Mit der Nominierung von Stephen Miran hat Donald Trump – weitgehend unbeachtet und vom Zollkrieg überlagert – einen weiteren Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank eingeleitet. Hatte Trump bislang lediglich verbal auf die Fed und vor allem auf ihren Vorsitzenden eingedroschen, kann er nun erstmals direkt in die Politik der US-Notenbank eingreifen. So kündigte er an, den derzeitigen Vorsitzenden seines Wirtschaftsstabes, Dr. Stephen Miran, vorübergehend bis zum 31. Januar 2026 auf den heute frei gewordenen Gouverneursposten von Adriana Kugler in der Fed zu berufen. Auf seiner Plattform Truth Social erklärte der Präsident: «In der Zwischenzeit werden wir weiterhin nach einer dauerhaften Neubesetzung suchen.»
Der Bestätigungsprozess für einen Fed-Gouverneursposten im US-Senat ist aufwendig und dauert in der Regel zwei bis vier Monate. Ob Miran bereits an der Notenbanksitzung vom 29. Oktober teilnehmen kann (September ist nahezu ausgeschlossen), ist ungewiss. Im günstigsten Fall wird er an zwei Sitzungen teilnehmen, bevor er am 31. Januar seinen Platz räumen muss – denn das Fed kennt keine Amtsverlängerung bis zur Ernennung eines Nachfolgers. Angesichts der umfassenden Prüfungen und Offenlegungspflichten – einschließlich detaillierter Angaben zu den persönlichen Vermögensverhältnissen – bedarf es schon besonderer Loyalität und Hingabe, diesen Prozess für lediglich zwei Sitzungen auf sich zu nehmen.
Kritiker mit brisanter Agenda
Der 41-jährige Miran gilt als scharfer Kritiker der Fed. Er befürwortet eine stärkere Einbindung der Notenbank in die Regierungsarbeit – faktisch eine Aufhebung ihrer Unabhängigkeit. Im aktuellen Umfeld plädiert der Präsidentenberater für Zinssenkungen, da er die Zollpolitik nicht als inflationstreibend einschätzt. Besonders umstritten ist sein im November 2024 veröffentlichtes Grundsatzpapier, in dem er vorschlägt, den US-Dollar gezielt zu schwächen. Dies soll erreicht werden, indem ausländische Gläubiger zum Kauf von 50- oder 100-jährigen, nahezu unverzinsten Staatsanleihen gedrängt werden – flankiert von einer Gebühr auf kürzer laufende US-Treasuries, um diese Option attraktiver erscheinen zu lassen.
Angesichts der seit 2013 geltenden Regel, wonach für die Besetzung dieses Postens im US-Senat lediglich eine einfache Mehrheit von 51 Stimmen erforderlich ist – eine Mehrheit, die die Republikaner mit derzeit 53 Sitzen nur knapp halten – könnte Miran das gleiche Schicksal ereilen wie Judy Shelton: Sie scheiterte 2019 in Trumps erster Amtszeit trotz identischer Mehrheitsverhältnisse im Senat an der Bestätigung, weil ihre unkonventionellen Ansichten – auch in Bezug auf den US-Dollar – bei einzelnen republikanischen Senatoren auf Widerstand stießen.
Trump versucht, seinen Kandidaten unter dem Vorwand einer vorübergehenden Besetzung durchzusetzen. Gelingt ihm dies, könnte er im Januar Miran erneut nominieren – diesmal für eine volle Amtszeit von 14 Jahren. Für Kritiker wirkt Miran dabei, wie ein trojanisches Pferd: offiziell nur als Übergangslösung, in Wahrheit aber mit Blick auf eine dauerhafte Berufung platziert. Zwar bliebe das Nominierungsverfahren im Januar formal identisch, doch wegen des Apprenticeship-Modells stiegen die Chancen auf eine erneute Bestätigung zweifellos.
