Für das e-fundresearch.com Umfrageformat "Bulle oder Bär?" haben wir führende Köpfe aus dem Fonds- und Asset-Management gebeten, ihre Einschätzung abzugeben – differenziert nach bullischen und bearischen Szenarien. Die Antworten zeigen ein spannendes Meinungsbild:

Thomas Vorlicky, Geschäftsführer der Medical Strategy, Medical Strategy GmbH
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Die strukturellen Wachstumstreiber im Biotech-Sektor sind intakt: Innovationen in Bereichen, wie seltene Erkrankungen oder Onkologie, ein sich belebendes M&A-Umfeld sowie historisch niedrige Bewertungen eröffnen attraktive Einstiegschancen. Gerade Small- und Mid-Caps profitieren vom Innovationsdruck aufgrund massiver Patentabläufe großer Pharmakonzerne. Wer heute antizyklisch investiert, nutzt das Momentum vor dem Hintergrund steigender klinischer Erfolgsdaten und potentiell sinkender Zinsen.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Politische Unsicherheiten in den USA, etwa durch die Most-Favored-Nation-Initiative (MFN) oder FDA-Reformen, führen zu Volatilität und Bewertungsdruck. Auch makroökonomische Belastungen wie hohe Zinsen oder Handelskonflikte können Kapitalflüsse bremsen. Diese Risiken treffen jedoch nicht alle gleich – selektives Stock-Picking wird wichtiger denn je.

Daniel Lyons, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Die wichtigste Wertschöpfungsquelle im Gesundheitswesen liegt unserer Ansicht nach in den Innovationen, die sowohl im Bereich der Biopharmazeutika als auch der Medizinprodukte zu beobachten sind. Diese lassen sich an der Zahl neuer Arzneimittelzulassungen oder am weltweiten Branchenumsatz messen. In beiden Fällen zeigt sich eine anhaltende Dynamik mit zahlreichen Fortschritten, die das künftige Wachstum fördern werden. Zusammen mit den erheblichen Bewertungsabschlägen bei Gesundheitsaktien ergibt sich daraus eine positive langfristige Prognose.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Gesundheitsaktien litten unter Unsicherheiten bei Handel, Regulierung und Arzneimittelpreisen. Positiv: Unter neuer FDA-Führung wurden neue Arzneimittel weiter zugelassen und flexible Regelungen für schnellere Zulassungen für seltene Krankheiten eingeführt, was die Erholung des Biotechnologiesektor förderte. Die Zollpolitik steht noch am Anfang, doch Healthcare-Unternehmen weiten ihre US-Produktion aus, was potenzielle Belastungen mildern könnte. Auch die Arzneimittelpreispolitik entwickelt sich noch. Die Anerkennung des strategischen Werts der Biopharmabranche für die USA im Zuge der Bemühungen um eine weltweite Preisnormalisierung stimmt uns jedoch zuversichtlich. Sobald diese Risiken geklärt sind, dürfte der Gesundheitssektor dank seiner Innovationskraft weiterhin nachhaltig performen.

