"Die nächste Turnaround-Geschichte" | Alternatives-Experte Roth über Griechenland

Griechenland ging durch eine langwierige und schmerzhafte Ära der Sparsamkeit unter der Schirmherrschaft der Troika. Nun hat das Land mit der Wahl von Kyriakos Mitsokakis im Juli endlich ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufgeschlagen. Markets | 20.08.2019 10:48 Uhr
Nicolas Roth, Head of Alternative Assets, REYL & Cie / © REYL & Cie
Nicolas Roth, Head of Alternative Assets, REYL & Cie / © REYL & Cie
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Die Syriza und ihr Chef, Alexis Tsipras, verloren nach mehr als vier Jahren Regierungszeit die Mehrheit im Parlament. Es ist völlig verständlich, dass das griechische Volk eine Veränderung brauchte und die Wahl von Nea Dimokratia, der politischen Partei unter der Leitung von Mitsotakis, widerspiegelt diesen Wunsch. Reformen und Investitionen sind die Hauptthemen  auf der Tagesordnung der Regierungspartei, wobei Reformen an erster Stelle stehen, da eine Reihe von Änderungen für Kapital aus dem Ausland - insbesondere auf der Steuerseite - notwendig sind, bevor mit Vertrauen in das Land investiert werden kann. Könnte Griechenland eine attraktive Investitionsmöglichkeit werden? Welche Reformen stehen auf der Agenda, um dies möglich zu machen?

Griechenland das Schlusslicht

Unter den fünf Ländern, die das berüchtigte Akronym PIIGS bilden, ist Griechenland das allerletzte Land, das aus dem Tunnel kommt. Portugal, Irland und Spanien sind alle zu einer soliden, wachsenden Wirtschaft zurückgekehrt, indem sie ihre Bank- und Kreditangelegenheiten mit äußerster Strenge angegangen sind. Diese drei Länder erholen sich derzeit und beginnen zu florieren. Dabei ist Irland das europäische Zentrum einiger der größten Unternehmen der Welt. Portugal zieht europäische Unternehmen an, die von günstigeren und gut qualifizierten Arbeitskräften profitieren wollen. Und Spanien betreibt eine diversifizierte Wirtschaft mit starkem Gewicht auf dem Tourismus. Der Hauptgrund für die Fortschritte in diesen Ländern ist, dass ihre Regierungen entschlossen waren und über die notwendigen Instrumente verfügten, um Reformen einzuleiten und ausländische Investitionen und Investoren anzuziehen.

Kyriakos Mitsotakis und seine Partei Nea Dimokratia haben keine Zeit für Reformen verloren: Ihr allererster Schritt war die Senkung des Unternehmenssteuersatzes von 28% auf 20% über einen Zeitraum von zwei Jahren. Sie haben auch eine Liegenschaftssteuer um 30% gesenkt, die während der Zeit der Sparpolitik eingeführt worden war und vom griechischen Volk sehr abgelehnt wurde. Der Premierminister verabschiedete auch mehrere Maßnahmen zur Vereinfachung der derzeitigen Bürokratieprozesse, die von der Opposition als Machtkonzentration erachtet werden. Die griechischen Behörden arbeiten zudem daran, die 80 Milliarden Euro an notleidenden Krediten zu bereinigen, welche die Bilanzen der Banken lähmen. Die Kreditgeber haben zugesagt, ihr Engagement in notleidenden Krediten bis 2021 sehr deutlich zu reduzieren. Es wird gesagt, dass die Behörden eine italienische Lösung zur Freisetzung der Banken prüfen, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Damit diese Lösung jedoch wirksam ist, bedarf es eines Sekundärmarktes und institutioneller Investoren, die dank eines vereinfachten rechtlichen und administrativen Rahmens zu Transaktionen motiviert sind. Vorläufig sind erst nur wenige internationale Investoren in diesen Markt eingestiegen, aber die neue Regierung wird höchstwahrscheinlich die notwendigen Initiativen ergreifen, um den Wirtschaftsraum zukunftsfähig zu machen.

Bei den Investitionen steht die Nea Dimokratia vor der Aufgabe, zwei Großprojekte im Land und insbesondere in Athen zu beschleunigen: Hellinikon, die Rehabilitation des ehemaligen Flughafens, und die Entwicklung des Haupthafens Piräus. Beide Projekte wurden breit ausgeschrieben, mussten aber auch Verzögerungen und Komplikationen hinnehmen. Premierminister Kyriakos Mitsotakis verpflichtete sich, den sofortigen Start des Hellinikon-Projekts einzuleiten, um mehr ausländische Investoren zu erreichen, die nach kleineren Transaktionen trachten. 

