e-fundresearch.com: Herr Romig, vielen Dank, dass Sie sich am Tag nach der US-Wahl die Zeit für ein Gespräch nehmen. Die US-Wahlen 2024 haben, wie erwartet, auch bei professionellen Marktteilnehmern große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch bevor wir über die konkreten Ergebnisse und Auswirkungen der Wahlen sprechen, lassen Sie uns noch einen Schritt zurück gehen: Inwieweit haben Sie Ihre Multi-Asset-Strategien speziell auf die möglichen Szenarien vorbereitet? Ist es für Sie als Multi-Asset-Manager überhaupt ratsam, Positionierungen in Erwartung politischer Ereignisse anzupassen? Bekanntlich haben politische Börsen ja nur kurze Beine...
Thomas Romig: Wir haben uns eher auf das mittelfristige Bild konzentriert und unsere Portfolioausrichtung entsprechend beibehalten. Das bedeutet: ein Fokus auf globales Wirtschaftswachstum und politische Unterstützung, unabhängig davon, welcher Kandidat gewinnt. Zuletzt haben wir gesehen, dass China mit einem Stimulus-Paket auf die konjunkturellen Herausforderungen reagiert hat. Wir gingen davon aus, dass auch in den USA von beiden Kandidaten wirtschaftliche Impulse ausgehen würden, wenn auch in unterschiedlicher Form. Natürlich hängt viel von der Zusammensetzung des Kongresses ab, die letztlich die Handlungsspielräume des Präsidenten beeinflusst. Unser Portfolio bleibt daher eher risk-on positioniert – das heißt Aktien long und bei Anleihen in kurzer Duration, da wir das Inflationsthema noch nicht als abgeschlossen betrachten. Unsere Strategie setzt also auf mittelfristige Chancen und lässt sich von kurzfristigen Schwankungen rund um die Wahl nicht aus der Ruhe bringen.
e-fundresearch.com: Das Wahlergebnis ist eindeutig zugunsten von Trump ausgefallen, was wohl die Unsicherheit verringert. Inwieweit sehen Sie in dieser Klarheit des Ergebnisses eine Entlastung für die Märkte? Gibt es spezifische Faktoren, die das Marktumfeld nun stabilisieren könnten?
Thomas Romig: Ein klares Wahlergebnis ist genau das, was sich viele Marktteilnehmer erhofft hatten, weil es Unsicherheit aus dem Markt nimmt. In den letzten zwei bis drei Wochen vor der Wahl hatten wir eine hohe Volatilität, besonders auf den Rentenmärkten, und die Aktienmärkte haben eine gewisse Konsolidierung erfahren. Die Entscheidung zugunsten der Republikaner und einer neuen Trump-Administration schafft nun Stabilität – unabhängig von der politischen Meinung dazu. Eine klare Richtung gibt den Märkten die Möglichkeit, zu planen und sich klar zu positionieren. Auch Europa könnte von einer solchen Eindeutigkeit profitieren, denn hier fehlt es momentan an klarer Orientierung. Für die US-Märkte und die globalen Märkte ist diese Stabilität eine Art Beruhigungspille.
e-fundresearch.com: Die Märkte hatten in den vergangenen Wochen eine Art vorgezogene Jahresendrallye gezeigt. Vor diesem Hintergrund: Welche Erwartungen haben Sie nun nach der Wahl? Ist das Kurspotenzial durch die Vorwegnahme bereits ausgeschöpft, oder sehen Sie weiteres Aufwärtspotenzial? Gibt es konkrete Überlegungen, Ihre Allokation kurzfristig anzupassen?
Thomas Romig: Unsere grundsätzliche Ausrichtung bleibt positiv, da das Jahr bisher von großer Skepsis geprägt war und wir jetzt nach der US-Wahl eine deutliche Erleichterung sehen. Es wird aber noch einige Tage dauern, bis institutionelle und private Investoren ihre Entscheidungen entsprechend angepasst haben, was zusätzlichen Auftrieb geben könnte. Die Aktien- und Kreditmärkte sehen wir weiter positiv, da hier auch längerfristig Potenzial besteht. Bei Staatsanleihen und der Duration sind wir allerdings weiterhin vorsichtig, da wir das Inflationsniveau anders bewerten als die Notenbanken. Unsere chancenorientierte Positionierung entspricht unserer aktuellen Markteinschätzung, weshalb wir momentan keine größeren Anpassungen planen. Gleichzeitig behalten wir die Märkte im Auge und bleiben flexibel, um das Portfolio bei Bedarf dynamisch anzupassen.
e-fundresearch.com: Lassen Sie uns abschließend über Europa sprechen. Vor dem Hintergrund des klaren Ergebnisses in den USA: Welche Risiken sehen Sie für Europa im aktuellen Umfeld, und wo sehen Sie möglicherweise auch Chancen?
Thomas Romig: Politisch gesehen steht Europa momentan besonders unter Druck. China hat kürzlich mit einem Stimulus-Paket auf wirtschaftliche Herausforderungen reagiert, und die USA haben mit der Wahl ein klares Signal gesendet, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen. Das erhöht den Druck auf Europa, wo es aktuell eine gewisse Starre gibt. Das größte Risiko für Europa ist meiner Meinung nach, dass wir im globalen Wettbewerb nicht mithalten und wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten könnten.
Diese Situation birgt jedoch auch eine Chance: Europa könnte von den Erfahrungen und den entschlossenen Schritten der anderen großen Volkswirtschaften lernen und die dringend benötigten Impulse setzen. Es besteht großes Potenzial, durch entschlossene Maßnahmen und strukturelle Reformen eine wettbewerbsfähigere und stabilere wirtschaftliche Grundlage zu schaffen. Wenn Europa jetzt mutige Entscheidungen trifft und die nötigen Schritte einleitet, könnte es sogar gestärkt aus der aktuellen Unsicherheit hervorgehen. Der Handlungsdruck bietet eine echte Gelegenheit, die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Wirtschaft zu stärken.
e-fundresearch.com: Vielen Dank, Herr Romig, für Ihre Einblicke.