Mit dem GENIUS Act hat die US-Regierung einen umfassenden gesetzlichen Rahmen für Stablecoins geschaffen. Der Guaranteeing Essential Neutrality in Issuance and Use of Stablecoins Act sieht strenge Anforderungen für Emittenten vor, darunter die vollständige Hinterlegung von Sicherheiten, verbindliche Transparenzpflichten sowie eine staatliche Aufsicht. Damit sollen Risiken für die Finanzstabilität begrenzt und gleichzeitig Vertrauen in digitale Zahlungsmittel aufgebaut werden. Zugleich positionieren sich die USA mit diesem Schritt als Vorreiter in der internationalen Regulierung von Krypto-Assets.
Vor diesem Hintergrund hat die Redaktion die folgende Frage an internationale Chefvolkswirte, Ökonomen und Analysten gestellt:
Welche Bedeutung hat der GENIUS Act für die Regulierung von Stablecoins? Könnte er digitale Zahlungsmittel und Kryptowährungen entscheidend etablieren? Welche Auswirkungen sind auf den US-Dollar, US-Staatsanleihen, die Stabilität der Finanzmärkte sowie die Geschäftsmodelle von Banken zu erwarten?

Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management

Rico Höntschel, Head of Volatility Strategies & Digital Assets, FERI AG
Die Nachfrage nach US-Treasuries steigt strukturell, was neue Brücken zur Staatsfinanzierung eröffnet. Über tokenisierte Anleihen könnte ein Teil der Erlöse sogar in Bitcoin-Reserven fließen.
Für Europa ist dies ein Weckruf: Euro-Stablecoins haben mit unter 500 Mio. EUR kaum Gewicht – ohne entschlossenes Handeln droht der Verlust an Einfluss in der digitalen Finanzordnung.
Fazit: Der GENIUS Act professionalisiert den Markt, stärkt den US-Dollar und macht Stablecoins zu einem globalen Standard.

Dovile Silenskyte, Director im Bereich Digital Assets Research, WisdomTree
Gleichzeitig arbeitet die Regierung an einer Executive Order, um die Anlageoptionen für 401(k)-Pläne um alternative Vermögenswerte wie digitale Währungen zu erweitern. Wenn umgesetzt, könnte dies eine Welle institutioneller Beteiligung auslösen und Kryptowährungen als Kernbestandteil von Altersvorsorgeportfolios positionieren. Zusammen mit dem GENIUS Act und dem CLARITY Act signalisiert dies eine koordinierte Initiative der US-Bundesregierung zur Verankerung digitaler Assets sowohl in der institutionellen Finanzwirtschaft als auch in der Vermögensinfrastruktur für Privatkunden.
Mit dem Wachstum des Stablecoin-Marktes und den Reserven in Staatsanleihen und ähnlichen Instrumenten dürften Stablecoin-Emittenten zu dauerhaften Nachfragetreibern für US-Staatsanleihen werden. Diese anhaltende Nachfrage sollte die Renditen stabilisieren, die Zinskurve steiler machen und dadurch komplexe fiskalische Arbitrage-Möglichkeiten freisetzen.

Dirk Heß, Geschäftsführer, nxtAssets
Gleichzeitig gewinnt die US-Regierung damit einen neuen, bedeutenden Abnehmer für ihre Staatsanleihen. Schätzungen zufolge könnte die Marktkapitalisierung von Stablecoins in 5 Jahren von heute 200 Milliarden auf bis zu 3 Billionen US-Dollar steigen. Wären diese vollständig mit Staatsanleihen hinterlegt, entspräche das rund 9% der US-Gesamtverschuldung. Zum Vergleich: Die Zentralbanken Japans, Chinas und des Vereinigten Königreichs halten zusammen etwa 2,6 Billionen US-Dollar.
Der Rechtsrahmen wirkt weit über Stablecoins hinaus. Mit dem Clarity Act signalisiert die US-Regierung, klare Regeln für Handel und Verwahrung digitaler Vermögenswerte zu schaffen, wovon insbesondere weitere Akteure der Blockchain-Infrastruktur profitieren.

Gracy Chen, CEO, Bitget
Für Banken eröffnet diese Regulierung sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Während das Risiko der Einlagen-Disintermediation Anpassungen ihrer Geschäftsmodelle erfordert, können Banken gleichzeitig ihr etabliertes Vertrauen strategisch nutzen. Sie haben die Möglichkeit, eigene Stablecoins zu emittieren oder als Verwahrer für die Reservevermögen anderer Emittenten aufzutreten – und damit völlig neue Ertragsfelder zu erschliessen.
Die regulatorische Klarheit des Gesetzes wird voraussichtlich das Vertrauen in den gesamten Sektor stärken und die Akzeptanz digitaler Zahlungssysteme erheblich beschleunigen.

Ha Duong, Director Crypto Strategies und Portfoliomanager des BIT Global Crypto Leaders, BIT Capital
Stablecoins sind crypto-native Abbildungen staatlicher Fiat-Währungen – derzeit entfallen rund 99,8 Prozent des Gesamtangebots auf den US-Dollar. Sie bilden die fundamentale Infrastrukturschicht der Crypto-Finanzwelt.
Ihre Integration in DeFi- und TradFi-Anwendungen etabliert digitale Dollar als funktionales Zahlungsmittel, stärkt die globale Dominanz des US-Dollar und generiert durch US-Treasury-Reserven strukturelle Nachfrage im Anleihemarkt. Für Banken entstehen neue strategische Optionen, jedoch auch intensiver Wettbewerb durch nicht-bankliche Emittenten.
In Summe steht der GENIUS Act für die institutionelle Reifung eines Marktes, dessen wirtschaftliche Relevanz und Nutzung längst über den Handel hinausgehen.

Joshua Krüger, Head of Growth and Strategic Partnerships, dEURO Association
Kurzfristig dürften vor allem USD-gebundene Stablecoins profitieren, da regulatorische Klarheit das Vertrauen sowohl von privaten als auch institutionellen Investoren stärkt. Zudem wird die Rolle des US-Dollars in der globalen Digitalwirtschaft gefestigt. Durch die Pflicht von Emittenten zur Hinterlegung hochwertiger und liquider Reserven, könnte das Gesetz auch die Nachfrage nach US-Staatsanleihen erhöhen und somit eine stärkere Verbindung zwischen Stablecoins und den traditionellen Kapitalmärkten schaffen.
Für Banken bringt der GENIUS Act einerseits Wettbewerbsdruck durch effizientere Zahlungssysteme, andererseits aber auch die Chance, regulierte Stablecoins in ihre Angebote zu integrieren, neue Märkte zu erschließen und Zahlungsprozesse deutlich zu beschleunigen.

Adrian Fritz, VP, Global Head of Research, 21Shares
Was sind Stablecoins?
Stablecoins sind digitale Währungen, deren Wert an eine stabile Referenzgröße wie den US-Dollar gekoppelt ist. Sie unterscheiden sich damit von volatilen Kryptowährungen wie Bitcoin und eignen sich potenziell als verlässlicheres Zahlungsmittel im Alltag, im internationalen Handel oder für Finanzmarkttransaktionen. Mit ihrer zunehmenden Verbreitung stellen sie jedoch auch grundlegende Fragen für Geldpolitik, Banken und Kapitalmärkte, da sie als Alternative zu Einlagen und klassischen Zahlungsmitteln auftreten können.
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