Martin Todd, Head of Sustainable Equities, Federated Hermes Limited
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Healthcare-Aktien, insbesondere Life Sciences, sind solide für langfristiges Wachstum aufgestellt. Die jüngste Underperformance und die aktuell niedrigeren Bewertungen schaffen eine attraktive Ausgangslage. Die Wachstumstreiber bleiben unverändert: globales Bevölkerungswachstum, steigende Lebenserwartung und zunehmende Belastung durch chronische Erkrankungen. Zudem verändert die Revolution im Bereich der Biologika bestehende Behandlungsparadigmen und eröffnet neue Marktchancen. Unternehmen, die in der Entwicklung biologischer Arzneimittel, im Bereich CDMOs oder bei Life-Science-Tools tätig sind, sind gut positioniert, um zu profitieren. Langfristig birgt KI erhebliches Potenzial, Innovationen in der Branche zu beschleunigen und Fortschritte in der Arzneimittelforschung, Diagnostik und personalisierten Medizin voranzutreiben.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Regulatorische Unsicherheiten, etwa Vorschläge, die US-Arzneimittelpreise an den weltweit niedrigsten Preisen auszurichten, könnten die Ausgaben dämpfen und Innovationen verlangsamen. Auch Handelszölle und Schwächen in den Lieferketten stellen Herausforderungen dar. Der Biotechnologie-Sektor erweist sich dabei als besonders anfällig gegenüber makroökonomischen Veränderungen. Der deutliche Zinsanstieg 2023 führte zu Einschränkungen der Finanzierungsbedingungen, wodurch Innovationen in der Frühphase ins Stocken gerieten und die Volatilität in der gesamten Branche zunahm. Zwar lassen einzelne Belastungsfaktoren nach, doch für eine nachhaltige Stabilisierung sind anhaltende Impulse in den Bereichen Politik, Kapitalflüsse und Nachfrage erforderlich. Das Vertrauen der Anleger bleibt fragil.

Servaas Michielssens, Head of Healthcare, Thematic Global Equity, Candriam
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Das Gesundheitswesen und die Biotechnologiebranche hatten einen schwierigen Start ins Jahr. Sie erreichten im April einen Tiefpunkt, da die Unsicherheit hinsichtlich der US-Politik und negative Schlagzeilen die Bewertungen stark belasteten. Zuletzt sind die Nachrichten jedoch positiver geworden. Klarheit in der Zollpolitik hat einen wichtigen Unsicherheitsfaktor beseitigt, während die Zulassung von Arzneimitteln robust ist – leicht über dem 10-Jahres-Durchschnitt. Das zeigt, dass die FDA trotz Führungswechseln effektiv arbeitet. Zudem verbessert sich das Umfeld durch eine höhere Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen durch die Fed, eine Zunahme der M&A-Aktivitäten und ermutigende Ergebnisse klinischer Studien. Dies schafft ein günstiges Umfeld für eine anhaltende Performance des Sektors.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Das größte Tail-Risiko für den Sektor bleibt die Preisgestaltung für Arzneimittel in den USA. Während sich die Regierung bislang darauf konzentriert hat, die Kosten im Zusammenhang mit Zwischenhändlern zu senken und höhere Preise außerhalb der USA durchzusetzen, könnten die begrenzten Fortschritte in diesen Bereichen zu einer Verlagerung hin zu aggressiveren Maßnahmen führen, die direkt auf Arzneimittelentwickler abzielen. Eine solche politische Kehrtwende würde wahrscheinlich erneuten Druck auf die Biopharmaindustrie ausüben und die Bewertungen des Sektors belasten.

Catherine Tennyson, Portfolio Manager, HealthCare, AXA Investment Managers
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Der Sektor sah sich 2025 infolge politischer Unsicherheiten, besonders in den USA, mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert. Von Zöllen über Personalabbau und Budgetkürzungen bei der DOGE bis zur drohenden Reform der US-Arzneimittelpreise belasteten diese Faktoren die Kursentwicklung der Branche. Dennoch präsentiert sich die Situation weniger düster, als es zunächst erscheinen mag. Mehrere Segmente verzeichneten robustes Gewinnwachstum, während die US-Regierung teils von angekündigten Maßnahmen abrückte. Darüber hinaus bleibt die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen aufgrund des demografischen Trends weiterhin hoch. Trotz kurzfristiger Herausforderungen ist das Gesundheitswesen ein attraktiver Sektor mit nachhaltigem Wachstum und aktuellen Einstiegsmöglichkeiten in spannende Investments.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Der Gesundheitssektor dürfte so lange unter Druck bleiben, bis mehr Klarheit über die politische Entwicklung und die Reform der Arzneimittelpreise in den USA herrscht. Derzeit wird er im Vergleich zum MSCI World Index mit einem deutlichen Abschlag bewertet – aktuell rund 20% auf das erwartete KGV für das kommende Jahr. Dieses Bewertungsniveau entspricht in etwa dem Tiefpunkt während der globalen Finanzkrise 2009. Die historisch niedrige Bewertung deutet darauf hin, dass die meisten Risiken bereits eingepreist sind. Zugleich zeigen sich erste Anzeichen einer Erholung in der Biopharma-Finanzierung, die Produktpipelines bleiben robust, und trotz bestehender Unsicherheiten haben die M&A-Aktivitäten im Biotech- und Pharmasektor wieder zugenommen – ein Signal für den weiterhin intakten fundamentalen Wert der Branche.

