Teil 2 | US-Schulden unter Trump: Kippt die fiskalische Stabilität?
Die Verschuldung der Vereinigten Staaten erreicht neue Höchststände – und mit ihr wachsen die Sorgen vor einem Bruch fiskalischer Grundprinzipien. Wir haben führende Experten um eine erste Einschätzung gebeten.
Funds
| 23.05.2025 10:43 Uhr
Mit einer Schuldenquote von über 126 % des Bruttoinlandsprodukts und dauerhaft hohen Primärdefiziten gerät die fiskalische Verfassung der USA zunehmend unter Druck. In der zweiten Amtszeit von Donald Trump rücken nun selbst bislang undenkbare Szenarien in den Bereich des Möglichen: Könnte es im Ernstfall zu einem selektiven Schuldenschnitt kommen – etwa durch einseitige Zahlungspausen oder die Umstrukturierung bestehender Anleihen?
Vor diesem Hintergrund wollten wir von Ökonom:innen, Volkswirt:innen und Kapitalmarktexpert:innen wissen: Wie tragfähig ist die US-Verschuldung in einem Umfeld steigender Zinskosten? Wie realistisch sind politische Eingriffe in die Schuldenstruktur – und was wären die potenziellen Auswirkungen auf das Vertrauen in US-Staatsanleihen, die Rolle des Dollars als Weltreservewährung und das Anlageverhalten institutioneller Investoren?
Die aktuelle Schuldenpolitik der USA ist auf Dauer nicht tragfähig. Moody´s jüngste Rating-Herabstufung ist dafür ein weiterer Fingerzeig. Die öffentliche Defizitquote (Schuldenstand/BIP) hat sich seit 2007 von 65% auf über 120% nahezu verdoppelt. Seriöse Schätzungen (CBO, IWF) gehen davon aus, dass sie in den nächsten Jahren stramm auf 150% zustrebt. Der Versuch mit DOGE, das Ruder herumzuwerfen, ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Weitergehende Massnahmen wie der Zwangsumtausch von US-Treasuries in längere Laufzeiten wären finanzpolitischer Selbstmord. Die Investoren würden sofort mit einem Käuferstreik von US-Treasuries reagieren. Es gibt keinen anderen Ausweg als die Staatsausgaben drastisch zu senken bzw. die Einnahmen zu erhöhen. Dies ist kein unmögliches Unterfangen. Die Schmerzen (= Höhe der Zinsausgaben im Bundeshaushalt) sind aber noch nicht gross genug, um einen solchen Kurswechsel herbeizuführen. Der Preis dafür wäre hoch: Die US-Wirtschaft würde für Jahre unter einer restriktiven Fiskalpolitik leiden, was eine Baisse an den Aktienmärkten zur Folge hätte. Dies wäre zugleich der ultimative Beleg dafür, dass die Hausse der vergangenen Jahre auf Pump finanziert ist.
Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Shareholder Value Management
Die Dynamik der US-Staatsschulden hat spätestens seit Beginn der Corona-Krise noch einmal massiv zugelegt. Noch 2019 lag die Schuldenquote in den USA bei 108 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im laufenden Fiskaljahr wird der Wert die Marke von 127 Prozent übersteigen.
Eine solche Dynamik setzt gerade in Zeiten wieder höherer Zinsen die Entscheidungsfreiheit des Staates deutlich ein. Mit über 1 Billion Dollar werden die Zinslasten spätestens 2026 der größte Haushaltsposten sein – Tendenz weiter steigend. Nun sind diese Fakten schon lange bekannt und die Entwicklung läuft dennoch ungebremst weiter – auch unter der neuen Trump-Administration.
Daher ist auch die jüngste Rating-Abstufung der USA durch Moody`s doch eher ein symbolischer Akt, der dennoch die Renditen bei den langfristigen 30-jährigen Anleihen über die Marke von fünf Prozent gebracht hat.
Ob daraus aber die aktuelle Regierung die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts ableitet, ist kaum abzusehen. Wenn Trump 2.0 in den ersten Monaten eins gezeigt hat, dass diese Regierung kaum das tut, was zu erwarten ist. Insofern ist es eher wahrscheinlich, dass die Strategie des irgendwie Durchkommens auch weiterhin gilt.
