e-fundresearch.com #AssetAllocationForum | Immobilien: Zinswende gleich Trendwende?
Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Federal Reserve (Fed) haben in den letzten Wochen eine deutliche Zinswende eingeleitet. Nach einer Phase steigender Zinsen und hoher Baukosten könnte sich das Marktumfeld für Immobilieninvestments nun verändern.
Die e-fundresearch.com Redaktion hat sich im Rahmen der neuesten Ausgabe der Umfrageserie #AssetAllocationForum bei renommierten Marktteilnehmern umgehört und ihre Einschätzungen zur Zukunft der Immobilienanlage in diesem veränderten Umfeld eingeholt.
Unsere Frage an Fondsgesellschaften:
Wie bewerten Sie Immobilieninvestments nach dem Start der Zinswende? Sehen Sie Anzeichen für eine Erholung, oder bleiben die Aussichten weiterhin gedämpft? Welche Rolle spielen Immobilien aktuell in Ihrer Asset Allocation (Direktinvestments, REITS, Immobilien-Aktien, etc.), und planen Sie, Ihre Positionierung in naher Zukunft signifikant anzupassen? Und welche Segmente (von Core bis Opportunistic, Commercial bis Residential) fokussieren Sie?
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Heinrich Hemetsberger, Portfoliomanager Asset Allocation, KEPLER-FONDS KAG
Die bisherigen und unmittelbar bevorstehenden Zinssenkungen scheinen in den Preisen von Immobilienaktien und -anleihen zum Großteil eingepreist. Insbesondere bei den REITs und Homebuilders ist seit den Sommermonaten eine deutliche Aufwärtsbewegung zu beobachten. Aber auch bei den Corporate Bonds des Immobiliensektors stabilisiert sich der Markt zusehends.
In der Asset Allocation spielen die eben genannten Investments eine eher untergeordnete Rolle – die Allokation erfolgt vielmehr innerhalb der einzelnen Zielfonds des Aktien- und Rentensegments anhand des Bottom-up-Ansatzes. „Klassische“ Immobilienfonds kommen derzeit bei den KEPLER Multi-Asset-Fonds nicht zum Einsatz, denn gerade in Stressphasen neigt diese Assetklasse zu Liquiditätsproblemen. Zwei prominente Beispiele einer Fondsschließung bzw. überraschenden Preiskorrektur in Österreich und Deutschland haben uns in dieser Einschätzung bestätigt.
Matt Shafer, Head of International Distribution, PGIM Investments
Die interessantesten Chancen sehen wir aktuell bei Immobiliengesellschaften, die ihren Kapitalkostenvorteil für wertsteigerndes externes Wachstum nutzen können. Als attraktiv betrachten wir unter anderem diese Sektoren mit defensiver Nachfrage:
Rechenzentren: KI treibt den immensen Bedarf in einem Markt mit beschränktem Angebot. Dies trägt zu niedrigen Leerstandsraten und stärkerem Mietwachstum bei.
Seniorenwohnungen: Das Gewinnwachstum legt zu, da höhere Mieten und eine bessere Auslastung die steigenden Betriebskosten wettmachen.
Studentenwohnheime: Die Vermietungsquoten befinden sich auf historischen Höchstständen. Die besten Aussichten bestehen für Objekte in der Nähe der führenden Hochschulen.
Auch die Bereiche Self-Storage und Wohnungen sollten bessere Chancen bieten, da sie sich in einem Zyklus mit schwachen Fundamentaldaten, einem begrenzten Angebot sowie einem steigenden Umsatzpotenzial befinden.
François Rimeu, Senior Strategist, Crédit Mutuel Asset Management
Unsere Allokation in den Immobiliensektor wird in erster Linie von unseren Erwartungen an den Anleihemarkt bestimmt. Denn es besteht ein ziemlich starker Zusammenhang zwischen der Out- oder Underperformance des Immobiliensektors und der Entwicklung der langfristigen Zinssätze.
