte, der auch die europäische Wirtschaft beeinträchtigen würde.
Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Sharholder Value Management
Die hohe Dynamik an den Kapitalmärkten lässt sich gut am Beispiel der Zinssenkungen erklären. Noch Anfang 2024 wurden von vielen Experten bis September schon vier Zinsschritte in den USA erwartet. Nun wird wohl die Zinswende in den USA in wenigen Tagen nur mit einem kleinen Zinsschritt von 25 Basispunkten beginnen. So schnell können sich Einschätzungen ändern. So schnell können sich aber auch Rahmenbedingungen (Stichwort: Anstieg der US-Arbeitslosigkeit) ändern, die nun doch ein Handeln der Notenbank erfordern.
Auf Sicht der kommenden 12 Monate liegen die Erwartungen für die Zinssenkungen in den USA jetzt bei vier Schritten und mehr. Das ist ein Ergebnis der aktuellen globalen Fondsmanager-Umfrage der Bank of America: 60 Prozent der Befragten erwarten ein solches Szenario.
Tatsächlich ist der Fokus auf die Zinsentwicklung wichtig an den Börsen, denn sie wirkt, neben der Gewinnentwicklung der Unternehmen, mittel- bis langfristig massiv auf die Aktienkurse. Da sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed sehr stark auf die Wirtschaftsdaten schauen, spielt so die Entwicklung der Arbeitslosigkeit eine zentrale Rolle.
Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt, Bantleon
Das wirtschaftliche Umfeld in den USA und der Eurozone liegt näher beieinander als viele denken. Sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks befinden sich die Inflationsraten seit über einem Jahr in einem Abwärtstrend und haben sich dem Inflationsziel von 2,0% genähert – in der Eurozone stärker als in den USA. Allein diese Entwicklung eröffnet den Notenbanken den Spielraum, die Leitzinsen kräftig zu senken. Weitere Argumente liefert in den USA der Arbeitsmarkt, der sich spürbar eingetrübt hat. In der Eurozone ist der Arbeitsmarkt überraschend stabil, dafür bewegt sich jedoch das Wachstum seit zwei Jahren in der Nähe der Nulllinie. Alles in allem rechtfertigt das aktuelle makroökonomische Umfeld eine Rückführung der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau, das wir in den USA bei 3,00% und in der Eurozone bei gut 2,00% sehen. Genau diese Niveaus sind an den Geldterminmärkten für Ende 2025 eingepreist, was in unseren Augen ein realistisches Szenario und somit keine Übertreibung darstellt. Um noch stärkere Leitzinssenkungen zu rechtfertigen, müsste die Weltwirtschaft in eine Rezession abtauchen. Dies wollen wir nicht ausschließen, ist aber nicht unser Basisszenario.
Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter senken und sie unter denen der Fed halten wird. In den USA werden die Zinssenkungen umfangreicher ausfallen, da der Ausgangspunkt höher ist.
Der US-Arbeitsmarkt hat sich normalisiert. Die Daten könnten sich weiter verschlechtern, so dass Senkungen vorgezogen werden könnten. Für die EZB spielt die Beschäftigung eine untergeordnete Rolle. Die Arbeitslosenquote im Euroraum ist sehr niedrig; das Lohnwachstum war in den letzten Jahren hoch. Das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale hat jedoch deutlich abgenommen.
Der Euro hat zuletzt ggü dem USD gewonnen, da die Märkte eine stärkere Verlangsamung in den USA erwarten. Diese Einschätzung könnte jedoch zu optimistisch sein, was Europas Widerstandsfähigkeit angeht.
Wir glauben nicht, dass die Märkte zu viele Zinssenkungen eingepreist haben. Sie gehen von einer Verlagerung der Geldpolitik auf neutral aus. Schlechtere Konjunkturdaten könnten jedoch einen stärkeren Wechsel rechtfertigen. In dem Maße, wie sich das Lohnwachstum abschwächt, nimmt das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale ab, was die Zentralbanken zuversichtlicher macht, dass die Inflation mittelfristig zu ihrem 2 %-Ziel zurückkehren wird.