Elian Hetzer, Fondsmanager Multi Asset, Helaba Invest
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
In unserem Multi-Asset-Ansatz nutzen wir gezielt Aktiensektoren, um Markttrends abzubilden. Derzeit rückt der europäische Healthcare-Sektor in den Fokus: Er bietet Chancen für eine defensivere Allokation und attraktive relative Bewertungen. Im Vergleich zu anderen defensiven Sektoren ist er bislang deutlich zurückgefallen, belastet vor allem durch idiosynkratische Faktoren und die anhaltenden politischen Tarifstreitigkeiten in den USA. Bei Letzteren dürfte sich - ähnlich wie beim Brexit - mittelfristig die Realpolitik durchsetzen und Raum für positive Marktreaktionen schaffen. Zudem überzeugt der Sektor durch solide Gewinnentwicklungen und robuste Margen, ein Pluspunkt in einem Umfeld anhaltend erhöhter Inflation.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Politische Börsen haben oft kurze Beine. Dennoch bleibt die politische und regulatorische Unsicherheit das zentrale Risiko in diesem Investment Case. So rücken in den USA erneut Reformpläne zur Senkung von Medikamentenpreisen in den Vordergrund. Besonders betroffen wären europäische Healthcare-Unternehmen, die im Branchenvergleich ein besonders hohes Umsatzexposure in den USA aufweisen.
Auch wenn sich die protektionistische Handelspolitik der Trump-Regierung bereits in den Bewertungen widerspiegelt: Verschärfen sich diese Risiken, könnten Gewinnerwartungen und Bewertungen weiter unter Druck geraten. Hinzu kommt: In Europa ist der Sektor stark konzentriert, was die Abhängigkeit von einzelnen Titeln erhöht und das Risiko für Anleger verstärkt.

Kay Eichhorn-Schott, Portfoliomanager, Berenberg
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Der Gesundheitssektor hat den Gesamtmarkt in den letzten 4 Jahren deutlich underperformt und handelt auf historischen Tiefstständen in der relativen Bewertung. Die Gegenwinde nach Corona sind abgebaut, zuletzt belasteten v. a. regulatorische Unsicherheiten in den USA. Den Höhepunkt der Sorgen dürften wir hinter uns haben: EU-Pharmaimporte wurden nur mit 15% Zoll belegt, zudem gab es positive Signale bei der Finanzierung akademischer Institute. Konkrete Schritte zu niedrigeren US-Medikamentenpreisen blieben bislang aus. Analysten erwarten für den Sektor in den kommenden Jahren solides Gewinnwachstum. In Kombination mit der historisch attraktiven Bewertung spricht dies für eine Rückkehr zur Outperformance.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
In den USA fließen knapp 20% des BIP in das Gesundheitswesen – mit seit Jahrzehnten steigendem Trend. Diese Entwicklung gilt als wenig nachhaltig und könnte zu Kürzungen führen. Präsident Trump stellte mit dem „Most Favored Nation“-Konzept (MFN) mögliche Einschnitte in Aussicht. Er kritisiert, dass die USA deutlich mehr als etwa die EU für Medikamente zahlen und damit indirekt ausländische Gesundheitssysteme subventionieren. Kommt es zu Einsparungen, wäre dies ein erheblicher Gegenwind für die Pharmaindustrie. Deren hohe Abhängigkeit von den US-Marktbedingungen ist in den aktuell historisch niedrigen Bewertungen noch nicht vollständig eingepreist. Da die Pharmaindustrie rund 40% der Marktkapitalisierung des US-Gesundheitssektors ausmacht, könnten solche Maßnahmen den gesamten Sektor belasten.