Laura Cooper, Head of Macro Credit and Global Investment Strategist, Nuveen
Die USA stehen vor einem langfristigen, untragbaren Schuldenkurs, der durch die jüngste Untätigkeit der Fiskalpolitik und die durch Zölle verursachte Unsicherheit noch verschärft wird und eine allmähliche Diversifizierung weg von US-Vermögenswerten begünstigt. Dennoch ist kein unmittelbarer Schuldenschnitt zu erwarten, da US-Staatsanleihen ihren Status als sicherer Hafen behalten.
Die steigende Verschuldung wird weiterhin zu Marktvolatilität führen, die Kapitalkosten erhöhen und Ausgaben verdrängen, da der Schuldendienst der USA bereits 3 % des BIP übersteigt. Die Angst vor einer anhaltenden fiskalischen Verschwendung hat die Renditen in die Höhe getrieben und die Prämie für 10-jährige Laufzeiten über null gedrückt, wobei weiterer Spielraum für Steigerungen besteht, um Anleger für die steigenden fiskalischen Risiken zu entschädigen.
In diesem Umfeld müssen Anleger Diversifizierung, Risikomanagement und Qualität in den Vordergrund stellen. Sparmaßnahmen könnten irgendwann zurückkehren, aber vorerst sollten sich langfristige Strategien auf eine selektive globale Positionierung und die relative Stärke von US-Unternehmensanleihen konzentrieren.
Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management
Die fiskalische Dynamik in den USA hat sich verschärft. Anders als in früheren Jahrzehnten ist das Wachstum der US-Wirtschaft nicht mehr ausreichend, um den Schuldenpfad stabil zu halten. Aufgrund der anhaltend hohen US-Defizite sind die USA jedoch darauf angewiesen, dass stetig erhebliche Gelder aus dem Ausland in US-Staatsanleihen fließen. In diesem Umfeld wäre jegliche Form von Schuldenschnitt äußerst kontraproduktiv, da dann nicht nur keine Gelder mehr in die USA fließen, sondern auch Geld fliehen würde. Trotzdem sind solche Schritte unter der Regierung von Trump nicht mehr völlig ausgeschlossen. Die Auswirkungen eines solchen Präzedenzfalls wären gravierend. Bereits die Diskussion über selektive Zahlungsaussetzungen könnte das Vertrauen institutioneller Investoren in die Verlässlichkeit von US-Treasuries und der Weltreservewährung US-Dollar erschüttern. Der bisher unangefochtene Status der US-Staatsanleihen als „sicherer Hafen“ käme ins Wanken, was sich in steigenden Risikoaufschlägen oder einem Diversifizierungstrend zugunsten von Gold und Euro-Anleihen niederschlagen könnte. Interessanterweise würden schon moderate Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen reichen, die Defizite wieder auf tragfähige Niveaus zurückzuführen.
Heinrich Hemetsberger, Portfoliomanager Asset Allocation, KEPLER-FONDS KAG
„Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem!“ Dieser Leitsatz, ausgesprochen vom ehemaligen US-Finanzminister John Connally im Jahr 1971, gilt weiterhin. Aber auch für die USA kann der Dollar als Leitwährung Schwierigkeiten bereiten. Das Problem eines laufenden Handelsbilanzdefizits und einer immer größer werdenden Staatsverschuldung wurde von der Trump-Administration richtigerweise erkannt – nur die Medizin dagegen war falsch. Die „Zoll-Bazooka“ sorgte nur für Unsicherheit und ließ die Staatsanleihenrenditen steigen. Somit ist exakt der gegenteilige Effekt eingetreten.
Wie aber könnte man die Staatsverschuldung und die Renditen eindämmen? Einen politisch diktierten Schuldenschnitt der USA halten wir für sehr unwahrscheinlich, das würde die Abkehr von den US-Schuldtiteln nur verstärken. Eine US-Rezession absichtlich auszulösen (Flucht in US-Staatsanleihen) macht auch keinen Sinn, wenn man als Partei wiedergewählt werden möchte. Die Lösung besteht vielmehr darin, das Vertrauen in die US-Finanzmärkte durch stabiles, nachvollziehbares politisches Handeln wiederherzustellen – und die Handelsbarrieren mit den globalen Partnern durch gemeinsame Kompromissfindung abzubauen.