Felix Feather, Economist, Global Macro Research, abrdn
Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank ihren Einlagensatz im September um 25 Basispunkte senken wird. Dies folgt auf eine erste Zinssenkung im Juli. Da die Inflation fast unter Kontrolle ist, sollte sich die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger auf Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung richten. Wir sind der Meinung, dass die EZB trotz der Verschlechterung der kurzfristigen Wachstumsaussichten im Euroraum vorerst zurückhaltend bleiben wird. Auf der anderen Seite des Atlantiks zeigt der US-Arbeitsmarkt Anspannung. Die Arbeitslosigkeit ist unerwartet gestiegen. Gleichzeitig befindet sich die Inflation auf einem guten Weg. Wir erwarten, dass die US-Notenbank auf ihrer Septembersitzung ihren Zinssenkungszyklus einleiten wird. Eine Prognose für die weitere Entwicklung ist schwierig. Eine weltweite Rezession ist nach wie vor unwahrscheinlich. Wir sind der Meinung, dass Zinssätze nicht gelockert werden müssen. Wir sehen den neutralen Zinssatz für die USA bei etwa 3% und für die EU bei 2%. Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums könnte sich nachteilig auf Value-Trades auswirken, die in den letzten beiden Jahren gut gelaufen sind, besonders auf jene, die auf höhere Zinsen und Rohstoffpreise setzen. Außerhalb der USA könnte es zu einer Umschichtung in Qualitäts- und Wachstumstitel kommen. Das sind auch die Aktien, die wir bevorzugen.
Thomas Altmann, Leiter Portfoliomanagement, QC Partners
Die EZB hat die Zinswende bereits im Juni begonnen, die FED wird im September folgen.
Ein Teil der Marktteilnehmer rechnet für die verbleibenden drei FED-Zinssitzungen 2024 mit mindestens einer XL-Senkung um 50 Basispunkte. Ich gehe davon aus, dass die FED die Zinsen kontinuierlich um 25 Basispunkte je Sitzung senken wird. Sofern Arbeitsmarkt und Inflationsrate es erlauben, ist dieses Tempo über die kommenden zwölf Monate vorstellbar. Dann läge der Leitzins in einem Jahr in einer Spanne von 3,00% bis 3,25% - und damit über der aktuellen und deutlich über der von der FED angepeilten Inflationsrate.
Eine XL-Senkung zum Start hätte für die FED mögliche negative Begleiterscheinungen: Die Republikaner könnten der FED einen aktiven Eingriff in den Präsidentschaftswahlkampf vorwerfen. Zudem könnte eine so große Senkung zusätzliche Unsicherheit über den Zustand der Wirtschaft schüren.
Ein Verzicht auf eine XL-Senkung kann zu moderaten Marktanpassungen in Form höherer US-Zinsen und eines stärkeren Dollars führen.
Die EZB wird das aktuelle 3-Jahres-Tief der Inflationsrate im September für die zweite Zinssenkung nutzen. Auch danach ist der Zinspfad in der Eurozone weiter nach unten gerichtet.
David Zahn, SVP/Head of Sustainable Investment & Europe, Fixed Income • Sustainability & Europe Fixed Income, Franklin Templeton
Es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen aggressiver senkt als die Federal Reserve (Fed). Diese Divergenz in der Geldpolitik könnte die Performance der europäischen Rentenmärkte unterstützen. Der europäische Anleihemarkt bietet aufgrund seiner unterschiedlichen Renditekurven und wirtschaftlichen Fundamentaldaten einzigartige Chancen. Jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt für Anleger, sich die historisch hohen Renditen in Europa zu sichern, da die erwarteten Zinssenkungen der EZB die Attraktivität europäischer Anleihen erhöhen könnten. Im Gegensatz dazu könnte der US-amerikanische Markt für festverzinsliche Wertpapiere mit allmählicheren Zinsanpassungen durch die Fed konfrontiert werden, was die Strategien der Anleger anders als in Europa beeinflussen könnte. Anleger, die ihre Mittel in Anleihen der Industrieländer investieren wollen, sollten die einzigartigen Merkmale des europäischen Marktes berücksichtigen. Europäische Staatsanleihen bieten die Möglichkeit, von unterschiedlichen Renditekurven, wirtschaftlichen und steuerlichen Fundamentaldaten sowie der EZB-Politik zu profitieren. Darüber hinaus ist der europäische Unternehmensanleihensektor vielfältig und weist defensive Merkmale auf.