Hendrik Lofruthe, Leiter Portfoliomanagement Healthcare, Apo Asset Management GmbH
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Die Wachstumskräfte im Gesundheitssektor sind ungebrochen stark und die Bewertungen so attraktiv wie lange nicht. Der demografische Wandel sorgt für stetig steigende Nachfrage, bis 2030 soll der globale Gesundheitsmarkt auf rund 30 Billionen US-Dollar ansteigen. Gleichzeitig zeigt sich der Sektor in der Regel weitgehend krisenresistent. Bis Ende des Jahrzehnts dürften die Gewinne im Schnitt jährlich um mehr als 10 Prozent zulegen. Besonders wertvoll sind die beispiellosen Innovationen, mit denen wir auch in Zukunft rechnen – von Künstlicher Intelligenz, Robotik und Diagnostik bis hin zu neuen Therapien in der Biotechnologie. Die Kombination von langfristig guten Gewinnaussichten und historisch günstigen Bewertungen spricht sehr dafür, jetzt in Gesundheit zu investieren.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Die kurzfristigen Unsicherheiten in den USA drückten in diesem Jahr auch die Kurse von Gesundheitsunternehmen. Die politisch angestrebten Preissenkungen würden potenziell vor allem Pharma und Biotechnologie-Unternehmen spüren, die geringeren staatlichen Forschungsbudgets wirken sich bereits jetzt auf Laborausstatter aus. Versicherungen in den USA leiden teilweise unter steigenden Kosten. Doch vieles davon ist in den Kursen bereits eingepreist oder für die Unternehmen verkraftbar. Selbst mögliche Sonderzölle dürfte die Gesundheitsbranche dank hoher Bruttomargen und hoher Priorität im Schnitt relativ gut verkraften.

Vincent Nichols, Investment Specialist, US and Thematic Equity, BNP Paribas Asset Management
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Von innovativen Healthcare-Firmen mit klar erkennbaren, individuellen Wachstumstreibern sind wir auf lange Sicht nach wie vor überzeugt. Die niedrigen Bewertungen bieten eine Sicherheitsmarge, gleichzeitig erwarten wir bei insgesamt schwächerem Wirtschaftswachstum eine Outperformance des Sektors. Für Trumps Pläne, US-Pharmazeutika nach dem Prinzip der „Most Favored Nation“-Preise zu belegen, gibt es beachtliche Hürden. Und auch mögliche Zölle dürften bei schrittweiser Einführung und hohen Lagerbeständen begrenzte Wirkung haben. Die kommenden Monate könnten unruhig bleiben, aber Innovationsdynamik und Nachfrage bleiben hoch und wir dürften verstärkte M&A-Aktivitäten sehen. Nach den zuletzt starken Mittelabflüssen könnte sogar eine scharfe Gegenbewegung in den Bewertungen einsetzen.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Viele der negativen Szenarien sind in den Kursen bereits eingepreist, und dennoch kann dieses Momentum die Kurse kurzfristig weiter nach unten treiben. Aber letztendlich orientieren sich die Aktienpreise an Fundamentaldaten, was gegen größeres Abwärtspotenzial spricht. Möglich wäre allenfalls eine U-förmige Erholung, die sich länger hinzieht als eine schnelle V-förmige. Doch gerade im Vergleich zu anderen überbewerteten Marktsegmenten erscheint das Chancen-Risiko-Profil von Healthcare-Investments aktuell besonders attraktiv.

