e-fundresearch.com: Frau Ward, auch wenn wir uns bereits Ende Januar befinden, lohnt ein Ausblick auf das Jahr 2025. Wie sieht Ihr Basisszenario für die Kapitalmärkte aus, und in welchen Bereichen weichen Sie von den aktuellen Markterwartungen ab?
Karen Ward: Vielen Dank für die Frage. Ich denke, 2025 wird deutlich turbulenter, als wir es in den letzten Jahren erlebt haben. Die vergangenen Jahre waren zwar insgesamt gute Jahre, aber die Volatilität war außergewöhnlich niedrig. Mit der Rückkehr von Präsident Trump und einigen geopolitischen Spannungen erwarte ich, dass uns ein turbulentes Jahr bevorsteht. Dennoch glaube ich, dass wir das Jahr mit soliden Ergebnissen auf den Risikomärkten abschließen werden. Die Bewertungen sind schon recht hoch, die Märkte sind also relativ optimistisch eingestellt.
Was die Abweichungen vom Konsens betrifft: Ich versuche aktuell, unseren Kunden klarzumachen, dass sie gegen ihren Instinkt handeln sollten. Die Rückkehr von Trump und sein „Make America Great Again“-Programm lenken den Fokus auf die USA. Aber wir müssen uns daran erinnern, dass die Erwartungen dort bereits sehr hoch sind – sowohl in Bezug auf die Unternehmensgewinne als auch auf die Bewertungen.
Vielleicht sollten wir uns stattdessen Regionen ansehen, in denen die Erwartungen niedriger sind und Überraschungspotenzial besteht. Genau deshalb bin ich wahrscheinlich optimistischer für Europa als viele meiner Kollegen. Ich denke, wir werden hier mehr Stimulus sehen, was die Wirtschaft unterstützen wird. Die EZB wird wahrscheinlich die Zinsen senken, da die Inflation unter Kontrolle kommt. Und ich erwarte auch eine etwas lockerere Fiskalpolitik, besonders nach den deutschen Wahlen, sowie regulatorische Anpassungen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken könnten. Diese Kombination könnte dazu führen, dass Europa positiv überrascht.
e-fundresearch.com: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass der sogenannte „Trump Trade 2.0“ bereits vollständig in den Märkten reflektiert ist?
Karen Ward: Ja, das sehe ich so. Die Märkte haben viele Erwartungen an Trumps politische Agenda – insbesondere in Bezug auf Steuern, Handel und Migration – bereits eingepreist. Dennoch glaube ich, dass die tatsächlichen Maßnahmen weniger umfassend und aggressiv ausfallen könnten, als viele Investoren derzeit annehmen.
Die hohen Defizite in den USA schränken beispielsweise den Spielraum für Steuersenkungen erheblich ein. Auch eine breite Einführung von Zollerhöhungen birgt Risiken, da diese die Inflation in den USA wieder anfachen könnten. Solche Maßnahmen wären für die Wirtschaft kontraproduktiv und würden insbesondere die Märkte beunruhigen. Ich erwarte daher eine gezieltere Vorgehensweise bei Trumps Handelspolitik, die sich auf einzelne Handelspartner konzentrieren könnte.
e-fundresearch.com: Könnte ein volatileres Jahr 2025 ein vorteilhafteres Umfeld für Stock-Picker und aktives Management bieten, oder handelt es sich dabei lediglich um ein gängiges Argument der Branche?
Karen Ward: Das hängt stark von den Dynamiken im Technologiesektor ab, der aktuell die Märkte dominiert. Während passive Investitionen zuletzt von den Gewinnen weniger Technologieunternehmen profitiert haben, befinden wir uns nun an einem Wendepunkt. In dieser Phase wird es entscheidend, zwischen Gewinnern und Verlierern im Tech-Sektor zu unterscheiden.
