e-fundresearch.com: Herr Böttcher, mit einer Year-to-Date Performance von +14,54% (per 26.04.2018/ IE00BFTW8Y10) konnten Sie bislang sowohl Konkurrenz als auch Referenzindex respektabel hinter sich lassen. Auf welche Positionierungen ist dieser Erfolg primär zurückzuführen?
Stefan Böttcher: Momentaufnahmen sind für uns weniger wichtig: Noch ist das Ende des Jahres nicht erreicht, aber ja, Sie haben recht, aktuell sieht es sehr gut aus. Bei der Länderallokation ist es vor allem die hohe Gewichtung in Saudi-Arabien, die uns stark hilft. Im März kündigte FTSE Russel die Aufnahme Saudi-Arabiens als sekundären Emerging Market in den Emerging Markets Index an und es besteht die Hoffnung, dass MSCI nachzieht. Zudem verhelfen auch die Reformen von Mohammed bin Salman dem Markt zu einer gewissen Aufbruchstimmung. Auf der Unternehmensseite sind es EMIRATES NBD und weiterhin NMC Healthcare die uns bei der (Out)Performance am stärksten geholfen haben. Emirates NBD profitiert von der Erhöhung der Foreign Ownership Limits, also der Begrenzung ausländischen Kapitals und der möglichen Aufnahme in den MSCI Emerging Markets Index (die Limits wurden von 5% auf 20% erhöht).
e-fundresearch.com: Inwiefern war die „Rückkehr der Marktvolatilität“ Anfang Februar auch in den Aktienmärkten der MENA-Region zu spüren? Kam es zu nennenswerten Portfolioanpassungen?
Stefan Böttcher: Nein. Gerade in der Phase begann unser MENA Fonds zu performen. Unsere Beobachtung, dass es Phasen negativer Korrelation gibt, kam uns hier zugute. Immer wieder können wir in den weniger unter Beobachtung von Analysten stehenden Märkten, zumal wenn der Anteil internationaler Investoren so gering ist, Phasen niedriger bis negativer Korrelation erleben. Getrieben durch die Reformen und das mögliche ‚Upgrade‘ Saudi-Arabiens sahen wir starke Kurszuwächse an der Tadawul Stock Exchange.
In unseren Augen sollte das aber nur der Anfang gewesen sein. Schon öfter haben wir diese ‚Upgrade‘-Situationen erlebt. Gerade in Zeiten zuerst aufkommender Phantasie und später durch die neue Indexzugehörigkeit bedingte Mittelzuflüsse können die Märkte höher zweistellig performen. Im Fall von Saudi-Arabien kommt aber die Besonderheit hinzu, dass dieser Markt noch nicht einmal als Frontier Markt eingestuft wird, es ist ein sogenannter nicht klassifizierter Markt, aber der größte und liquideste der aktuell noch „übrig“ ist. Die Tadawul Stock Exchange ist die größte Börse der Region und zudem die diversifizierteste. Da diese Börse aber erst seit 2015 für ausländisches Kapital geöffnet wurde, könnte es zu nie dagewesenen Mittelzuflüssen kommen. Aktuell ist nur 4.5% des Kapitals der Unternehmen an der saudischen Börse im Besitz von Ausländern. In unseren Augen kommen zu dieser einmaligen Konstellation aber noch zwei weitere positive Faktoren hinzu.
- Der höhere Ölpreis (und damit der mögliche positive Haushalt) ist unserer Meinung noch nicht im Markt eingepreist.
- Das Land reformiert sich weg von der Ölabhängigkeit. Das birgt viele Chancen, aber übrigens auch Risiken, was einen selektiven Einstieg in den Markt unabdingbar macht.
e-fundresearch.com: Ende März wurde offiziell verkündet, dass Saudi-Arabien ab März 2019 in den FTSE Russell Emerging Market Index aufgenommen wird: Welchen weiteren Rückenwind erwarten Sie sich durch diese Entscheidung?
Stefan Böttcher: Erstens wird sich die Beteiligungsquote ausländischen Kapitals in Saudi-Arabien erhöhen müssen. Die meisten Emerging Markets Fonds haben kein Saudi-Exposure und müssen sich deshalb nun neu positionieren.
Zweitens ist das nur der erste Schritt. Wichtiger wäre die Ankündigung der Aufnahme durch MSCI im Juni. Hier würden ab 2019 weitere Milliarden nach Saudi-Arabien fließen. Der dritte Punkt ist die Aufwertung der gesamten Region durch die Addition von Saudi-Arabien in den Index. Von einer Gewichtung von nur 2% (Ägypten, Katar, VAE) könnte die Gewichtung der Indices in der MENA-Region (inkl. Saudi Aramco) bei um die 7-8% liegen. Damit wäre diese Region von aktiven Investoren nicht mehr zu ignorieren. Eine nicht-Positionierung wäre, anders als heute, ein hohes aktives Risiko.
e-fundresearch.com: Von Kinoeröffnungen bis zu Frauen am Steuer: Wie beurteilen Sie die jüngsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Saudi-Arabien? Handelt es sich tatsächlich um eine dauerhafte Trendwende?
Stefan Böttcher: Wir verbringen sehr viel Zeit vor Ort. Wir beobachten starke Veränderungen im Straßenbild. Auch die Geschwindigkeit der Ankündigungen und vor allem deren Umsetzungen hat uns überrascht. Auch aus dieser politischen und sozialen Liberalisierung erwächst ein enormes wirtschaftliches Potential. Seit Jahresbeginn sind über 500.000 Gastarbeiter des Landes verwiesen worden. Die sogenannte „Saudisation“ soll die Saudis aus dem Beamtentum in die Privatwirtschaft bringen und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Hier gibt es „Saudi-Quoten“, die die Unternehmen erfüllen müssen. Dieser enorme Strukturwandel begünstigt einige Geschäftsmodelle, die dann für uns attraktive Investitionsmöglichkeiten darstellen.
Ein Unternehmen etwa aus unserem Portfolio ist „Extra“. „Extra“ ist das „Saturn“ Saudi-Arabiens, es ist der einzige Elektrohändler, der sich auf die durch die „Saudisation“ erfolgten Veränderungen eingestellt hat und als Profiteur von den Reformen seine Marktanteile deutlich ausbauen kann.
e-fundresearch.com: Aus Sicht eines Bottom-Up Stock-Pickers: Welche Chancen bietet die MENA-Region abseits von Saudi-Arabien?
Stefan Böttcher: Wir haben einige attraktive Gelegenheiten in Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgemacht
e-fundresearch.com: Welche Entwicklungen und Events sollten Investoren mit Blick auf die MENA-Region im weiteren Jahresverlauf besonders genau im Fokus halten? Wo lauern innerhalb Ihres Anlageuniversums die größten Risiken?
Stefan Böttcher: Es ist vor allem der Juni mit der möglichen Verkündung der Aufnahme Saudis in die MSCI Indices. Es reicht als Fondsmanager aber leider nicht aus, nur 1-2 Termine im Auge zu haben. Gerade in dieser Region mit vielen politischen Konfliktherden ist ein gutes Risikomanagement unabdingbar.