Das größte Sanierungsprojekt Europas

Hellinikon gilt aufgrund seiner bebaubaren Fläche als das größte Sanierungsprojekt Europas. Das Projekt befindet sich auf dem ehemaligen Flughafengelände, das 2001 stillgelegt wurde. Das Gelände von 6,2 Millionen Quadratmetern - etwa doppelt so groß wie der New Yorker Central Park - wurde zuletzt 2004 während der Olympischen Spiele genutzt. Es liegt ideal zwischen der Posidonos und der Vougliamenis Avenue, direkt an der Athener Riviera und ganz in der Nähe der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Das Projekt umfasst 4000 Hotelzimmer, 200.000 m2 erstklassiger Büroflächen, einen Yachthafen und ein Casino sowie annähernd 15.000 Wohneinheiten. Das Projekt wurde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit einigen Bewohnern und dem einflussreichen griechischen Archäologischen Dienst für mehrere Jahre gestoppt. Das höchste Verwaltungsgericht des Landes, der Staatsrat, hat jedoch kürzlich Entscheidungen gefällt, mit denen die letzten Hindernisse beseitigt wurden, die die Entwicklung des Gebiets behinderten. 2014 stimmte Griechenland einem Vertrag über 915 Millionen Euro zu, mit dem das Gelände an ein Konsortium unter der Führung des griechischen Entwicklers Lamda Development verkauft wird. Das Gesamtinvestitionsvolumen wird auf über 8 Milliarden Euro geschätzt. Die Entwicklung dieses erstklassigen Standortes wird während des Prozesses und nach seiner Fertigstellung eine beträchtliche Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen und sicherlich zu einem neuen Schaufenster für Griechenland werden sowohl für den Tourismus als auch für die Wirtschaft. 

Das zweite bedeutende Projekt in Griechenland ist der Hafen von Piräus. Bereits 2016 erwarb die COSCO Group, ein staatliches chinesisches Unternehmen für Schifffahrt und Logistikdienstleistungen, 67% der Anteile an der Hafenbehörde von Athen und wurde zum wichtigsten Betreiber des Hafens. Für China ist diese Akquisition Teil des ehrgeizigen Projekts «Belts & Road Initiative», einer modernen Version der Seidenstrasse, das gigantischen Investitionen von Peking bis Europa beinhaltet. Für Athen ist Piräus eines dieser dringend benötigten Infrastrukturprojekte: Es hat Investitionen von mehr als 3,5 Milliarden Euro und die Schaffung neuer gut bezahlter Arbeitsplätze zur Folge und, wenn alles wie erwartet verläuft, könnte es ein ausgezeichnetes Beispiel dafür sein, potenzielle Investoren dazu zu bringen, Kapital im Land einzusetzen. COSCO plant, einen High-End-Marina für Yachten, ein zusätzliches Kreuzfahrtterminal, Hotels und Einkaufszentren sowie eine allgemeine Modernisierung der Infrastruktur zu schaffen. Im April kam das Projekt jedoch zum Erliegen, als der Zentrale Archäologische Rat und die Museen erklärten, ein großer Teil von Piräus gelte als archäologische Stätte - ein Beispiel dafür, wie die griechische Bürokratie ein Projekt behindern kann.

Griechenland ist noch nicht über dem Berg

Einige kleinere, aber hochwertige Investitionen wurden in jüngster Zeit getätigt. Das verdeutlicht die neue Dynamik, in der sich das Land zu befinden scheint. Anfang August 2019 diskutierten Beamte aus Kuwait eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern mit Schwerpunkt Tourismus und Investitionen. Kuwaitisches Engagement ist in Griechenland nicht neu: 2016 erwarb Kuwait das Astir Palace Resort von der Bank von Griechenland über ein Investmentvehikel namens «Jermyn Street Real Estate Fund IV». Das Hotel wurde für weniger als 400 Millionen Euro verkauft. Es wird heute von der kanadischen Luxusmarke Four Seasons betrieben und ist das erste Resort dieser Kette in Griechenland. 

Griechenland ist noch nicht über den Berg. Die neue Regierungspartei scheint jedoch einen umfassenden Plan zu haben und sie scheint entschlossen zu sein, ihn durchzusetzen. Obwohl ein Großteil der Aufmerksamkeit auf Hellinikon und Piräus gerichtet ist, wird der Erfolg dieser ehrgeizigen Projekte den Ton angeben für geringere Immobilientransaktionen, die kleinere, aber mutige Investoren anziehen werden. Soll die Geschichte ein Leitfaden für die Zukunft sein, so verheißen die guten wirtschaftlichen Bedingungen in den PIIGS-Staaten eine sehr optimistische Zukunft für Investitionen in Griechenland.

Nicolas Roth, Head of Alternative Assets, REYL & Cie

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