Umfrage | Stablecoins nach dem GENIUS Act: Was bedeutet das neue US-Gesetz?

Mit dem GENIUS Act hat die US-Regierung einen gesetzlichen Rahmen für Stablecoins geschaffen. Das Gesetz könnte die Rolle digitaler Währungen grundlegend verändern und weitreichende Folgen für Finanzmärkte, Banken und die Geldpolitik haben. Im Rahmen unserer Umfrageserie e-fundresearch.com #EconomicsForum haben wir deshalb internationale Chefvolkswirte, Ökonomen und Analysten eingeladen, diese Entwicklungen einzuordnen und ihre Sichtweisen zu den möglichen Auswirkungen des neuen US-Gesetzes zu teilen. Funds | 19.08.2025 12:26 Uhr

Mit dem GENIUS Act hat die US-Regierung einen umfassenden gesetzlichen Rahmen für Stablecoins geschaffen. Der Guaranteeing Essential Neutrality in Issuance and Use of Stablecoins Act sieht strenge Anforderungen für Emittenten vor, darunter die vollständige Hinterlegung von Sicherheiten, verbindliche Transparenzpflichten sowie eine staatliche Aufsicht. Damit sollen Risiken für die Finanzstabilität begrenzt und gleichzeitig Vertrauen in digitale Zahlungsmittel aufgebaut werden. Zugleich positionieren sich die USA mit diesem Schritt als Vorreiter in der internationalen Regulierung von Krypto-Assets.

Vor diesem Hintergrund hat die Redaktion die folgende Frage an internationale Chefvolkswirte, Ökonomen und Analysten gestellt:

Welche Bedeutung hat der GENIUS Act für die Regulierung von Stablecoins? Könnte er digitale Zahlungsmittel und Kryptowährungen entscheidend etablieren? Welche Auswirkungen sind auf den US-Dollar, US-Staatsanleihen, die Stabilität der Finanzmärkte sowie die Geschäftsmodelle von Banken zu erwarten?

Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management
© Metzler Asset Management

Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management

Der GENIUS Act verlangt, dass digitale Dollar 1:1 durch Cash oder kurzlaufende Treasuries gedeckt sein müssen. Er untersagt Emittenten, Zinsen auf Stablecoins zu zahlen, um Abflüsse aus den 18,3 Billionen Dollar Bankeinlagen zu verhindern. Doch manche Plattformen haben längst Schlupflöcher gefunden. Die Regulierung steht damit vor einem Dilemma: Stablecoins sind sicherer als Einlagen bei Geschäftsbanken und könnten unter Umgehung sogar höhere Zinsen bieten. Ohne Anpassung der Regulierung droht, dass Banken Einlagen verlieren und eine systemische Krise entsteht. Gleichzeitig wären regulierte Stablecoins für Sparer in Schwellenländern ein sicherer Hafen, und sie würden die Rolle des Dollar als Weltreservewährung weiter verankern. Kapitalströme in kurzlaufende Treasuries könnten die US-Regierung zudem entlasten – der Tag der fiskalischen Abrechnung würde dadurch aber nur hinausgezögert werden. Die Zinskosten für den US-Staat würden aber kaum sinken, da der Einfluss des Leitzinses auf kurzlaufende Treasuries dominiert. Zuletzt gilt noch zu beachten, dass durch eine potenzielle Überführung des gesamten USD-Bargelds in Stablecoins die US-Notenbank etwa 100 Mrd. USD an Seigniorage pro Jahr verlieren würde.
Rico Höntschel, Head of Volatility Strategies & Digital Assets, FERI AG
© FERI AG

Rico Höntschel, Head of Volatility Strategies & Digital Assets, FERI AG

Zusammen mit dem Clarity Act markiert der GENUIS Act einen historischen Schritt für die Kryptobranche. Mit dem Ziel höherer Transparenz, Rechtssicherheit und Stabilität wird eine Regulierungslücke geschlossen: Stablecoins erhalten einen festen Platz im US-Finanzsystem. Mehr als 99 % sind an den Dollar gekoppelt – das Gesetz festigt diese Dominanz. Stablecoins werden zu einem vertrauenswürdigen Zahlungsmittel, vergleichbar mit Bankeinlagen, aber mit Vorteilen wie Sofortüberweisungen und globaler Verfügbarkeit. Neue Anwendungsfelder reichen von Zahlungs- und Abwicklungsdiensten über tokenisierte Anleihen mit automatischen Kuponzahlungen bis hin zu Kreditmodellen sowie steigender DeFi-Liquidität.

Die Nachfrage nach US-Treasuries steigt strukturell, was neue Brücken zur Staatsfinanzierung eröffnet. Über tokenisierte Anleihen könnte ein Teil der Erlöse sogar in Bitcoin-Reserven fließen.

