e-fundresearch.com: Nach einem starken ersten Quartal und Rückenwind durch das EZB QE-Programm kamen europäische Aktien – nicht zuletzt aufgrund der Grexit-Ängste und der Turbulenzen in China – unter Druck: Ein Umfeld, in dem Qualitätsaktien überzeugen konnten? Sind Fundamentaldaten in den vergangenen Monaten wieder verstärkt in den Fokus der Investoren gerückt?
Franz Weis: Fundamentaldaten stehen letztendlich immer im Fokus der Investoren. Langfristig setzen sich nur Aktien durch, die werthaltig wachsen. Gute Kapitalrenditen, das heißt für Comgest eine Eigenkapitalrendite von mehr als 15 Prozent, verbunden mit doppelstelligem EPS-Wachstum setzen sich letztlich durch. Wie regelmäßig in den vergangenen Jahren zu beobachten war, hat der Kapitalmarkt am Beginn des Jahres eine zyklische Erholung erfahren – untermauert von einem schwachen Euro. Während sich das Makroumfeld in der Tat nach vier schlechten Jahren stabilisiert hat, ist die zweite Ableitung vieler Indikatoren eben nicht positiv. Eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums ist nicht zu erkennen. Dafür ist das Investitionsverhalten der Unternehmen und öffentlichen Haushalte sowie das Konsumverhalten des Privatsektors noch zu verhalten, was angesichts der nach wie vor hohen, wenn auch nicht mehr wachsenden Arbeitslosigkeit sowie der hohen Staatsdefizite auch nicht verwunderlich ist. Das Abflauen der globalen Schwellenländer, die für einige Zeit ein wesentlicher Wachstumstreiber waren, trägt auch nicht zu einer Wachstumsbeschleunigung bei. Im Ergebnis pendelt sich das EPS-Wachstum 2015 für den MSCI Europe auf 4 Prozent ein, nachdem der Index in den vergangenen 4 Jahren regelgerecht stagnierte, was das Gewinnwachstum anbelangt. Zwar ist die Bewertung des MSCI Europe im Laufe der neuerlichen Korrektur auf ein KGV von 14,4 (per close vorgestern) abgeschmolzen, bleibt jedoch immer noch mehr als eine Standardabweichung über seinem zehnjährigen Mittel. Es ist klar, das vor diesem wachstumsarmem Hintergrund Aktien im Vordergrund stehen, die es schaffen, ohne zyklischen Rückenwind aufgrund mikroökonomischer Stärken – insbesondere Innovationskraft und erfolgreiche regionale Expansion – langfristig zu wachsen. Die Liste unserer besten Performer über das schwierige dritte Quartal spricht Bände. Wirecard (mobile Zahlungssysteme), Lindt (Premiumschokolade), Iliad (Low Cost Telekommunikationsanbieter in Frankreich, mit Einschränkungen vergleichbar mit der United Internet) oder Coloplast (künstliche Magen- und Darmausgänge) führen die Performance des Comgest Growth Europe an. Das Gewinnwachstum ist im Gegensatz zum MSCI Europa in den vergangenen 4 bis 5 Jahren regelmäßig doppelstellig gewachsen, was ein solides Fundament für unsere Performance war.
e-fundresearch.com: Schwacher Euro & niedriger Ölpreis: Inwieweit beeinflussen jene Faktoren Ihr Portfolio und welche Ihrer Holdings konnten von diesen Bedingungen bislang am stärksten profitieren?
Franz Weis: Unsere Portfoliozusammensetzung basiert nach wie vor zu 100 Prozent auf der Einzeltitelselektion ohne Sektor- oder Länderallokation. Mit 27 Titeln in unserem Europäischen Mid und Small Cap Produkt, dem Comgest Growth Mid Caps Europe (sechstbester Fonds in seiner Morningstar-Kategorie über 1 Jahr, zweitbester über 5 Jahre, 5 Sterne), kann man auch keine sinnvolle Allokationsentscheidung treffen. Für uns ist entscheidend, ob die Einzeltitel eine Gewichtung von 1 Prozent oder von 8 Prozent haben. Da wir vorhersehbares Gewinnwachstum von mehr als 10 Prozent für die kommenden 5 Jahren anstreben und wir nicht glauben, komplexe makroökonomische Größen wie den Ölpreis oder Währungskurse vorhersehen zu können, halten wir Abstand von Geschäftsmodellen, die diesbezüglich sehr sensitiv sind. Wir fokussieren uns im Übrigen auf das organische Wachstum, das von Währungsschwankungen bereinigt ist. Es lag in unserem europäischen Portfolio in den vergangenen zwei Jahrzehnten regelmäßig um die 7 bis 8 Prozent. Selbst während der Finanzmarktkrise konnte unser Portefeuille 4 Prozent organisches Wachstum aufweisen. Einzig das organische Wachstum kommt mit niedrigen Grenzkosten, ist mithin sehr ertragsreich – auch im Sinne hoher Innenfinanzierung – und sichtbar. Währungen erhöhen lediglich die Schwankungsbreite der veröffentlichten Ergebnisse, sind aber selten oder gar nicht die Basis für eine starke Unternehmensfranchise. Auf Länderebene sei darauf verwiesen, dass Länder mit den schwächsten Wechselkursen (England, Frankreich, Italien vor der Euroeinführung) eine schwache industrielle Basis haben, während Länder mit starken Währungen (der Schweizer Franken hat sich gegenüber dem Pfund über die letzten Jahre verzehnfacht) wie die Schweiz, Japan oder Deutschland (vor Euroeinführung) Weltmarktführer sind und waren. Im ersten Quartal dieses Jahres sind die Umsätze unseres Portfolios um 7 Prozent organisch sowie um 15 Prozent auf berichteter Basis gewachsen. Im ersten Quartal 2014 waren es ebenfalls 7 Prozent organisch, aber nur 4 Prozent auf berichteter Basis. Wir freuen uns über den Eurorückenwind, bauen hierauf aber nicht unsere Titelselektion auf, denn wir können nicht ernsthaft behaupten, den US-Dollar über die kommenden Jahre vorhersehen zu können.