Steffen Tolzien, Portfoliomanager Global Equities, Metzler Asset Management
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Investitionen in Aktien aus dem Sektor Gesundheitswesen sind aus mehreren Gründen attraktiv. Die Bevölkerung in den Industrieländern altert und viele chronische Erkrankungen zeigen eine deutlich höhere Prävalenz im Alter. Dies führt zu einer steigenden Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen und Medikamenten. Zudem sind Gesundheitsausgaben weitgehend unabhängig von wirtschaftlichen Zyklen. Da Pharmaprodukte einem zeitlich begrenzten Patentschutz unterliegen, wird ständig in Forschung und Entwicklung investiert. Pharmaunternehmen geben etwa 20 Prozent ihres Umsatzes für F& E aus. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Forschung zukünftig deutlich effizienter zu machen. Der Sektor ist historisch betrachtet günstig bewertet und weist einen Abschlag zum Gesamtmarkt auf.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Die Gesundheitssysteme stehen in vielen Ländern unter einem erheblichen Kostendruck und müssen effizienter werden. Dies kann zu Preisdruck bei bestehenden oder neuen Medikamenten führen. Zudem unterliegt der Sektor sehr hohen regulatorischen Anforderungen. Die anhaltenden politischen Unsicherheiten in den USA könnten den Sektor weiterhin belasten. Neben Diskussionen über Einfuhrzölle und Entlassungen bei diversen US-Gesundheitsbehörden, stellen insbesondere Überlegungen zu niedrigeren Medikamentenpreisen ein großes Risiko dar. Der US-Markt ist nicht nur der größte, sondern auch der profitabelste Markt für die Branche – niedrigere Preise könnten die Gewinnmargen strukturell negativ beeinflussen. Allerdings scheint auf dem derzeitigen Bewertungsniveau bereits viel Negatives eingepreist.

Bernd Merkinger, Portfoliomanager Aktien, Kepler Fonds KAG
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Zum einen spielt die Geldpolitik eine Rolle: Sollten die Notenbanken die Zinsen früher als erwartet senken, könnte das insbesondere innovationsgetriebene Bereiche wie Biotech stützen. Zum anderen wird über die Einführung einer Preisobergrenze für Arzneimittel in den USA diskutiert, die sich an internationalen Standards orientieren soll. Ein Vorhaben, das auf erheblichen Widerstand im Gesundheitssektor stößt und für Unsicherheit bei Investoren sorgt. Mehr regulatorische Klarheit in Kombination mit den aktuell historisch niedrigen Bewertungen bietet das Potential für einen Stimmungswechsel.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Sollte die regulatorische Lage in den USA angespannt bleiben, drohen tiefgreifende Eingriffe in die Preisgestaltung von Medikamenten mit potenziell langfristigen Auswirkungen auf die Gewinnmargen. Auch staatliche Sparmaßnahmen könnten forschungsintensive Projekte unter Druck setzen. In Europa und Asien wiederum könnten Handelsbarrieren wie Zölle das Wachstum hemmen. Zwar erscheinen die Bewertungen im Gesundheitssektor historisch betrachtet attraktiv, angesichts der bestehenden Herausforderungen könnte dieses Bewertungsniveau jedoch durchaus gerechtfertigt sein.

Rune Sand-Holm, Portfoliomanager DNB Fund HealthCare, DNB Fund Biotechnology, DNB Asset Management
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Niedrige Bewertungen, solide Fundamentaldaten und mehr Klarheit in Bezug auf die US-Gesundheitspolitik stützen den positiven Ausblick für Gesundheits- und Biotech-Aktien. Ein sich stabilisierendes Finanzierungsumfeld und erste Anzeichen für eine Zunahme der M&A-Aktivitäten verbessern die Stimmung zusätzlich. Strukturell treiben Fortschritte in Bereichen wie Fettleibigkeit, Neurologie oder Immunologie das Wachstum. Hinzu kommen Chancen durch innovative Medizintechnik, KI-gestützte Lösungen, diversifizierte Produktionsstrukturen sowie der Bedarf großer Pharmaunternehmen, ihre Pipelines zu ergänzen – ein Umfeld, das neue Transaktionen begünstigen dürfte.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Risiken ergeben sich aus regulatorischer Unsicherheit, möglichen Verzögerungen bei FDA-Zulassungen, Kürzungen staatlicher Forschungsbudgets sowie zunehmendem Preisdruck durch politische Initiativen in den USA. Schwache klinische Ergebnisse, Sicherheitsprobleme oder negative Rückmeldungen von Behörden können die Bewertung einzelner Titel belasten. Hinzu kommen Finanzierungsprobleme kleiner Biotechs, Belastungen durch potenzielle Zölle, Währungsschwankungen und volatile makroökonomische Rahmenbedingungen. Auch enttäuschende Prognosen oder Rückschläge führender Unternehmen könnten als Auslöser für eine breitere Korrektur im Sektor wirken.