Für Europa ist dies ein Weckruf: Euro-Stablecoins haben mit unter 500 Mio. EUR kaum Gewicht – ohne entschlossenes Handeln droht der Verlust an Einfluss in der digitalen Finanzordnung.

Fazit: Der GENIUS Act professionalisiert den Markt, stärkt den US-Dollar und macht Stablecoins zu einem globalen Standard.
Dovile Silenskyte, Director im Bereich Digital Assets Research, WisdomTree
© WisdomTree

Dovile Silenskyte, Director im Bereich Digital Assets Research, WisdomTree

Der GENIUS Act stellt eine grundlegende Veränderung der makroökonomischen Politik dar: Die USA verankern den Dollar in der Finanzinfrastruktur der nächsten Generation und vereinen Geldpolitik, Kapitalmärkte und digitale Technologie unter einer umfassenden legislativen Vision.

Gleichzeitig arbeitet die Regierung an einer Executive Order, um die Anlageoptionen für 401(k)-Pläne um alternative Vermögenswerte wie digitale Währungen zu erweitern. Wenn umgesetzt, könnte dies eine Welle institutioneller Beteiligung auslösen und Kryptowährungen als Kernbestandteil von Altersvorsorgeportfolios positionieren. Zusammen mit dem GENIUS Act und dem CLARITY Act signalisiert dies eine koordinierte Initiative der US-Bundesregierung zur Verankerung digitaler Assets sowohl in der institutionellen Finanzwirtschaft als auch in der Vermögensinfrastruktur für Privatkunden.

Mit dem Wachstum des Stablecoin-Marktes und den Reserven in Staatsanleihen und ähnlichen Instrumenten dürften Stablecoin-Emittenten zu dauerhaften Nachfragetreibern für US-Staatsanleihen werden. Diese anhaltende Nachfrage sollte die Renditen stabilisieren, die Zinskurve steiler machen und dadurch komplexe fiskalische Arbitrage-Möglichkeiten freisetzen.
Dirk Heß, Geschäftsführer, nxtAssets
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Dirk Heß, Geschäftsführer, nxtAssets

Dass der US-Senat den GENIUS Act verabschiedet hat, markiert einen Meilenstein. Das Gesetz reguliert die Emission und Nutzung von Stablecoins in den USA, schafft Rechtssicherheit für Marktteilnehmer und stärkt den Verbraucherschutz. Stablecoins müssen künftig vollständig mit US-Dollar oder -Staatsanleihen gedeckt sein und von Aufsichtsbehörden überprüft werden. Das ist sinnvoll, denn nur so kann der Weg für ihre breite Nutzung im Zahlungsverkehr geebnet werden.

Gleichzeitig gewinnt die US-Regierung damit einen neuen, bedeutenden Abnehmer für ihre Staatsanleihen. Schätzungen zufolge könnte die Marktkapitalisierung von Stablecoins in 5 Jahren von heute 200 Milliarden auf bis zu 3 Billionen US-Dollar steigen. Wären diese vollständig mit Staatsanleihen hinterlegt, entspräche das rund 9% der US-Gesamtverschuldung. Zum Vergleich: Die Zentralbanken Japans, Chinas und des Vereinigten Königreichs halten zusammen etwa 2,6 Billionen US-Dollar.

Der Rechtsrahmen wirkt weit über Stablecoins hinaus. Mit dem Clarity Act signalisiert die US-Regierung, klare Regeln für Handel und Verwahrung digitaler Vermögenswerte zu schaffen, wovon insbesondere weitere Akteure der Blockchain-Infrastruktur profitieren.
Gracy Chen, CEO, Bitget
© Bitget

Gracy Chen, CEO, Bitget

Der GENIUS Act zielt darauf ab, die Finanzmarktstabilität durch einen robusten Regulierungsrahmen für Stablecoins zu stärken. Das Gesetz fordert eine vollständige Deckung von Stablecoins durch hochwertige, liquide Vermögenswerte – ein Ansatz, der das Marktvertrauen stärkt und das Risiko eines Zusammenbruchs erheblich reduziert. Als ein weiterer Effekt dürfte dies die Nachfrage nach US-Staatsanleihen ankurbeln und die globale Dominanz des Dollars weiter festigen.

Für Banken eröffnet diese Regulierung sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Während das Risiko der Einlagen-Disintermediation Anpassungen ihrer Geschäftsmodelle erfordert, können Banken gleichzeitig ihr etabliertes Vertrauen strategisch nutzen. Sie haben die Möglichkeit, eigene Stablecoins zu emittieren oder als Verwahrer für die Reservevermögen anderer Emittenten aufzutreten – und damit völlig neue Ertragsfelder zu erschliessen.