Ombretta Signori, Head of Macroeconomic Research and Strategy, OFI Invest Asset Management
Die Märkte rechnen mit einer Senkung um 50 Basispunkte im September und einer Rückkehr zur neutralen Geldpolitik gegen Mitte 2025.
Für das Tempo der künftigen geldpolitischen Lockerung werden die Arbeitsmarktdaten ausschlaggebend sein. Sie deuten aktuell darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt fast im Gleichgewicht befindet. Das Gesamtbild ist nach wie vor gemischt, aber nicht schwach genug, um mit Sicherheit eine Senkung um 50 BP im September zu rechtfertigen. Solange die Lage sich nicht weiter verschlechtert, gehen wir von schrittweisen Zinssenkungen aus.
In der Eurozone sind die schleppenden Fundamentaldaten und das Inflationsziel für 2025 mit schrittweisen Zinssenkungen der EZB vereinbar; die Falken werden auf die hartnäckig hohe Dienstleistungsinflation verweisen, um gestaffelte Zinssenkungen zu rechtfertigen.
Angesichts der Erwartungen an eine aggressive Geldpolitik und des Rückgangs der 10-jährigen Renditen haben wir unsere Duration bei Staatsanleihen neutralisiert. Für Aktien bleibt das Hauptszenario zwar günstig, aber geopolitische Risiken, mögliche Abwärtskorrekturen künftiger Unternehmensgewinne und Sorgen um das US-Wachstum sprechen nicht für eine Übergewichtung.
Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management
"Derzeit ist sowohl in den USA als auch in der Eurozone zu beobachten, dass die Konjunkturdaten mehrheitlich enttäuschen und die Inflationsdaten mehrheitlich niedriger als erwartet ausfallen. Die Rohstoffpreise sind ebenfalls stark gefallen: Der Bloomberg-Rohstoffindex lag Anfang September um über elf Prozent unter seinem Höchststand im Mai. Ein weiterer Faktor ist die anhaltende Wirtschaftskrise in China, die weltweit deflationären Druck auf die Güterpreise ausübt. Infolgedessen dürfte die Inflation in beiden Wirtschaftsregionen in den kommenden Monaten weiter nachgeben, was den Zentralbanken Spielraum für Leitzinssenkungen verschaffen könnte.
In den USA hat die Schwäche auf dem Arbeitsmarkt die Rezessionsrisiken zuletzt erhöht. Dies könnte die Federal Reserve dazu veranlassen, in diesem Jahr Zinsschritte von jeweils 50 Basispunkten im September und November vorzunehmen, um eine weiche Landung der Wirtschaft sicherzustellen. Die Abkühlung in der Eurozone verläuft hingegen moderater, weshalb die EZB einen vorsichtigeren Kurs einschlagen könnte – mit Leitzinssenkungen von 25 Basispunkten pro Quartal."
Christian Hantel, Portfoliomanager, Vontobel
Fed und EZB werden die Zinssätze auf ihren September-Sitzungen wahrscheinlich um 25 Basispunkte senken. Der Fed-Vorsitzende Powell hat zuletzt deutlich gemacht, dass die Zeit für eine Anpassung der Politik gekommen ist.
Der Hauptgrund für die Fed, mit Zinssenkungen zu beginnen, ist der sich in den letzten Monaten abschwächende Arbeitsmarkt. Die Fed hat den Spielraum, um bei Bedarf gegenüber der EZB mit Zinssenkungen aufzuholen.