Historisch betrachtet neigen Märkte dazu, die Innovatoren zu überschätzen und die Anwender dieser Technologien zu unterschätzen. Ein gutes Beispiel ist die Dotcom-Blase: Während die Infrastrukturunternehmen überschätzt wurden, waren es letztlich Unternehmen wie Amazon, die langfristig profitieren konnten. Aktives Management wird in dieser Phase essenziell sein, um die Unternehmen zu identifizieren, die neue Technologien erfolgreich einsetzen und daraus nachhaltige Gewinne erzielen können.
e-fundresearch.com: Welche spezifischen Risiken sehen Sie aktuell, die vom Markt möglicherweise nicht ausreichend beachtet werden und Ihnen größere Sorgen bereiten?
Karen Ward: Als größtes Risiko sehen wir eine Wiederbelebung der Inflation an. Die Marktrallyes der letzten 18 Monate basieren auf der Annahme, dass Inflationsprobleme weitgehend hinter uns liegen. Sollte die Inflation jedoch erneut anziehen, sei es durch unerwartete Entwicklungen bei Zöllen oder geopolitischen Spannungen, könnte dies eine riskante Situation schaffen – sowohl für Aktien- als auch für Anleihemärkte.
Ein potenzielles Risiko besteht in einer Schwächung der politischen Zusammenarbeit innerhalb Europas, beispielsweise zwischen Deutschland und Frankreich. Sollten nach den Wahlen in diesen beiden Kernländern Spannungen oder gar ein Bruch in ihrer Zusammenarbeit entstehen, könnte dies nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität Europas belasten.
Ein weiteres Thema ist die aktuelle Abhängigkeit der Märkte von einigen wenigen Technologieunternehmen. Diese Unternehmen haben in den letzten Jahren mit außergewöhnlichen Ergebnissen überzeugt, doch die Erwartungen sind inzwischen extrem hoch. Schon kleinere Enttäuschungen könnten hier zu erheblichen Korrekturen führen. Die Märkte erwarten makellose Ergebnisse, und das macht sie anfällig.
e-fundresearch.com: Könnten Sie konkretisieren, welche Strategien Sie im Bereich alternativer Anlagen für ein Umfeld mit potenziell höherer Inflation empfehlen würden?
Karen Ward: Investoren mussten sich über viele Jahre hinweg keine Sorgen um die Inflation machen. Viele unserer Kunden haben ihre gesamte Karriere in einem Umfeld niedriger Inflation verbracht. Doch die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Inflation episodisch, also in Schüben, auftreten oder sich schleichend und hartnäckig entwickeln kann. In beiden Fällen ist ein effektiver Schutz unerlässlich.
Wenn man betrachtet, welche Anlagen langfristig den besten Inflationsschutz bieten, stehen reale Vermögenswerte an vorderster Stelle. Dazu gehören beispielsweise Transport- und Kerninfrastrukturanlagen. Solche Investments zeichnen sich oft durch Verträge aus, die direkt an die Inflation gekoppelt sind, sodass steigende Kosten weitergegeben und die Rendite inflationsgeschützt bleibt.
Auch Waldflächen zählen zu diesen Schutzmechanismen. Lösungen in diesem Bereich gehen mit Herausforderungen wie Knappheit und eingeschränkter Liquidität einher und waren bisher zumeist ausschließlich institutionellen Investoren vorbehalten. Mit dem ELTIF ist nun eine Demokratisierung der Alternativen Anlageklassen möglich und so können auch andere Anlegergruppen auf diese zugreifen. Die genannten Nachteile haben ihren Preis, doch der Inflationsschutz rechtfertigt die Investition.
Ich bin überzeugt, dass die nächsten 20 Jahre ganz anders aussehen werden als die vergangenen zwei Jahrzehnte. Wir werden mit einer hartnäckigeren und wiederkehrenden Inflation konfrontiert sein. Daher ist es entscheidend, ein Portfolio aufzubauen, das auf diese Herausforderung abgestimmt ist. Das erfordert einen völlig neuen Ansatz im Vergleich zu dem, was vor fünf oder zehn Jahren noch ausreichte.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für diese wertvollen Einblicke, Frau Ward!