e-fundresearch.com: Dem Comgest Growth Europe wird gelegentlich eine französische Home Bias nachgesagt: Was haben Sie diesen Behauptungen entgegenzusetzen?
Franz Weis: Die Behauptung ist schlicht und ergreifend falsch. In unserem europäischen Fondsmanagement-Team sind Franzosen in der deutlichen Unterzahl. Unter anderem mit L’Oreal, Essilor, Dassault Systemes, Iliad, Zodiac oder Hermès befinden sich exzellente Qualitätswachstumstitel im Portfolio. Die relativ niedrige ‚Gewichtung‘ einiger Länder ist eher darauf zurückzuführen, dass wir gewisse Sektoren meiden, etwa den Bankensektor. Es ist demnach schwierig, England ‚überzugewichten‘. Deutschland hat ein relativ starkes Gewicht an zyklischen Konsumgütern durch seine weltmarktführende Automobilindustrie. Hier sind wir nicht exponiert, weil wir keine ‚deutschen‘ Unternehmen möchten. Last but not least hat die Länderzugehörigkeit immer weniger Relevanz, da es hier lediglich um den juristischen Sitz eines Unternehmens geht, nicht aber um seine wirtschaftliche Ausrichtung.
e-fundresearch.com: Abgesehen von Banken & Versicherungen, die von Comgest per se nicht berücksichtig werden: Gibt es innerhalb des Universums europäischer Aktien konkrete Bereiche, die Sie aus Bewertungsgründen derzeit gänzlich meiden?
Franz Weis: Die expansive und unorthodoxe Geldmarktpolitik rund um den Globus macht vor keinem Sektor halt. Der Aktienmarkt ist in seiner Gänze einem Re-Rating unterlegen, das die mittelfristigen Performanceaussichten mindert, denn das Wachstum hat sich ja nicht beschleunigt. Wir halten uns auch von Rohstoffwerten fern, da diese in der Regel von einer Makrogröße abhängen – nämlich Rohstoffpreisen. Laut MSCI ist Linde ein Rohstoffwert, was wir jedoch für ein Fehlurteil halten.
e-fundresearch.com: Welche Rolle spielt die menschliche Komponente in Ihrem Investmentprozess und inwiefern wäre es für Sie vorstellbar, dass sich jener Prozess und die darauf basierende Investmentphilosophie gänzlich durch ein automatisiertes System substituieren lässt?
Franz Weis: Es ist klar, dass eine Maschine Hunderte von Management-Treffen sowie tiefgründige Industrierecherchen nicht ersetzen kann. In unserem Investmentansatz sind quantitative Screens nur ein vernachlässigbar kleiner Teil der Arbeit. Wenn Sie ein Unternehmen über mehrere Jahre beziehungsweise Jahrzehnte kennen, dann wissen sie um dessen Qualität. Die Einschätzung der Management-Qualität ist dabei sehr wesentlich. Die Einschätzung von nicht finanziellen Kriterien in den Bereichen Environment und Social and Governance (ESG) ist ebenfalls sehr wichtig bei der Einordnung der ‚Qualität‘ eines Unternehmens, die letztlich das Wachstum maßgeblich beeinflusst. Bei Comgest ist die ESG-Analyse implizit im Ansatz und explizit im Team mit eigenen Ressourcen versehen. Unsere beiden ESG-Analysten erstellen Ratings, die den unternehmensspezifischen Zinsfuß maßgeblich beeinflussen. Keine Maschine der Welt kann das bewerkstelligen.