Bis zum Sommer waren wir gegenüber Immobilienaktien noch negativ, bevor wir unsere Positionen allmählich ausglichen und den Sektor in letzter Zeit leicht übergewichtet haben. Dies gilt sowohl für die USA als auch für die Eurozone. Wir haben keine ausgeprägte Präferenz für einen bestimmten Teilsektor, obwohl wir bei Gewerbeimmobilien vorsichtiger bleiben als bei Wohnimmobilien.
Matthew Bullock, EMEA Head of Portfolio Construction and Strategy, Janus Henderson Investors
Dennoch ist der Immobilienmarkt ein „Gewinner- und Verlierermarkt“, auf dem gut geführte Unternehmen mit soliden Bilanzen von sinkenden Zinsen und besserer Stimmung profitieren werden. Die Zinssätze sind jedoch weiterhin hoch, und Unternehmen geringerer Qualität und mit höherer Verschuldung werden weiterhin zu kämpfen haben.
In unserer eigenen Datenbank mit Anlegerportfolios sehen wir eine durchschnittliche Allokation von etwa 3% in REITs. Dies ist angesichts der schwierigen Performance der letzten Jahre durchaus nachvollziehbar. Da sich der Zinszyklus jedoch abschwächt und ein starker Rückenwind entsteht, könnten Anleger diese derzeit geringe Gewichtung überdenken.
Die Breite des Sektors sowie die attraktiven und beständigen Erträge (in Form von Dividenden) verleihen Immobilien eine defensive Wachstumsrolle. Dies wird durch eine niedrige Korrelation zu den breiten Märkten unterstützt.
Carl Pauli, Junior Fund Manager, DPAM
Die Kreditspreads für Immobilienfirmen sind wieder fast auf dem Niveau von vor 2022, was den Anleihemarkt wieder vollständig geöffnet hat. Dass die Banken die Refinanzierung fälliger Anleihen alleine schultern müssen, wird nicht mehr befürchtet. Die Differenz zwischen Immobilienrenditen und 5-Jahres-Swap-Sätzen ist wieder positiv und auf gesundem Niveau. Dies sollte mehr Klarheit über die Kapitalwerte geben und die Abschläge auf den Nettoinventarwert verringern.
Die Leerstandsquoten in Europa liegen weit unter denen Asiens und der USA, v.a. bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Die Bewertungen sind im Vergleich zu anderen Regionen attraktiv. Die geringere Verschuldung deutet darauf hin, dass der Sektor widerstandsfähig ist.
Peter Finkbeiner, CEO, Praemia REIM Germany
Auf den ersten Blick betrachtet ja! Die Lücke zwischen Bewertungen und möglichen Transaktionspreisen beginnt sich zu schließen, die Kurse börsennotierter Unternehmen steigen und der Fremdkapitalmarkt zeigt wieder Aufnahmebereitschaft.
Und doch lässt sich das so pauschal nicht sagen. Im Kontext einer schwierigen wirtschaftlichen und politischen Gesamtsituation wirken mit den Themen mobiles Arbeiten und künstliche Intelligenz, sowie dem niedrigen Neubauniveau bei gleichzeitig massiven Nachfrageüberhang besonders im Wohnen, unterschiedliche Variablen auf die Assetklassen. Folglich erwarten wir über die Assetklassen hinweg eine breite Streuung an Opportunitäten von Value-add bis hin zu Core.
Je nach Risikoappetit und Renditeerwartung scheinen solche Strategien erfolgversprechend, die neben der risikoadäquaten Auswahl der Assetklasse (Wohnen, Gewerbe, Gesundheit) weitere Faktoren bei der Investmententscheidung berücksichtigen, etwa Megatrends wie ESG, Alterung der Gesellschaft oder Betreiberkonzepte mit zusätzlichen Dienstleistungen.
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