Die regulatorische Klarheit des Gesetzes wird voraussichtlich das Vertrauen in den gesamten Sektor stärken und die Akzeptanz digitaler Zahlungssysteme erheblich beschleunigen.
Ha Duong, Director Crypto Strategies und Portfoliomanager des BIT Global Crypto Leaders, BIT Capital
© BIT Capital

Ha Duong, Director Crypto Strategies und Portfoliomanager des BIT Global Crypto Leaders, BIT Capital

Der im US-Senat verabschiedete GENIUS Act markiert einen regulatorischen Meilenstein: Er definiert einen regulatorischen Rahmen für Stablecoins und bestätigt deren Status als legitime, systemrelevante Finanzprimitive. Gemeinsam mit dem konkurrierenden STABLE Act dürfte zeitnah eine konsolidierte Regelung entstehen, die entscheidende Rechtssicherheit schafft und als Katalysator für eine breitere institutionelle Akzeptanz fungieren kann.

Stablecoins sind crypto-native Abbildungen staatlicher Fiat-Währungen – derzeit entfallen rund 99,8 Prozent des Gesamtangebots auf den US-Dollar. Sie bilden die fundamentale Infrastrukturschicht der Crypto-Finanzwelt.

Ihre Integration in DeFi- und TradFi-Anwendungen etabliert digitale Dollar als funktionales Zahlungsmittel, stärkt die globale Dominanz des US-Dollar und generiert durch US-Treasury-Reserven strukturelle Nachfrage im Anleihemarkt. Für Banken entstehen neue strategische Optionen, jedoch auch intensiver Wettbewerb durch nicht-bankliche Emittenten.

In Summe steht der GENIUS Act für die institutionelle Reifung eines Marktes, dessen wirtschaftliche Relevanz und Nutzung längst über den Handel hinausgehen.
Joshua Krüger, Head of Growth and Strategic Partnerships, dEURO Association
© dEURO Association

Joshua Krüger, Head of Growth and Strategic Partnerships, dEURO Association

Der GENIUS Act schafft in den USA erstmals einen klaren Rechtsrahmen für Stablecoins – ein entscheidender Schritt, um deren Legitimität weiter zu stärken und den Weg für eine breitere gesellschaftliche und institutionelle Akzeptanz zu ebnen.

Kurzfristig dürften vor allem USD-gebundene Stablecoins profitieren, da regulatorische Klarheit das Vertrauen sowohl von privaten als auch institutionellen Investoren stärkt. Zudem wird die Rolle des US-Dollars in der globalen Digitalwirtschaft gefestigt. Durch die Pflicht von Emittenten zur Hinterlegung hochwertiger und liquider Reserven, könnte das Gesetz auch die Nachfrage nach US-Staatsanleihen erhöhen und somit eine stärkere Verbindung zwischen Stablecoins und den traditionellen Kapitalmärkten schaffen.

Für Banken bringt der GENIUS Act einerseits Wettbewerbsdruck durch effizientere Zahlungssysteme, andererseits aber auch die Chance, regulierte Stablecoins in ihre Angebote zu integrieren, neue Märkte zu erschließen und Zahlungsprozesse deutlich zu beschleunigen.
Adrian Fritz, VP, Global Head of Research, 21Shares
© 21Shares

Adrian Fritz, VP, Global Head of Research, 21Shares

Der GENIUS Act ist in mehrfacher Hinsicht vielversprechend, denn er kommt einer Branche zugute, die ohnehin schon einen Aufschwung erlebt: Stablecoins sind mittlerweile mit einem jährlichen Handelsvolumen von 7 Billionen US-Dollar und einer Marktkapitalisierung von rund 260 Milliarden Dollar die am meisten verwendeten Instrumente des Krypto-Universums. Das Gesetz schafft einen klar definierten Prozess für die rechtliche Zulassung von Stablecoins auf Basis des US-Dollars und legt Voraussetzungen wie die vollständige Deckung durch Echtgeld vor, was Klarheit und Sicherheit für Konsumenten und das ganze Finanzsystem schafft. Realistische Folgen dessen sind eine weitere Stärkung der Legitimität von Stablecoins und die Etablierung zahlreicher neuer Anwendungsfälle der Technologie – und auch eine Stärkung des Werts unterliegender Blockchains wie Ethereum und Solana. Am Ende könnten deutlich mehr institutionelle Investoren, Zahlungsanbieter und sogar Staaten auf Dollar-Stablecoins setzen – und deren Marktkapitalisierung von 260 Milliarden vielleicht sogar auf mehrere Billionen ansteigen.

Was sind Stablecoins?

Stablecoins sind digitale Währungen, deren Wert an eine stabile Referenzgröße wie den US-Dollar gekoppelt ist. Sie unterscheiden sich damit von volatilen Kryptowährungen wie Bitcoin und eignen sich potenziell als verlässlicheres Zahlungsmittel im Alltag, im internationalen Handel oder für Finanzmarkttransaktionen. Mit ihrer zunehmenden Verbreitung stellen sie jedoch auch grundlegende Fragen für Geldpolitik, Banken und Kapitalmärkte, da sie als Alternative zu Einlagen und klassischen Zahlungsmitteln auftreten können.

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