Keep Calm and Carry on! Oder wie wir damals 2007/2008 gesagt haben, als es zuerst fast unseren Arbeitgeber und dann das gesamte Finanzsystem aufgestellt hat: Wir beobachten die Lage mit professioneller Gelassenheit! Weil eines sei den G´schickten und Gescheiten da draußen schon ins Stammbuch geschrieben: Wer nicht vor der letzten Februarwoche schon positioniert war, hatte defacto keine Chance sein Portfolio anzupassen und ist mit runtergerasselt. Dass die Bewegung ähnlich groß war wie 2008 macht uns zwar alle zu Schwestern & Brüdern im Schmerz, dass geteiltes Leid nur halbes Leid ist, ist aber wohl eine der größten Unwahrheiten der Menschheitsgeschichte.
Soweit zu den Fakten. ;-) Wie´s jetzt weitergeht wird im Wesentlichen davon abhängen wie ausgeprägt einerseits die Maßnahmen der einzelnen Staaten zur Verlangsamung der Verbreitung des Virus sein werden und andererseits wie hoch und intensiv die diversen Stützungspakete ausfallen werden. Ob und wie sehr dem Virus Einhalt geboten werden kann, wird sich in den nächsten zehn bis fünfzehn Tagen - das dürfte ungefähr die Zeit sein die zB Österreich hinter Italien liegt - zeigen. Greifen die Maßnahmen, sollten wir Virus-Peak, wenn wir Süd Korea und China als Proxy heranziehen, in zwei bis vier Wochen sehen. Wohlgemerkt gilt das wahrscheinlich eher nicht für weniger gut vorbereitete Nationen wie zB die USA, was die Einschätzung des Fall-Outs natürlich ausgesprochen schwierig macht.
Die Märkte dürften sich dementsprechend je nach Datenlage und Zentralbank/Regierungsstützungspaket mal rauf mal runter bewegen. Der abgesoffene Ölpreis könnte dabei, wenn er nicht zu unkontrollierten Defaults in der US Shale Oil Industrie führt, die man aber mit Virus-geflaggeden Stützungen abfangen könnte, als zusätzliches Konjunkturpaket wirken. Ganz fertig sind wir, sobald das Ende abzusehen ist, mit einer V-shaped Recovery also noch nicht und das weiß auch der Markt. Ein weiteres unterstützendes Faktum sollten die bevorstehenden US Wahlen sein. Sowohl DJ Trump als auch die Demokraten werden versuchen Hilfspakte nicht zu klein ausfallen zu lassen. Man will ja gewählt/wieder gewählt werden…
In Europa wär´s mal an der Zeit, dass die Deutschen endlich ein bisserl Geld in die Hand nehmen und ihrer Konjunktur ordentlich unter die Arme greifen. Möglichkeiten gäbe es, so hört man, ja allenthalben, aber insbesondere im Infrastrukturbereich genug. Möglicherweise fördert die derzeitige Krise auch ein bisserl das Verständnis unter den Bürokraten und Verhinderern, dass die Erhaltung des Status quo nur durch Aktivität und Erneuerung zu erreichen ist und nicht durch auf den Händen sitzen. Das gilt natürlich nicht nur für Deutschland… ;-)
Was ist also das Basisszenario? Persönlich werden wir es in den nächsten Wochen mit intensiven Einschränkungen in fast allen Lebensbereichen zu tun bekommen. Die Märkte haben jetzt einmal relativ schnell alles Mögliche eingepreist, eine vernünftige Beurteilung der Situation muss jetzt folgen und wird dauern. Unterstützend für die Aktienmärkte wird einmal mehr – und ja ich kann es auch schon nicht mehr hören – die Alternativlosigkeit sein. Neuinvestitionen in länger laufende Staatsanleihen erscheinen bei den Renditeniveaus für die meisten immer weniger spannend zu sein. Hinzu kommt, dass auch der EZB durchaus zugetraut wird nach Japanischem und Schweizer Vorbild ihr Asset Purchase Programm auf Aktien auszuweiten. Der FED ist ja sowieso nichts heilig…. Die Lage ist also ernst aber nicht hoffnungslos.
Freuen wird sich jedenfalls die Klima-Gretl, denn der Flugverkehr geht deutlich zurück und auch die Nachfrage nach Kreuzfahrten ist nach dem was man so hört momentan eher limitiert. Ob die ganze Geschichte zu einem generellen Umdenken im Hinblick auf notwendige Reisetätigkeiten, Meetings (da gibt´s jedenfalls Reduktionspotential ;-)) und den Konsum im Allgemeinen führt, wird wohl von der Dauer der Problematik abhängen. Den 5G Ausbau wird´s wohl beschleunigen, weil in vielen Fällen es eine Video Konferenz wahrscheinlich auch tut. Momentan scheinen viele jedenfalls froh zu sein, dass es eine Ausrede gibt, warum man die Konferenz nicht besuchen oder die Reise nicht antreten muss. Das kann aber natürlich auch damit zu tun haben, dass den meisten marktnahen Personen momentan nicht fad wird…
Die Mittwochsmail-Crew ist jedenfalls dezentral, ortsunabhängig, grundsätzlich leicht kontaktscheu ;-) und bis dato völlig gesund. Die Chancen stehen also recht gut, dass es uns auch nächste Woche wieder gibt!
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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