e-fundresearch.com: Herr Lipowski, der von Ihnen gemanagte Anleihefonds Flossbach von Storch – Bond Opportunities konnte Anfang Juni sein 10-jähriges Jubiläum feiern. Für alle jene Leser, denen die Strategie trotz des langjährigen Bestehens noch kein Begriff ist: Können Sie uns Ihren Investmentansatz und die dahinterstehende Philosophie in wenigen Worten beschreiben?
Frank Lipowski: Die Zinsen bleiben niedrig – und das vielleicht viel länger, als es sich die meisten Anleger derzeit vorstellen können. Mit Blick auf die Anlageklasse Anleihen bedeutet das: Nur mit einer wirklich flexiblen, opportunistischen und sehr aktiven Anlagestrategie, die alle Ertragsmöglichkeiten von Anleihen nutzt, lassen sich noch ansprechende Erträge erwirtschaften. Grundlage dafür ist natürlich, dass man in der Lage ist die Risiken gut bewerten zu können. Wir investieren wie ein guter Kaufmann – nur dann, wenn die Chancen die Risiken übersteigen.
e-fundresearch.com: Mit einem Morningstar-5-Sterne Gesamtrating sowie einem Fondsvolumen von mehr als 1,3 Milliarden EUR zählt der Flossbach von Storch – Bond Opportunities (LU0399027613) zu den erfolgreichsten flexiblen Anleihestrategien am Markt: Was sind, Ihrer Meinung nach, die Hauptgründe für diesen Erfolg?
Frank Lipowski: Eigenlob ist nicht unsere Stärke. Wir verstehen uns zuerst als Multi-Asset-Haus, da müssen wir die Anlageklasse Anleihen natürlich beherrschen. Letztlich übertragen wir unsere über Jahrzehnte bewährten Investment-Leitlinien und unser anlagestrategisches Weltbild auf die Anleihewelt. Anleihen sind berechenbarer als Aktien und können dabei helfen, den Wert eines Vermögens zu stabilisieren. Im besten Falle bieten Anleihen langfristigen Anlegern, die temporär auch mal Schwankungen akzeptieren, auch das Potenzial ansprechender Renditen. Genau das ist unser Ziel und daran lassen wir uns messen. Wir versuchen an jedem einzelnen Tag das Beste herauszuholen und investieren unabhängig und antizyklisch.
e-fundresearch.com: Von Zentralbank-Interventionen bis hin zu Negativ-Renditen: Würden Sie sagen, dass der Alltag eines Anleihefondsmanagers in den letzten 10-Jahren frustrierender geworden ist? In welchem Ausmaß haben Sie und Ihre Kollegen sich in diesem Umfeld selbst weiter entwickeln müssen?
Frank Lipowski: Frustrierend? Es gilt doch wohl eher das Gegenteil: Unser Alltag ist wesentlich spannender geworden. Früher wurden Anleihen mal erworben, um regelmäßige und planbare Zinserträge zu erzielen. Man kaufte, kassierte die Kupons und hielt die Papiere bis zur Fälligkeit. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die Turnover-Ratio liegt bei unserem Anleiheportfolio deutlich höher als bei unseren Aktienportfolios. Die Portfoliomanager – und damit meine ich das ganze Team – werden heute mehr gefordert als je zuvor. Und Jammern ist ja auch keine Lösung.
e-fundresearch.com: Mit Ihrem flexiblen Investmentmandat genießen Sie viele Freiheitsgrade: Wie nutzen Sie diese Freiheiten im aktuellen Umfeld konkret aus? Wo erkennen Sie derzeit vielversprechende Opportunitäten?
Frank Lipowski: Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Ende 2018 zogen die Risikoaufschläge von Anleihen solider Emittenten kräftig an, ohne dass sich die Ausfallwahrscheinlichkeiten nennenswert änderten. Es kam zu einem Abverkauf von Marktteilnehmern, die ihre Verluste vor Jahresfrist begrenzen wollten. Gute Zeiten für antizyklische Anleger, denn zum Jahresanfang kehrte sich der Trend um. Wir gingen mit einer Kasseposition von fast 20 Prozent in die Korrektur und waren zum Jahreswechsel beinahe voll investiert. An der Rally konnten wir gut partizipieren und haben Gewinne mitgenommen.
e-fundresearch.com: Wo erkennen Sie derzeit vielversprechende Opportunitäten?