Die EZB steht vor einer nachlassenden Gesamtinflation und einem gedämpften Wirtschaftswachstum. Eine weitere Zinssenkung ist wahrscheinlich. Die wichtigste Frage ist, was die EZB zum weiteren Lockerungszyklus sagt. Da sich die aktuelle Gesamtinflation der 2 %-Marke nähert, hat die EZB gute Gründe, die restriktive Geldpolitik weiter zu reduzieren.
Anleger sollten bei den Zentralbanksitzungen auf die Prognosen und Wirtschaftsaussichten achten. Sie bestimmen für die Fed den künftigen Zinspfad. Geschwindigkeit und Umfang der Zinssenkungen werden wahrscheinlich die Marktpreise bestimmen. Da die Marktteilnehmer bereits eine ganze Reihe von Zinssenkungen für dieses Jahr erwarten, könnte jede Abweichung davon die Volatilität der Zinssätze wieder erhöhen.
Marko Behring, Leiter Asset Management, Fürst Fugger Privatbank
Die letzten Wochen waren in den USA von einer Datenlage geprägt, die auf eine stärkere Abkühlung der Konjunktur hindeutet. Konkret: Der US-Arbeitsmarkt dort schwächt sich in zunehmender Geschwindigkeit ab.
Aber auch das letzte Woche veröffentliche Beige Book der Fed, wirft ein zunehmend pessimistisches Licht auf die konjunkturelle Lage in den USA. So stiegen die Erwähnungen des Wortes "Rückgang" im Beige Book deutlich an. 9 von 12 Distrikten berichteten von rückläufiger oder stagnierender Aktivität, und die anderen 3 verzeichneten nur ein "leichtes Wachstum". Das steht nicht im Einklang mit den nach wie vor optimistischen BIP-Schätzungen, die jenseits der 2% liegen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich konstatieren: 50 Basispunkte im September wären zwar die richtige Entscheidung, aber vermutlich wird die Fed aus politischen Gründen eher um 25 Basispunkten senken. Größere Schritte sollten dann jedoch ab November nach der Wahl ins Haus stehen.
Ein ähnliches Bild lässt sich übrigens auch für Europa zeichnen. Auch hier sehen wir eine Eintrübung und auch hier wird es zu weiteren Zinsschritten nach unten kommen. Für September dürfte eine Senkung um 25 Basispunkte ins Haus stehen.
Dr. Jochen Heubischl, Leiter Multi Asset, MEAG
"Ein „soft landing“ bleibt unser Basisszenario. Die Risiken sind eher in Richtung eines schwächeren Wachstums als einer anhaltenden Inflation geneigt. Der US-Konsum bleibt solide, aber der Arbeitsmarkt kühlt sich ab und ist Hauptthema. Zinssenkungen sind bereits großzügig eingepreist. Die FED dürfte eine Senkung um 25 Punkte im September vornehmen, wir sind aber hinsichtlich des Gesamtumfangs der Zinssenkungen für 2024 zurückhaltender als der Markt.
Das Wirtschaftswachstum in Europa bleibt hinter dem der USA zurück. Die nächste Zinssenkung der EZB dürfte ebenfalls im September erfolgen, aber die hartnäckige Inflation der Dienstleistungspreise erfordert Vorsicht. Ein langsamer, aber stetiger Lockerungszyklus bleibt unser Basisszenario.
Die Unsicherheit an den Zinsmärkten dürfte hoch bleiben, und diese strahlt auf die Aktienmärkte ab. Das mittelfristige Umfeld für Risikoanlagen bleibt bei einem „soft landing“ der US-Wirtschaft günstig. Die hohen Bewertungen begrenzen ein stärkeres Aktienengagement. Die Renditen lang laufender Staatsanleihen dürften bis zum Jahresende steigen, da die Zinssenkungserwartungen zu optimistisch erscheinen und die Haushaltsdefizite wieder stärker in den Fokus rücken dürften."
