Reförmchen statt Reform? Experten zweifeln an Deutschlands Wirtschaftskurs

Milliardenschwere Investitionspakete und der von der Bundesregierung ausgerufene „Herbst der Reformen“ sollen die deutsche Wirtschaft wiederbeleben. Doch führende Ökonomen zeigen sich skeptisch: Ohne tiefgreifende Strukturreformen droht der Aufschwung zu verpuffen, wie eine aktuelle e-fundresearch.com-Umfrage zeigt. Funds | 10.10.2025 10:51 Uhr

Top 3 Insights aus den Expertenmeinungen:

  • Wachstum ohne Fundament:
    Die aktuelle konjunkturelle Belebung basiert fast ausschließlich auf staatlichen Ausgaben – ein selbsttragender Aufschwung durch private Investitionen oder Konsum ist laut Carsten Mumm und Daniel Kerbach bislang nicht erkennbar.

  • Fehlende Strukturreformen als Kernproblem:
    Axel D. Angermann, Edgar Walk und Dr. Felix Schmidt kritisieren, dass es trotz hoher Ausgaben kaum Fortschritte bei zentralen Reformen gibt – etwa beim Bürokratieabbau, in der Steuerpolitik, bei der Digitalisierung und den Sozialversicherungssystemen.

  • Umsetzung und Tempo entscheiden:
    Viele Maßnahmen bleiben auf dem Papier: Genehmigungsverfahren, politische Blockaden und mangelnde Geschwindigkeit gefährden laut mehreren Experten den Reformimpuls. Damit Investitionen wirken, braucht es mehr Tempo, Planungssicherheit und bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen.

Die vollständigen Einschätzungen der Expert:innen lesen Sie hier:

35 Jahre nach der Wiedervereinigung steht Deutschland erneut an einem wirtschaftspolitischen Scheideweg. Die Bundesregierung spricht von einem „Herbst der Reformen“ und hat milliardenschwere Investitionspakete auf den Weg gebracht. Doch reicht dies, um Wachstumskräfte freizusetzen und den Standort langfristig zu stärken?

„Bislang gibt es neue Sonderschulden in Billionenhöhe – Strukturreformen: Fehlanzeige“, warnt Axel D. Angermann, Chefvolkswirt der FERI AG. Andere Experten sehen zwar positive Impulse, zweifeln aber an der Umsetzungsgeschwindigkeit: „Die politische Geschwindigkeit ist jedoch immer langsamer als die gewünschte Geschwindigkeit der Finanzmärkte“, so Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management.

Hoffnungen auf Investitionen, Zweifel an der Wirkung

Ein Teil der Ökonomen sieht in den staatlichen Mehrausgaben eine dringend notwendige Stütze. Dr. Felix Schmidt, Senior Economist bei Berenberg, betont: „Die Lockerung der Schuldenbremse wird die Konjunktur ankurbeln – aber ohne begleitende Reformen droht ein teures Strohfeuer.“

Tipp der Redaktion: Unser "Deep-Dive"-Interview zur deutschen Wirtschaft mit Dr. Daniel Hartmann, Chefvolkswirt der Bantleon AG 

Auch Edgar Walk verweist auf die fehlende Netto-Wirkung: „Autobahnbrücken, Schienen und Breitband erscheinen in den Sondertöpfen, verschwinden aber zeitgleich aus dem Kernhaushalt.“

Reformstau und Standortprobleme

Andere Stimmen äußern sich kritischer und warnen vor einem Reformstau. Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege bei Shareholder Value Management, sieht viele Ankündigungen, aber „die großen Reformen sind bislang nicht erkennbar“.

Noch deutlicher wird Christian Wieschnewski, Portfoliomanager beim Bankhaus Bauer: „Das größte Risiko ist nicht ein Mangel an Programmen, sondern eine Mentalität der Selbstzufriedenheit.“

Auch Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL, dämpft Erwartungen: „Die erwartete konjunkturelle Belebung ist fast ausschließlich auf höhere staatliche Ausgaben zurückzuführen – ein selbsttragender Aufschwung ist nicht absehbar.“

Private Investitionen als Schlüssel

Während die öffentliche Investitionsbereitschaft zunimmt, stehen private Investitionen weiter unter Druck. Dr. Jörg Stotz, Sprecher der Geschäftsführung der HANSAINVEST, verweist auf ein zentrales Problem: „Ein Großteil der privaten Investitionshemmnisse ist hausgemacht – gesetzliche Vorgaben, Steuerlast und Verwaltung.“

Daniel Kerbach, Chief Investment Officer bei BayernInvest, fordert mehr Tempo: „Damit 2026 eine Kehrtwende gelingt, braucht es einen schlagkräftigen Deutschlandfonds, verbindliche Projektlisten und eine befristete Aussetzung bürokratischer Hürden.“

Zwischen Skepsis und Aufbruch

Die Bandbreite der Einschätzungen zeigt, dass Zuversicht und Zweifel dicht nebeneinanderliegen. Während einige Experten Chancen für einen nachhaltigen Aufschwung sehen, überwiegt bei vielen die Sorge, dass Reformen zu langsam greifen und Investitionsmittel versanden.

„Wir brauchen wieder Mut, Tempo und den Willen, Dinge anzupacken“, fasst Christian Wieschnewski zusammen. Ob der „Herbst der Reformen“ tatsächlich zum Wendepunkt wird, bleibt abzuwarten.

Die ungekürzten Meinungen aller befragten Expert:innen finden Sie hier:

 

Teilnehmer der aktuellen e-fundresearch.com #EconomicsForum Umfrage

  • Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege, Shareholder Value Management
  • Dr. Felix Schmidt, Senior Economist, Berenberg
  • Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, Head Investment Management, BayernInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
  • Christian Wieschnewski, Portfoliomanager, Bankhaus Bauer
  • Dr. Jörg Stotz, Sprecher der Geschäftsführung, HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH
  • Carsten Mumm, Chefvolkswirt, DONNER & REUSCHEL
  • Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt, FERI AG
  • Edgar Walk, Chefvolkswirt, Metzler Asset Management

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