Dass der Regierung Conte kein langes Leben beschieden sein könnte, das haben wir ja schon letzte Woche gemutmaßt, aber dass sie sozusagen in Utero abgesagt wird, das ist selbst für italienische Verhältnisse recht sportlich. Die Märkte hat´s jedenfalls einmal ordentlich geschüttelt. Wie es scheint denken einzelne Marktteilnehmer darüber nach, ob man nicht auch innerhalb Europas differenzieren müsste in welchen Schuldner man investiert. Was für eine Erkenntnis. :-) Jedenfalls zahlt die italienische Zweijährige heute Morgen rund 3,0% mehr als die vergleichbare deutsche Anleihe, im zehnjährigen Bereich sind es dagegen nur rund 2,7%.
Ist das jetzt fair? - Muss sich der geneigte Beobachter natürlich fragen. Das lässt sich wohl eindeutig mit nein beantworten, sowohl im grundsätzlichen, als auch auf die italienischen Staatsanleihen bezogen. ;-) Weil, entweder Deutschland zahlt am Ende alles, dann sind die Spreads zu weit, oder jeder ist für die Rückzahlung seiner Schulden selbst verantwortlich, dann liegt noch ziemlich viel Schmerz vor uns. Dass das Risiko für zweijährige Anleihen offensichtlich höher eingestuft wird, als für länger laufende, kann eigentlich nur daran liegen, dass hier der üblicherweise angestellte Portfoliomanager bei der durchschnittlichen Pensionskasse etc. sich denkt, wenn Italien seine Bonds restrukturieren muss, dann kann ich mir ohnehin einen neuen Job außerhalb der Finanzindustrie suchen, womit sie/er leider wahrscheinlich recht hat. Unser stehender Satz im Jahr 2007 als die Bawag ein Bisserl ;-) unter Druck geraten ist, war damals: Wir beobachten die Geschichte mit professioneller Gelassenheit.
Tatsächlich ist, was immer man jetzt (erst) tut (sofern es um eine Benchmark Allocation geht) mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso falsch. Geht man nämlich davon aus, das sich alles irgendwie lösen wird – und die EU hat erstaunlicherweise einen ganz guten Trackrecord beim Durchwurschteln – ist es jetzt schon ein Bisserl spät zu agieren und sich die Verluste einzusperren. Sollte in letzter Konsequenz Italien umfallen, dann wäre das wohl auch überregional recht unangenehm und das nicht nur für die Finanzindustrie und ihr Humankapital, um diesem schönen neo-liberalen Wort wieder einmal die Ehre zu geben, sondern für ganz Europa in all seinen Facetten. Als korrespondierende Periode in der Geschichte fällt mir spontan nur das Mittelalter ein… :-)
Aber noch ist´s nicht soweit! Was markt-psychologisch erschwerend dazu kommt, ist, dass die Risiko-Aversion zuletzt spürbar angestiegen ist und Italien, wie auch immer die Geschichte letztlich ausgehen wird, unter Umständen nur der Trigger ist, um endlich Positionen, die schon länger, ob ihrer vielleicht nicht mehr ganz attraktiven Bewertungen auf der Abschlussliste gestanden sind, endlich zu geben. Naja, und Mai ist auch noch….
Wollte man jetzt das Positive suchen, dass eine kurzfristige Relief-Rally auslösen könnte, fällt das aktuell gar nicht so leicht. (Nicht nur mir ;-)) Die Konjunktur ist sowohl in den USA auch in Europa, wiewohl schon in einem späten Stadion, dennoch weiterhin recht robust, die Arbeitslosigkeit ist weiterhin niedrig und die Unternehmensgewinne schauen auch stabil aus. Was allerdings schwer fällt ist für die nächsten zwölf bis achtzehn Monate eine Verbesserung zu sehen, die die Märkte weiter stützen könnte. Die FED hat ihren Job gemacht und hätte zumindest potentiell ein Bisserl Feuerkraft, die EZB ist wahrscheinlich mehrere Jahre hinter der Kurve…. Europa ist als Staatenbund unregierbar, die USA unter Trump sind uneinschätzbar. Was bleibt dann noch? China!? Ob das reicht……?
Tanz, Tanz, Tanz von der EAV (www.verunsicherung.de/diskografie/songs/tanz_tanz_tanz.html) ist bekannt? – Der Soundtrack zum Markt…. :-)
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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