Elliot Hentov, Leiter Macro Policy Research, State Street Global Advisors
Die Handelskriege haben die Aufmerksamkeit auf die globalen Ungleichgewichte gelenkt, Während die USA insgesamt zu wenig sparen und zu viel konsumieren, ist in Asien das Gegenteil der Fall. Direkte handelspolitische Eingriffe hätten nur eine begrenzte Wirkung auf das, was letztlich auch eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Inland sein muss. So weisen die USA insgesamt ein hohes Leistungsbilanzdefizit auf, obwohl Unternehmen und Haushalte Einkommensüberschüsse erzielen. Es ist vor allem die US-Regierung, die spart. Folglich setzt der Abbau der globalen Ungleichgewichte voraus, dass die Haushaltsdefizite irgendwann in der Zukunft zurückgehen.
Die Frage ist, ob es in geordneter oder ungeordneter Weise geschieht. Ersteres wäre eine Kombination aus sanfter Haushaltskonsolidierung und einer Steigerung der Produktivität der Wirtschaft. Letzteres wäre ein Ereignis auf den Anleihemärkten, das eine schnellere Änderung der Finanzpolitik erzwingt. Ein Zahlungsausfall in den USA – selbst ein technischer – ist nach wie vor unwahrscheinlich. Aber eine drastische Neubewertung der US-Schulden, die zu einer Steuerreform und einem geringeren Wachstum führt, ist durchaus denkbar.
George Curtis, Portfoliomanager, TwentyFour Asset Management (Vontobel)
Die Frage der fiskalischen Nachhaltigkeit in den USA ist weniger ein Problem des Schuldenbestands, sondern ein Problem der Schuldenströme angesichts der anhaltend hohen Defizite. Es ist klar, dass Defizite von 6-7 % auf Dauer nicht tragbar sind und dass sich die Regierungen stärker auf ihre Reduzierung konzentrieren müssen. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass der Markt das derzeitige Schuldenniveau (und sogar die hohen erwarteten Defizite) für untragbar hält. Die Bewegungen im April waren unserer Ansicht nach nicht auf eine Neubewertung des US-Dollar als globale Reservewährung zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Positionierung globaler Anleger, die im Allgemeinen US-Dollar-Anlagen im Vergleich zum Rest der Welt bevorzugen.
Das Risiko einer einseitigen Umstrukturierung bleibt gering. Erstens glauben wir nicht, dass Präsident Trump dies ohne die Zustimmung des Kongresses tun könnte (die er unserer Meinung nach nicht erhalten würde). Außerdem würde dies zu einer Herabstufung durch die Rating-Agenturen, einem drastischen Anstieg der Laufzeitprämien (der ausreichen würde, um die USA in eine Rezession zu stürzen) und einem schweren Vertrauensverlust für alle US-Dollar-Anlagen führen.
Felix Herrmann, Chefvolkswirt, ARAMEA Asset Management
Die USA haben ein Schuldenproblem. Selbst in einem eher optimistischen Szenario dürfte der Schuldenstand bis 2055 rund 150% der US-Wirtschaftsleistung erreichen. Sogar Donald Trump hat das Problem erkannt und versucht gegenzusteuern. Nur leider dürften die von ihm ergriffenen bzw. geplanten Maßnahmen kaum den gewünschten Erfolg bringen. Weder die Einsparungen im öffentlichen Dienst noch die Zolleinnahmen werden auch nur im Ansatz gegenfinanzieren können, was dem US-Präsidenten an Steuersenkungen und zusätzlichen Staatsausgaben vorschwebt – zumal die Last der Zinsen immer weiter zunimmt. Und dennoch: Wenn ein Land es schafft, aus hohen Schulden „herauszuwachsen“, dann sicher die USA.
Einen Schuldenschnitt – wie im „Mar-o-Lago-Accord“ angedacht, wird es nicht geben. Der Markt würde Trump derartige Ideen, sobald die konkreter thematisiert werden, um die Ohren hauen. Und wir haben gelernt: Wenn Trump auf jemanden hört, dann ist es „der Markt“. Mit einer weiteren Schwächung des Dollars rechnen wir hingegen durchaus – zumindest so lange Trump im Amt ist. Grund hierfür: Die erratische Politik im Weißen Haus sorgt fortgesetzt für eine Auflösung der Übergewichtung von US-Risikoassets.
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