Jill Hirzel, Senior Investment Spezialistin, Insight Investment, Teil von BNY Investments
Wir gehen davon aus, dass die Fed die Zinsen im September um 25 Basispunkte senken wird, sind aber der Ansicht, dass der Markt wahrscheinlich zu viele Zinssenkungen für die nächsten 12 Monate einpreist. Dies könnte dazu führen, dass die Fed die Markterwartungen hinsichtlich einer Zinssenkung im Jahr 2025 enttäuscht, was die Renditen von US-Staatsanleihen im nächsten Jahr nach oben treiben könnte.
Nach einer vorsichtigen Pause auf der Juli-Sitzung scheint eine Senkung des Einlagezinses der EZB um 25 Basispunkte im Laufe dieser Woche so gut wie sicher, begleitet von etwas stärkeren Senkungen der Refinanzierungs- und Spitzenrefinanzierungssätze. Wir teilen die Spekulationen nicht, dass die EZB zu einem aggressiveren Lockerungszyklus übergehen wird. Vielmehr erwarten wir erneut eine Pause im Oktober, bevor sie im Dezember eine weitere Senkung vornimmt.
Die EZB beobachtet, wie sich das Lohnwachstum auf die Kerninflation im Dienstleistungssektor auswirkt, weshalb sie den Zinssenkungszyklus mit Bedacht angeht. Sollte sich das Wachstumsbild in Europa deutlich verschlechtern, könnte die EZB beginnen, ihren Zinssenkungszyklus zu beschleunigen. Die US-Notenbank äußerte sich vorsichtig über eine weitere Abschwächung des US-Arbeitsmarktes.
Jordy Hermanns, Portfoliomanager, Aegon AM
Unser Ausblick für die US-Wirtschaft lässt sich mit „Abkühlung, kein Kollaps“ zusammenfassen. Wir gehen davon aus, dass die allgemeinen Wirtschaftsdaten weiterhin eine Abkühlung der Wirtschaft widerspiegeln werden, was mit dem jüngsten Trend der schwächer werdenden Daten übereinstimmt. Dies rechtfertigt eine Zinssenkung um 25 Basispunkte (bps). Wir halten das Risiko eines „Kollaps“ nicht für groß genug, um eine Senkung um 50 bps am 18.9 zu rechtfertigen. Stattdessen bringen „dovishe 25 bps“ den Ball ins Rollen, wobei die Flexibilität für künftige Anpassungen erhalten bleibt. Ein solcher Ansatz der Fed würde bedeuten, dass die kurzfristigen Zinssätze hoch bleiben könnten, wobei jede Sitzung zu einer lebhaften Diskussion über eine mögliche größere Senkung wird.
In Europa rechnen wir am Donnerstag mit einer Zinssenkung um 25 bps. Wir gehen nicht davon aus, dass Lagarde klare Vorgaben machen wird, so dass Raum für eine Pause oder eine weitere Senkung im Oktober bleibt. Eine Senkung um 50 bps halten wir derzeit für unwahrscheinlich. Dennoch ist die EZB besorgt über die weiterhin hohe Kerninflation, einige Wirtschaftsdaten waren schwach. Die EZB sollte sich alle Optionen offenhalten.
Dr. Benjamin Dietrich, Portfoliomanager/Analyst und Co-Head im Global Fixed Income Team von Lazard Asset Management, Lazard Asset Management
In den USA beginnt im September ein gut vorbereiteter Zinszyklus, der bis weit ins nächste Jahr reichen sollte. Die Federal Reserve reagiert auf die ausgeprägte Disinflation und zielt darauf ab, die Realzinsen zu senken. Wir glauben, dass der Zyklus weniger Zinsschritte bringen wird als der Markt erwartet, da wir gegenwärtig noch nicht von einer US-Rezession ausgehen. Auch die EZB wird im September weiter die Zinsen senken und in den Folgemeetings sollte aufgrund der neuerlichen Wachstumsschwäche ebenfalls mit Zinssenkungen gerechnet werden. Für die Risikofreude an den Märkten ist in den nächsten Monaten entscheidend, ob die USA in eine Rezession rutschen oder nicht. Historisch steigt dafür die Wahrscheinlichkeit etwa drei bis sechs Monate nachdem sich die Zinsstrukturkurve wieder normalisiert hat. Allerdings waren die vorherigen Rezessionsepisoden nicht von vergleichbar hohen fiskalischen Stimuli geprägt. Das US-Defizit liegt bei über 6 Prozent und stützt den privaten Konsum. Zudem sehen wir am Arbeitsmarkt noch keine erhöhten Stellenstreichungen. Das gibt zwar Hoffnung, aber die Märkte werden volatil bleiben bis an der Rezessionsfront Klarheit herrscht.