Frank Lipowski: Seit Anfang dieses Jahres haben sich nahezu alle Anlageklassen sehr positiv entwickelt. Wenn alle in eine Richtung laufen, werden wir eher vorsichtig. Das Portfolio haben wir zuletzt neutraler aufgestellt, der Anteil von High Yield Bonds befindet sich beispielsweise auf den niedrigsten Stand seit Jahren. Mit einer Kasseposition von derzeit gut 10 Prozent sind wir flexibel genug, sich bietende Chancen zu nutzen. Zuletzt haben wir den Anteil an sogenannten marktneutralen Investmentideen ausgebaut und mehr Aktivität in Sachen Duration gezeigt.
e-fundresearch.com: Mit Blick auf die Credit-Märkte war in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Abnahme der Emissionsqualität zu beobachten – insbesondere der hohe Anteil an Triple-B Emissionen, also Anleihen, die nur ein Downgrade vom High-Yield Status entfernt sind, bereitet so manchem Beobachter Bauchschmerzen: Wie nehmen Sie diese Entwicklungen wahr?
Frank Lipowski: Ehrlich gesagt hat dieses Thema für uns nicht die größte Priorität. Wir investieren nicht nur mit Blick auf die gängigen Ratings, sondern selektiv und nur nach sorgfältiger Analyse unserer hauseigenen Analysten. Die Diskussionen über „Debt-Walls“ sind natürlich ein Evergreen. Wir nennen so etwas „Noise“, ein Phänomen, was lautstark diskutiert wird, die Märkte letztlich aber nicht fundamental bewegt. Kaum jemand denkt etwa darüber nach, wohin die Flucht aus Krediten schwächerer Bonität denn führen soll. Die traditionellen Zufluchtsorte wirken derzeit nicht sehr attraktiv, vor allem mit Blick auf Qualitäten und mögliche Renditen.
e-fundresearch.com: Die Zinswende dürfte kommen – nur eben noch weiter nach unten, und nicht wie von vielen Sparern erhofft nach oben: Ist die „Japanifizierung“ Europas damit nun endgültig besiegelt?
Frank Lipowski: Ich würde sogar noch weiter gehen. Deutsche Bundesanleihen rentieren schwächer als ihre Pendants in Japan. Nicht nur bei kurzen Laufzeiten, auch über die gesamte Bandbreite. Nun schauen nicht mehr die Europäer auf die „Japanisierung“ ihrer Zinslandschaft – die Japaner schauen auf Europa.
e-fundresearch.com: Wie wollen Sie in einem derartigen Umfeld weiterhin Mehrwert generieren?
Frank Lipowski: Anleger müssen in so einem Umfeld das gesamte Ertragspotenzial von Anleihen nutzen. Das kann neben der jährlichen Rendite beispielsweise auch aus möglichen Kursgewinnen nach Bonitätsverbesserung oder Änderungen des Zinsniveaus bestehen. Die Anlagemöglichkeiten sind bei Anleihen vielfältiger als bei Aktien. Staaten begeben Anleihen, aber keine Aktien. Und bei einzelnen Unternehmen können Sie aus einer Vielzahl von unterschiedlichsten Anleiheausgestaltungen wählen, während es bei Aktien bestenfalls Vorzüge und Stämme gibt. Hinzu kommen die verschiedenen Laufzeiten und Währungen. Etwas flapsig formuliert gleicht der Anleihenmarkt einem Abenteuerspielplatz, während sie bei Aktien nur eine Schaukel haben. Wir nutzen das ganze Spielfeld und da gibt es, neben gut kalkulierbaren Risiken, auch viele Chancen, die wir opportunitisch nutzen möchten.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lipowski!
Frank Lipowski absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Colorado und Frankfurt School of Finance & Management. Von 2003 bis 2007 war Frank Lipowski Trainee im Portfolio Management bei Lupus alpha Asset Management in Frankfurt. In den Jahren 2007 bis 2008 war er im Portfolio Management und Execution Desk bei der Partners Group AG in der Schweiz.