e-fundresearch.com: Frau Greil-Castro, was hat Sie dazu bewogen, eine Karriere in der Finanzbranche und speziell im Asset Management anzustreben?
Tatjana Greil-Castro: Das kam eigentlich relativ spät. Ich habe Volkswirtschaft studiert, zunächst in Wien, und komme ursprünglich eher aus einer philosophischen Richtung. Für mich ist Volkswirtschaft weniger eine Naturwissenschaft, sondern vielmehr eine Philosophie darüber, wie Menschen zusammenleben. Das hat mich sehr interessiert und ich habe dieses Fach an drei oder vier verschiedenen Universitäten intensiv studiert.
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Während meiner Zeit am Institut für Weltwirtschaft in Kiel war ich von Kolleginnen und Kollegen umgeben, die mehrheitlich ins Investmentbanking oder zu Zentralbanken gehen wollten. So bin auch ich auf diese Richtung aufmerksam geworden. Mein erster beruflicher Schritt führte mich dann tatsächlich ins Investmentbanking, später ins Research und schließlich ins Asset Management.
Der eigentliche Wechsel ins Portfolio Management kam aber eher zufällig. Ich war damals im Investmentbanking als Analystin für Internet- und Telekom-Unternehmen tätig, also mitten in der Zeit der Internetblase 2001. Viele dieser Firmen gingen bankrott, dann kam der 11. September, und rund ein Drittel der Belegschaft wurde abgebaut. Ich war ebenfalls betroffen, bekam aber innerhalb einer Woche ein Angebot als Portfoliomanagerin. Diese Rolle passte perfekt zu meinem Charakter und zu meiner Ausbildung. So bin ich ins Portfolio Management hineingerutscht.
e-fundresearch.com: Gab es Vorbilder oder Schlüsselpersonen, die Sie inspiriert oder beeinflusst haben? Wie haben diese Ihre berufliche Orientierung und Ihre Ansichten über die Branche geformt?
Tatjana Greil-Castro: Ich erinnere mich an eine Dame, leider weiß ich ihren Namen nicht mehr, die mir in Konferenzen sehr aufgefallen ist. Sie war ausgesprochen direkt, hat ihre Meinung offen ausgesprochen und sich kein Blatt vor den Mund genommen. Das hat mich beeindruckt. Natürlich habe ich auch von vielen männlichen Kollegen gelernt. Insgesamt sind für mich die Menschen Vorbilder, die authentisch bleiben, ehrlich sprechen und zu ihren Überzeugungen stehen. Das ist etwas, das ich mir bis heute bewahrt habe.
e-fundresearch.com: Welche spezifischen Hindernisse oder Herausforderungen haben Sie in Ihrer Laufbahn im Asset Management erlebt, und wie haben Sie Strategien entwickelt, um diese erfolgreich zu überwinden?
Tatjana Greil-Castro: Da gab es im Laufe der Jahre durchaus einige. Ich erinnere mich, dass ich mir einmal ein Buch mit dem Titel „Crucial Confrontations“ gekauft habe. Das beschreibt das Spannungsfeld ganz gut. Es gibt im Berufsleben immer wieder Neider oder Menschen mit einer sehr engen Sichtweise. Solche Personen tun sich oft schwer mit Menschen, die anders denken, und versuchen, diese Schwierigkeiten auf andere zu projizieren.
Ich habe solche Situationen früher oft still auf mich genommen und geglaubt, ich müsse sie selbst lösen, obwohl das eigentliche Problem gar nicht bei mir lag. Das musste ich erst lernen: zu erkennen, wann ich wirklich Teil des Problems bin und wann nicht. Diese Unterscheidung ist wichtig, und sie hilft, klarer zu kommunizieren und Grenzen zu setzen. Natürlich macht man Fehler, aber man wächst daran.
Ich hatte im Laufe der Zeit auch viel Unterstützung. Die wichtigste kam immer von Kundinnen und Kunden, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, ihr Vermögen zu verwalten. Das ist letztlich die größte Anerkennung, die man in diesem Beruf bekommen kann.
e-fundresearch.com: Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die noch am Beginn ihrer Karriere im Asset Management stehen?
Tatjana Greil-Castro: Zunächst einmal: Es ist ein extrem spannendes Berufsfeld, in dem man sich wirklich austoben kann. Gerade die Arbeit mit Kunden ist unglaublich bereichernd, zuzuhören, was ihnen wichtig ist, was sie erwarten, und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die genau darauf zugeschnitten sind.
Dabei geht es vor allem darum, aufmerksam zu sein und ehrlich zu kommunizieren: Was kann man leisten, was nicht? Wie lässt sich etwas strukturieren, damit es den Kundenbedürfnissen gerecht wird? Dieses feine Gespür für das Gegenüber, verbunden mit analytischem und strategischem Denken, macht für mich den Reiz des Asset Managements aus. Es ist sehr erfüllend, Menschen Verantwortung abzunehmen und ihnen etwas anbieten zu können, das wirklich zu ihren Zielen passt.
e-fundresearch.com: Welche Vorteile sehen Sie darin, dass mehr Frauen in Führungspositionen in der Asset Management Branche vertreten sind?
Tatjana Greil-Castro: Was ich beobachte, ist, dass Männer oft sehr gut darin sind, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Das ist sehr wertvoll. Gleichzeitig kann es passieren, dass dabei der Blick für das große Ganze etwas verloren geht.
Deshalb halte ich es für wichtig, wenn in Teams unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Dann kann man sich gegenseitig immer wieder fragen: Warum machen wir das? Macht es im größeren Zusammenhang Sinn?
Solche Gespräche und Reflexionen sind entscheidend, um gute Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es nicht nur um Geschlechtervielfalt, sondern ganz allgemein um Vielfalt im Denken und um unterschiedliche Sichtweisen. Teams, in denen verschiedene Ansätze zugelassen und gehört werden, sind offener, reflektierter und letztlich erfolgreicher.
e-fundresearch.com: Und wie können Unternehmen dazu beitragen, eine diverse und inklusive Kultur noch stärker zu fördern?
Tatjana Greil-Castro: Indem sie Leistung und Ergebnisse objektiv wertschätzen. Wenn jemand gute Arbeit leistet, sollte das unabhängig vom Geschlecht anerkannt werden. Und wenn eine Frau etwas sagt, das vielleicht unkonventionell klingt, sollte man genau hinhören. Vielleicht ist es genau das, was das Unternehmen in dem Moment braucht.
Zudem finde ich, dass man berücksichtigen sollte, wie viele Frauen verschiedene Rollen gleichzeitig ausfüllen, beruflich und privat. Wer Familie und Beruf managt, muss zwangsläufig sehr effizient denken und handeln. Diese Fähigkeiten sind im Arbeitsumfeld unglaublich wertvoll.
Es geht letztlich darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Menschen, egal ob Frauen oder Männer, wohlfühlen, ernst genommen werden und ihr Potenzial entfalten können. Offenheit und Vertrauen sind dafür die Grundlage.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für die persönlichen Einblicke, Frau Greil-Castro!
Über Tatjana Greil-Castro
Tatjana Greil-Castro ist Co-Head Public Markets und Portfolio Managerin bei Muzinich & Co., wo sie seit 2007 tätig ist. Zuvor arbeitete sie bei MetLife, Fortis Investments und Legal & General. Sie hat einen M.Sc./B.S. in Economics von der Universität Wien, einen Master vom Kiel Institute of World Economics sowie einen Ph.D. der London School of Economics
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