Zoltan Schaumburger, Portfoliomanager, Dolphinvest Capital GmbH
Die Aussagen von Jerome Powell in Jackson Hole waren eindeutig: „The time has come for policy to adjust“. Somit ist klar: Im September wird auch in den USA mit dem ersten Zinssenkungsschritt die Zinswende eingeläutet. Die Diskussionen, ob ein erster Zinsschritt von 25 oder 50 Basispunkten erfolgen soll, erscheinen dabei semantisch. Entscheidender ist die Aussage „the direction of travel is clear“ – dies ermöglicht Marktteilnehmern, einen robusteren Zinssenkungspfad in ihren Bewertungsmodellen einzuplanen.
Im Gegensatz dazu erscheint die EZB hinter der Kurve: die jüngst erschienene Inflationszahl liegt mit 2,2 % nahe des Inflationszieles. Aus deutscher Perspektive sind die Zinsen bereits zu restriktiv: die Inflationsrate liegt hierzulande bei nur 1,9 %, das BIP-Wachstum des vergangenen Quartals ist negativ – damit befindet sich Deutschland mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit bereits in der Rezession.
Während in den USA somit ein Soft-Landing-Szenario durchaus realistisch erscheint, mehren sich die Fragezeichen mit Blick auf die Eurozone: zu fragmentiert und schwach zeigt sich das Gesamtbild, zu träge und unentschlossen erscheint die EZB – ein Hard Landing wird wahrscheinlicher.
Dr. Tobias Spies, Senior Fund Manager der LAIQON Gruppe, LAIQON
Die Hoffnungen vieler Anleger haben sich in den vergangenen Monaten erfüllt: Die Inflationsraten sind so weit zurückgegangen, dass einige Zentralbanken – darunter die EZB – mit ersten Zinssenkungen die Schrauben bei der Geldpolitik zumindest etwas lockern konnten. Die US-Notenbank Fed dürfte im Herbst nachziehen, auch weil die US-Wirtschaft zuletzt etwas enttäuscht hat. Dies dürfte der Fed einen größeren Spielraum einräumen.
Ähnlich positive Signale gibt es von der Wirtschaft: Die USA sind weiterhin robust. China blickt zumindest auf gute Monate zurück – und auch Europa hat in den vergangenen Monaten den Dreh zu einer positiven Entwicklung geschafft. Mit Blick auf Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes dürfte diese Entwicklung in den kommenden Monaten weitergehen. So deutet der Eurozone Composite Purchase Manager Index den Start einer expandierenden Phase an.
Diese positive Entwicklung spiegelt sich mittlerweile auch in der Zinslandschaft wider. Die Zinsstrukturkurve ist im Vergleich zum Jahresanfang aktuell deutlich weniger invers und schafft für Investoren wieder ein attraktiveres Umfeld. Ein ähnliches Bild spiegeln auch die leicht rückläufigen Risikospreads wider.
Die Märkte haben eine Lockerung der Geldpolitik bereits klar eingepreist. Auch die Signale der Zentralbanken, sowohl in den USA als auch in der Eurozone, sprechen recht eindeutig dafür. Wir erwarten, dass die Fed im September mit Zinssenkungen beginnen und die EZB ihren Lockerungskurs fortsetzen wird. Grundsätzlich verfolgen beide Notenbanken ähnliche Ansätze – die EZB ist jedoch etwas vorsichtiger.
Angesichts des schwächeren US-Arbeitsmarkts und des nachlassenden Konjunkturumfelds könnte sich die Fed sogar veranlasst sehen, ihren Lockerungskurs zu beschleunigen. Auch die EZB beobachtet den Arbeitsmarkt genau und würde zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen.
