Teil 2 | Schwellenländer-Umfrage: Welche Regionen und Themen jetzt besonders überzeugen
Nach einer längeren Phase schwacher Kursentwicklungen haben Aktien aus Schwellenländern zuletzt deutlich zugelegt. Doch bleibt diese Erholung von Dauer – und welche Märkte erscheinen aktuell besonders vielversprechend? Wir haben Expertinnen und Experten um ihre Einschätzung gebeten.
Funds
| 30.05.2025 10:40 Uhr
Mehrere Börsen in Schwellenländern verzeichnen derzeit eine überdurchschnittlich positive Entwicklung. Treiber dieser Entwicklung sind unter anderem eine Entspannung im Verhältnis zwischen den USA und China sowie ermutigende wirtschaftliche Indikatoren. Dadurch rückt das Anlageuniversum der Emerging Markets verstärkt in den Fokus institutioneller Anleger. Doch welche Regionen bieten aktuell das größte Potenzial – und wo ist Vorsicht geboten?
Vor diesem Hintergrund haben wir Fondsmanager:innen und Marktanalyst:innen nach ihren Einschätzungen gefragt: Welche Schwellenländer, Regionen oder Sektoren halten sie aktuell für besonders aussichtsreich? Wo sehen sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag – und welche Herausforderungen sollten Anleger nicht ausblenden? Die spannendsten Einschätzungen haben wir in unserem aktuellen Slider zusammengestellt.
Daniel Graña, Portfoliomanager im Emerging Market Equities Team, Janus Henderson Investors
Wir sind begeistert von den positiven Entwicklungen in vielen Schwellenländern, z. B. Unternehmungsführungsreformen. Chancen sehen wir auch in den steigenden Einkommen und der wachsenden Mittelschicht in Ländern wie Indien. Hier verfolgen wir weiterhin die Entwicklungen, die sich auf indische Investments auswirken könnten – v. a. auf Unternehmen mit guten Chancen auf dem Inlandsmarkt, die weniger von Zöllen betroffen sein könnten.
Ansonsten haben wir attraktiv bewertete Investments identifiziert, die von den besseren wirtschaftlichen Fundamentaldaten und der zunehmenden Stabilität des Bankensystems in Osteuropa profitieren. Generell beobachten wir einen Innovationsboom in den Schwellenländern. Beispiele für solche Bereiche sind grüne Energie, Finanzdienstleistungen und Gesundheitsversorgung.
Im derzeitigen Investitionsumfeld konzentrieren wir uns auf Geschäftsmodell und Bilanz. Wir suchen nach Unternehmen, die über die Ressourcen und den Geschäftssinn verfügen, um die zunehmende Unsicherheit zu bewältigen. Wir bleiben auch unserem dreistufigen Ansatz treu, der nach qualitativ hochwertigen Unternehmen mit starken Governance-Strukturen in Ländern sucht, die wir für attraktiv halten.
Aktien aus Schwellenländern schnitten im ersten Quartal besser ab als Aktien aus Industrieländern, angeführt von starken Renditen aus China, Brasilien und vielen kleineren Märkten. Nicht alle Schwellenländer entwickelten sich positiv: Die türkische Lira verlor angesichts steigender politischer Risiken fast 7%, die indonesische Rupiah fiel auf den niedrigsten Stand seit 1998. Unser Ansicht nach bleiben allerdings die wirtschaftlichen Fundamentaldaten von Indonesien in Takt. Außerdem ist Indonesien im Vergleich zu anderen Schwellen- und Industrieländern nur geringfügig von den US-Zöllen und einem möglichen globalen Handelskrieg betroffen. Die Aussichten für die Schwellenländer bleiben zwar ungewiss, wobei Risiken von der Handelspolitik der Trump-Regierung und den anhaltenden geopolitischen Spannungen ausgehen, aber es besteht auch die Aussicht auf erhebliche Impulse durch chinesische Konjunkturmaßnahmen und einen schwächeren US-Dollar. Die Gesamtlage der Schwellenländer bleibt stabil, attraktive Bewertungen an vielen Schwellenländer-Aktienmärkten und -Währungen untermauern das Potenzial. Wir bleiben positiv für diese Anlageklasse und sind in Brasilien, China, Mexiko, Südafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten übergewichtet.