Marcel Fritsch, Leiter Healthcare Fonds & Mandate, Bellevue Asset Management AG
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Der Healthcare-Sektor profitiert von strukturellem Wachstum durch Innovation, Demografie und stabile Cashflows. Aktuell sprechen günstige Bewertungen (rund 20% Abschlag zum globalen Markt), ein historisch niedriges Indexgewicht im S&P 500 sowie eine deutliche Underperformance seit Sommer 2024 für antizyklisches Potenzial. Politische Klarheit bei den Meistbegünstigungs-Regelungen (Most Favoured Nation, MFN) und bei der sogenannten Section-232-Prüfung des US-Handelsgesetzes (eine Untersuchung, ob Importe die nationale Sicherheit beeinträchtigen) dürfte bestehende Unsicherheiten reduzieren. In Verbindung mit möglichen Zinssenkungen und einer konjunkturunabhängigen Nachfrage entsteht damit Spielraum für eine Neubewertung.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Belastungsfaktoren für den Healthcare-Sektor bleiben die politischen und regulatorischen Unsicherheiten in den USA. Neben den MFN-Regelungen sorgt insbesondere die Section-232-Untersuchung zu kritischen Arzneimitteln für Verunsicherung. Zwar gehen wir davon aus, dass die meisten Produkte von Zöllen ausgenommen bleiben oder nur mit moderaten Sätzen belegt werden, dennoch belastet das offene Ergebnis das Sentiment. Auch wenn die endgültigen Beschlüsse voraussichtlich weniger negativ ausfallen als befürchtet, kann die anhaltende Unsicherheit eine Neubewertung verzögern und kurzfristig den Sektor weiter belasten.

Wolfgang Fickus, Produktspezialist, Comgest
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Der Healthcare-Sektor bleibt ein struktureller Wachstumsmarkt – doch gerade in einem anspruchsvollen Umfeld zählt gezielte Auswahl. Abseits klassischer Pharma finden sich attraktive Geschäftsmodelle in Medizintechnik, Diagnostik oder Tiergesundheit – etwa bei Alcon oder Zoetis.
Die demografische Entwicklung und die nicht-diskretionäre Natur medizinischer Versorgung sorgen für stabile Nachfrage. In den USA gab es seit 60 Jahren kein einziges Jahr mit rückläufigen Gesundheitsausgaben. In Europa notieren Biopharma-Unternehmen inzwischen auf einem ähnlichem Bewertungsniveau wie Versorger – die relative Attraktivität steht außer Frage.
Entscheidend bleiben aber Qualität, Vorhersehbarkeit und operative Resilienz.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Healthcare ist kein Selbstläufer. Politische Eingriffe – etwa US-Preiskontrollen oder potenzielle Zölle – belasten Margen und Visibilität. Besonders Pharma litt zuletzt unter der USD-Schwäche, regulatorischem Gegenwind und Einzeltitelrisiken. Diese Sektorverwerfungen erklären einen Großteil der jüngsten Schwäche von Qualitätsaktien, da Pharma, Luxus und Halbleiter über ein Drittel des MSCI Europe Quality ausmachen.
Zugleich befindet sich das Marktumfeld in einer risikofreudigen Spätphase: Gewinne sind hoch, Risikoprämien niedrig, zyklische Assets outperformen. Ein vermeintlich attraktives Bewertungsniveau ersetzt keine strukturelle Substanz – entscheidend bleibt selektives Bottom-up-Investing.