Schlechtes Zeichen für die Unabhängigkeit der Fed
Eine enge Abstimmung zwischen Geld- und Fiskalpolitik gilt vielen Ökonomen als rotes Tuch. Im bewährten, äußerst erfolgreichen Modell der Deutschen Bundesbank vor 1999 nahm zwar auch der deutsche Finanzminister regelmäßig am Tisch der Notenbanker Platz – jedoch lediglich mit Anhörungsrecht und ohne Stimmrecht. Bei Miran hingegen ist zu erwarten, dass er Trumps Positionen mit Stimmrecht aktiv vertritt – wenn auch nur als eine von zwölf Stimmen im geldpolitischen Entscheidungsgremium. Dennoch wäre dies ein schlechtes Omen für die Unabhängigkeit der US-Notenbank, zumal Trump in den kommenden Monaten auch den Vorsitzenden der Fed ernennen wird. Der Fed Chair setzt traditionell die Agenda des FOMC und prägt den geldpolitischen Kurs entscheidend mit. Alles in allem würde mit einem Trump-Jünger als Fed-Präsident und Miran als Mitglied in das Risiko steigen, dass unkonventionelle Strategien Einzug in die US-Notenbankpolitik halten.
Weiterer Vertrauensverlust belastet Anleihenmärkte
Für US-Staatsanleihen dürfte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit eine stärkere Steilheit der Renditekurve bedeuten – nicht nur aufgrund der vom Markt bereits eingepreisten knapp drei Zinssenkungen bis Jahresende, sondern vor allem infolge eines weiteren Vertrauensverlustes, der sich bereits in der aktuellen Term Premium spiegelt. So ist beispielsweise das hauseigene Laufzeitprämienmodell der New York Fed seit Mitte September 2024 – als die Umfragen im US-Präsidentschaftswahlkampf zugunsten Trumps ausschlugen – um 0,9 Prozentpunkte gestiegen.
Fokus auf kurze Laufzeiten und inflationsgeschützte US-Treasuries
Anleger können sich vor allem durch eine gezielte Wahl der Laufzeiten vor Verlusten schützen: Während 5-jährige US-Staatsanleihen in den vergangenen zwölf Monaten – nach Abzug der Währungssicherungskosten in Euro oder Schweizer Franken – noch einen leicht positiven Ertrag erzielten, verzeichneten 10-jährige und längere Laufzeiten Verluste. Noch besser fuhren Investoren mit inflationsgeschützten US-Treasuries, die je nach Laufzeitenbereich bis zu zwei Prozentpunkte Mehrertrag gegenüber ihren nominalen Pendants abwarfen. Die fünfjährigen marktimpliziten Inflationserwartungen, die sogenannte Break-Even-Rate, liegt derzeit mit 2,4% exakt auf dem 20-Jahres-Durchschnitt. Sollte die US-Inflation in den kommenden fünf Jahren im Mittel über diesem Niveau notieren, wären inflationsgeschützte Anleihen im Vorteil. Angesichts der genannten Risiken ist es in der Tat fraglich, ob die US-Notenbank ihr Stabilitätsziel erreicht.
Eine steilere Zinsstrukturkurve dürfte sich kaum auf die USA beschränken. Auch in der Eurozone steigen die Laufzeitprämien – einerseits wegen der hohen Verschuldung und der politischen Handlungsunfähigkeit Frankreichs, andererseits wegen Deutschland, wo die Wirtschaft seit Jahren stagniert und Friedrich Merz noch vor Antritt seiner Kanzlerschaft die Schuldenbremse ausgehebelt hat. In Japan, dem höchstverschuldeten Industriestaat, in dem die Notenbank lange die Zinskurve kontrollierte, geraten lang laufende Staatsanleihen infolge höherer Inflation und der schrittweisen Normalisierung der Geldpolitik ebenfalls unter Druck. Mittelfristig spricht daher vieles für kürzere Laufzeiten im Anleihenportfolio. Wirksamen Schutz bietet derzeit einzig eine aktive Steuerung von Laufzeiten und Segmenten. Dies gilt insbesondere in indexnahen, globalen Portfolien, die auf den ersten Blick zwar einen größeren Zinspuffer haben, zugleich jedoch beträchtliche Risiken bergen.
Von Tobias Frei, Senior Portfolio Manager bei BANTLEON
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