Asien bietet derzeit die attraktivsten Chancen für EM-Aktien. Der taiwanesische Tech-Sektor ist mit einem KGV von 14 auf globaler Ebene interessant. Indien vereint strukturelles Wachstum, günstige demografische Faktoren und politische Unterstützung mit unterbewerteten Aktienmärkten. Trotz geopolitischer Unruhen wird Chinas Wirtschaft durch Konjunkturmaßnahmen, geldpolitische Lockerung und KI-getriebene Innovationen bei den Bewertungen im mittleren Zehnjahresbereich gestützt. Brasilien gewinnt durch Zinssenkungen an zyklischer Attraktivität, die VAE und Griechenland tragen mit makroökonomischer Stabilität und Reformdynamik bei. Ein schwächerer USD, lokale Lockerungszyklen und eine Verlagerung hin zu investitionsgetriebenem Wachstum in den Industrieländern stützen das allgemeine Umfeld für EM. Wegen der Zollrisiken bevorzugen wir binnenorientierte gegenüber exportorientierten Unternehmen. Aufgrund der Untergewichtung der EM durch globale Anleger und Bewertungsaufschläge bieten diese Märkte Diversifizierungsmöglichkeiten und asymmetrisches Aufwärtspotenzial. EM-Aktien sollten Teil globaler Portfolios sein, besonders dort, wo Innovation, Demografie und Reformen ineinandergreifen.
John Malloy, Portfolio-Manager der Redwheel Emerging Markets Strategy, REDWHEEL
Präsident Trumps „America First“-Politik hat das US-Wachstum belastet und Anleger veranlasst, in Schwellenländer zu diversifizieren. Nach jahrelanger Underperformance sind deren Aktien aktuell günstig, wenig gehandelt und werden 2025 eine Outperformance erzielen.
Wir sehen die größten Chancen in China, Marktführer und weltweiten Exporteur sauberen Energielösungen – ungeachtet der Zölle. China kann Inlands-Kapital mobilisieren, um den Konsum anzukurbeln und schwächere Exporte auszugleichen.
In der EMEA-Region investiert Südafrika in Infrastruktur und profitiert von steigenden Rohstoffpreisen. Lateinamerika wurde von Ausfuhrzöllen verschont und hat 2025 bisher am besten abgeschnitten. Argentinien hat seine Wirtschaft umstrukturiert, sein Haushaltsdefizit beseitigt und die Inflation eingedämmt. Mexiko kooperiert mit Präsident Trump und konnte Strafzölle umgehen. Die Zentralbank senkt die Zinsen, so dass Aktienkurse steigen können.
Wir glauben, dass sich der Fokus der EM-Anleger von den Exporteuren auf inländische Sektoren wie Finanzwerte, Immobilien, Einzelhandel und E-Commerce verlagert. Der Gold-Aufschwung kann auch über Produzenten in China, Südafrika und Lateinamerika genutzt werden.
James Donald, Portfoliomanager/Analyst und Leiter der Emerging Markets-Plattform, Lazard Asset Management
Für unsere EM-Equity-Relative-Value-Strategie legen wir Wert darauf, Rentabilität zu einem günstigen Preis zu erwerben. Dagegen investieren wir mit unserer EM-Core-Strategie in Unternehmen mit dauerhaften Wettbewerbsvorteilen, von denen wir glauben, dass sie länger höhere Renditen erwirtschaften werden als vom Markt erwartet. Chancen sehen wir derzeit u.a. in Brasilien, Griechenland, Mexiko und Korea. Zölle können zu einer Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums beitragen, wovon die Schwellenländer stärker betroffen wären als die Industrienationen. Schwellenländer mit einer wachsenden Mittelschicht und einer robusten Binnennachfrage dürften dem globalen Druck besser standhalten als Länder, die vom Export abhängig sind. Viele Unternehmen in den EM konzentrieren sich zunehmend auf lokale Einnahmen und haben ihre Bilanzen gestärkt. Für EM-Anlagen sprechen das dortige Wachstumspotenzial, das weiterhin größer sein dürfte als das vieler Industrienationen, günstige Bewertungen und Diversifikationsvorteile. Aktive Bottom-up-Manager müssen bei ihren Allokationen in den Schwellenländern jedoch selektiv vorgehen: Entscheidend bleiben solide Fundamentaldaten der Unternehmen.
Jean-Louis Nakamura, Head of Conviction Equities, Vontobel
Die Vielfalt der Wachstumstreiber in den Emerging Markets ist durch die globalen Umbrüche noch wichtiger geworden. Volkswirtschaften, die mit billigen Arbeitskräften vor allem auf Export setzen, sind am stärksten gefährdet. Diejenigen, die sich auf Technologien und Dienstleistungen spezialisiert haben und von starkem Binnenkonsum profitieren, dürften leistungsfähiger sein. Indien hat dabei den stärksten Rückenwind (Wachstum der Erwerbsbevölkerung und der Mittelschicht, relative geopolitische Neutralität). Nach einer Pause gibt es am Aktienmarkt Anzeichen für einen neuen Aufschwung.
Auch China erfüllt viele dieser positiven Kriterien, auch wenn die Reaktivierung der Inlandsnachfrage in hohem Maße von der politischen Unterstützung abhängt, die zunehmen dürfte, ohne die gesamte Wirtschaft aus den anhaltenden deflationären Kräften zu befreien. Wir bevorzugen Unternehmen mit einer starken sektoralen Positionierung an der Schnittstelle von Binnennachfrage und Technologie.