Stefan Wimmer, Portfolio Manager, Lazard Asset Management
Bull-Case: Welche Faktoren sprechen für eine positive Entwicklung von Healthcare- und Biotech-Aktien?
Investoren meiden Unsicherheit, weshalb die Aktienkurse unter Druck stehen – aus unserer Sicht sind die fundamentalen Risiken jedoch moderat und die aktuellen Bewertungen daher attraktiv.
Zölle: Die komplexen Lieferketten erschweren schnelle Maßnahmen; eine Produktionsverlagerung würde Jahre dauern.
Aktuell erscheint ein 15% Zoll auf Markenmedikamente wahrscheinlich – deutlich weniger, als viele befürchtet haben, und für die profitablen Pharmaunternehmen gut verkraftbar.
Die niedrige Bewertung des Gesundheitssektors wird dem enormen Potenzial durch Digitalisierung und KI bei weitem nicht gerecht. In keinem anderen Bereich entstehen so viele Daten, deren Wert bislang kaum genutzt wird.
Wir erwarten, dass Digitalisierung die Behandlungskosten senkt und die Produktivität nachhaltig steigert.
Bear-Case: Welche Risiken könnten die Bewertung von Healthcare- und Biotech-Aktien belasten oder eine Korrektur auslösen?
Die Kritik der US-Regierung an teils hohen Preisunterschieden für Medikamente zwischen den USA und Ländern wie Deutschland trifft einen empfindlichen Punkt bei Investoren – denn sie ist berechtigt. Ähnlich wie im Fall der Verteidigungsausgaben zehrt der deutsche Patient von Forschung und Entwicklung der Pharmaindustrie, deren Kosten größtenteils von US-Patienten getragen werden. Nach jüngsten Berichten zeigt die Lobbyarbeit der Industrie jedoch Wirkung – Pharmaunternehmen richten ihren Fokus zunehmend darauf, Preise im Ausland zu erhöhen, statt die US-Preise zu senken. Entlassungen bei US-Behörden und gekürzte Forschungsgelder könnten langfristig die Vormachtstellung des US-Gesundheitssektors gefährden, der heute rund 70% der Marktkapitalisierung des MSCI World Healthcare Index ausmacht.
Teilnehmer der aktuellen e-fundresearch.com "Bulle oder Bär?" Umfrage
- Thomas Vorlicky, Geschäftsführer der Medical Strategy, Medical Strategy GmbH
- Daniel Lyons, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
- Martin Todd, Head of Sustainable Equities, Federated Hermes Limited
- Servaas Michielssens, Head of Healthcare, Thematic Global Equity, Candriam
- Catherine Tennyson, Portfolio Manager, HealthCare, AXA Investment Managers
- Elian Hetzer, Fondsmanager Multi Asset, Helaba Invest
- Kay Eichhorn-Schott, Portfoliomanager, Berenberg
- Hendrik Lofruthe, Leiter Portfoliomanagement Healthcare, Apo Asset Management GmbH
- Vincent Nichols, Investment Specialist, US and Thematic Equity, BNP Paribas Asset Management
- Steffen Tolzien, Portfoliomanager Global Equities, Metzler Asset Management
- Bernd Merkinger, Portfoliomanager Aktien, Kepler Fonds KAG
- Rune Sand-Holm, Portfoliomanager DNB Fund HealthCare, DNB Fund Biotechnology, DNB Asset Management
- Marcel Fritsch, Leiter Healthcare Fonds & Mandate, Bellevue Asset Management AG
- Wolfgang Fickus, Produktspezialist, Comgest
- Stefan Wimmer, Portfolio Manager, Lazard Asset Management
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16.09.2025 11:00
45 Min.
Adrian Daniel, Frank Schwarz und Jan-Christoph Herbst
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Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung
eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder
Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das
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