Es besteht immer die Gefahr überzogener Erwartungen an die Geldpolitik und überreagierender Märkte. Momentan glauben wir aber nicht, dass dies der Fall ist. Wenn überhaupt, könnte die EZB am Ende stärker und häufiger lockern, als derzeit eingepreist ist. Falls die Anleger andererseits von kleinen Zinsschritten enttäuscht wären, würde dies wahrscheinlich in eine ausgeprägte Risikoaversion umschlagen – mit negativen Konsequenzen sowohl für risikoreiche Anlagen als auch für festverzinsliche Wertpapiere.
Rahul Bhushan, Managing Director, Europe and Global Head of Index, ARK Invest Europe
Der Markt preist derzeit eine Reihe von Zinssenkungen ein, die Schätzungen zufolge Ende 2024 beginnen werden. Diese werden durch fallende Rohstoffpreise, einschließlich wichtiger Industriemetalle, gestützt, was auf ein sich abschwächendes wirtschaftliches Umfeld hindeutet. Da sich die USA auf einen Wahlzyklus zubewegen, sind die Aussichten auf erhebliche Marktvolatilität gedämpft, was die Erwartungen an eine akkommodierende Geldpolitik weiter stärkt. Ein wichtiger Faktor ist zudem die unhaltbare Entwicklung der US-Staatsverschuldung und der damit verbundenen Zinskosten. 2024 werden die Zinszahlungen für die Staatsverschuldung auf 2,4% des BIP ansteigen –2025 sogar auf 3,2%. Die Fed muss daher die Abkühlung der Inflationserwartungen mit der Notwendigkeit in Einklang bringen, die Schuldenkosten der Regierung zu reduzieren. Konjunktur- und Arbeitsmarktzahlen zeigen indes eine Verlangsamung, aber – zumindest in den USA – keine Hinweise auf einen Crash. Anleger sollten sich in diesem Umfeld weniger auf die Effekte der Zinssenkungen auf die Wirtschaft konzentrieren, sondern sich auf Unternehmen fokussieren, die reale Probleme durch Technologie, Nachhaltigkeit und Effizienz lösen.
Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management
In den entwickelten Volkswirtschaften hat ein Zinssenkungszyklus eingesetzt. Die Eckpfeiler für die Zinspolitik der Fed sind: 1) Die Risiken haben sich von Inflation in Richtung Arbeitsmarkt verschoben. 2) Zahlreiche Fed-Mitglieder haben eine Leitzinssenkungen für den 18. September angekündigt. 3) Es ist wahrscheinlich, dass eine Reihe von Senkungen angemessen sein wird. 4) Das Tempo und die gesamte Senkung stehen natürlich noch nicht fest. Aber Fed-Chef Powell hat unlängst gemeint, dass eine weitere Abschwächung am Arbeitsmarkt nicht erstrebenswert ist. Das impliziert eine Absenkung auf ein neutrales Niveau. Erwartung: 3% bis Ende 2025. Auch die Europäische Zentralbank wird im wahrscheinlichsten Szenario den Leitzinssatz in Richtung neutrales Niveau senken (2% bis Ende 2025). Generell gilt: Je mehr die Leitzinsen aus den „richtigen“ (niedrige Inflation) und nicht aus den „falschen“ Gründen (schwache Wirtschaft) gesenkt werden, desto günstiger für die Märkte.
Dr. Volker Schmidt, Portfolio Manager, ETHENEA Independent Investors S.A.