"Deepseek" hat gezeigt, dass die technologische Entkopplung zwischen den USA und China, obwohl ungünstig für das globale Wachstum, zu unterschiedlichen, weniger synchronen Innovationsquellen führt. Das dürfte zur Diversifizierung von Portfolios beitragen.
Christian Gombert, Fondsmanager, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Investments in den USA bieten aktuell angesichts hoher Bewertungen, schwächerer Wirtschaftsdaten, politischer Unsicherheiten und eines möglichen Vertrauensverlusts in den US-Dollar ein ungünstiges Chance-Risiko-Profil. Europa erscheint zwar attraktiv bewertet, leidet jedoch unter zu geringem Gewinnwachstum und starker Regulierung. Für global investierende Anleger bieten Schwellenländer derzeit interessante Perspektiven: Der MSCI Emerging Markets notiert auf einem 12er-KGV (wie Europa), weist aber ein deutlich höheres Gewinnwachstum von rund 13% auf. Das ergibt ein attraktives PEG-Ratio von unter 1x. Historische Risiken wie hohe Staatsverschuldung, Inflation und politische Instabilität sind aktuell weniger relevant. Das Wachstum in den Schwellenländern wird häufig durch Demografie und den Aufbau einer Mittelschicht getragen, was auch heute Bestand hat. Wir bevorzugen derzeit Beimischungen in Konsumorientierten Schwellenländer mit großem Binnenmarkt wie Indien, Brasilien und Indonesien. Aufgrund der Bedeutung des Exportgeschäfts einhergehend mit dem Risiko der US-Zollpolitik sind chinesische Aktien in unseren Portfolios mit Ausnahme der Tech-Werte weiterhin unterrepräsentiert.
Schwellenländer bieten überzeugende Chancen, getrieben durch digitale Transformation, KI-Infrastruktur und Binnennachfrage. Mexiko & Brasilien zeichnen sich etwa durch Wachstum von Fintech/E-Commerce aus. Indien & Südostasien (Indonesien, Vietnam) profitieren von der schnellen digitalen Akzeptanz. Zu den strukturellen Treibern gehört KI. Chinesische Firmen entwickeln kosteneffiziente KI-Modelle, Taiwan hat eine entscheidende Rolle in der Halbleiterfertigung. Weiterer Treiber sind E-Fahrzeuge. So sind chinesische Hersteller Vorreiter bei abo-basierten Modellen für vernetzte Fahrzeuge. Und Binnennachfrage: Viele spannende Unternehmen erzielen den größten Teil ihres Umsatzes auf lokalen Märkten, was die Anfälligkeit für geopolitische Spannungen verringert.
In Regionen, die angesichts der Handelsspannungen auf globale Lieferketten angewiesen sind, ist Vorsicht geboten.
In einem globalen Portfolio rechtfertigen EM-Aktien eine strategische Allokation für ein Engagement in wachstumsstarken Sektoren wie Fintech und KI-Infrastruktur und bieten gleichzeitig günstige Bewertungen. Aktives Investieren und eine sorgfältige Selektion könnten für eine Steigerung der Anlegerrenditen wichtig sein.
Slabbert van Zyl, Portfoliomanager Emerging Markets, Comgest
Als Bottom-up-Investor mit Fokus auf Qualitätswachstum ist unser Ansatz aktiengetrieben. Wir sind in großen Schwellenländern wie Indien und China ebenso investiert wie in kleineren wie Brasilien, Mexiko, Südafrika und Vietnam, wo wir aktuell bessere Chancen sehen. Vietnam überzeugt dabei durch starkes Wirtschaftswachstum und Marktdynamik.
Viele Schwellenländer profitieren von demografischen Faktoren, wachsenden Mittelschichten, Urbanisierung und unterentwickelten Sektoren – von Banken bis zu digitalen Dienstleistungen –, die langfristig stetiges Wachstumspotenzial bieten. Länder wie Mexiko, Indien und Südostasien profitieren zusätzlich von der Verlagerung globaler Lieferketten.
Unternehmen aus Ländern wie China konnten zuletzt häufig als Innovatoren auftreten und in Bereichen wie Industrieautomatisierung, KI-Integration und intelligente Fertigung Durchbrüche erzielen. Wettbewerbsvorteile und disruptive Innovationen sind längst nicht mehr auf entwickelte Märkte beschränkt.
Dabei bleibt die Aktienauswahl entscheidend. Neben regulatorischen und politischen Risiken schaffen es nur wenige Unternehmen, während eines gesamten Marktzyklus ein starkes Gewinnwachstum in Hartwährung bei attraktiver Kapitalrendite zu erzielen.
Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung
eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder
Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das
investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment
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