Aktuell spiegeln die Marktpreise deutliche Zinssenkungen die EZB und die Fed bis Juni 2025 wider. Die Erwartung der Marktteilnehmer eilt damit weit den Aussagen und Prognosen der Zentralbanker voraus. Im letzten „dot plot“ hat die Fed im Durchschnitt eine kleine Zinssenkung für 2024 erwartet, doch seitdem hat sich die Stimmung gewandelt. Jerome Powell hat auf dem Treffen in Jackson Hole gesagt, dass die Zeit für Zinssenkungen gekommen sei. Wir sind uns sicher, dass im September auch die Fed erstmalig ihre Leitzinsen senken wird. Der Zentralbankchef hat zudem die Bedeutung des Arbeitsmarktes hervorgehoben und betont, dasser keine weitere Abschwächung des Arbeitsmarktes hinnehmen wolle. Eine Zinssenkung um direkt 50 Basispunkte könnte als Eingeständnis interpretiert werden, dass die US Wirtschaft sich deutlicher verschlechtert hat, als von der Fed erwartet. Die Fed hat sich da in eine missliche Lage manövriert, in der es ihr schwerfällt, um die gerechtfertigten 50 Basispunkte zu senken. Die Lage der EZB ist dagegen komfortabler. Die Wirtschaft ist stabil ohne nennenswert zu wachsen. Gleichzeitig fällt die Inflation. Die EZB wird ihre Zinssenkungen in gemächlichen Tempo fortsetzen.
Michael Hünseler, Chief Investment Officer, LBBW Asset Management
Nach den schwachen Arbeitsmarktdaten der vergangenen Woche gilt eine Leitzinssenkung der US-Notenbank am 18. September als ausgemachte Sache. Dass die Fed – ihrem dualen Mandat der Sicherung der Preisstabilität und der Vollbeschäftigung nachkommend – zuletzt der Entwicklung am Arbeitsmarkt deutlich mehr Beachtung schenkte, ist kein Geheimnis. Laut Jerome Powell gilt es, eine weitere Abkühlung der Arbeitsmarktbedingungen zu vermeiden. Die Stabilität der US-Wirtschaft, die der restriktiven Geldpolitik der letzten Jahre trotzte, ruhte besonders auf dem Konsum. Auch hier zeigen sich deutliche Anzeichen eines Abschwungs. Eingepreist werden derzeit insgesamt vier Leitzinssenkungen über jeweils 25 Basispunkte bei der Fed und drei bei der EZB bis Jahresende. Entscheidet sich die Fed für ein deutliches Signal in Form einer Senkung in Höhe von 50 bps bei der anstehenden Sitzung im September, würde das als Hinweis auf spürbare Abkühlung der Ökonomie interpretiert werden und die Aktienmärkte belasten, Anleihen würden den Trend der Kurvenversteilerung fortsetzen und profitieren. Es ist davon auszugehen, dass die EZB den eingeschlagenen Kurs der geldpolitischen Lockerung fortsetzt und den Leitzins am kommenden Donnerstag erneut um 25 bps senkt.
Christopher Jeffery, Strategist, Asset Allocation, L&G Asset Management
An der Börse gibt es ein altes Sprichwort: „Don't fight the Fed“. Es ist selten eine gute Idee, an der Fähigkeit der Zentralbanken zu zweifeln, ihre Ziele zu erreichen, oder sich dagegen zu positionieren. Jerome Powell hat klargestellt, dass die Fed eine weitere Schwächung des Arbeitsmarktes „weder anstrebt noch begrüßt“. Der Kampf gegen die Inflation ist weitgehend gewonnen – nun will die Fed verhindern, dass die Konjunkturschwäche in eine Rezession mündet. Anleger preisen mit etwas mehr als 200 Basispunkten in den nächsten 12 Monaten einen aggressiven Lockerungskurs ein. Das ist aus unserer Sicht auch nicht übertrieben. Gemäß dem Dot-Plot setzt die Fed den neutralen Zinssatz, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst, bei 2,75% an. Und der Markt preist nur eine Rückkehr zu diesem neutralen Zinssatz ein, keine darüber hinaus gehende Senkung wie in den Kürzungszyklen der Jahre 1990, 2008 und 2020. Bei der EZB geht man von einer anderen Situation aus, da der Einlagensatz im Höchststand immer noch mehr als 100 Basispunkte unter dem US-Leitzins bleibt. In der Eurozone lässt sich die Geldpolitik also mit weniger Aufwand wieder auf Kurs bringen.
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