Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig: Da zieht es selbst dem Hartgesottensten die Schuhe aus!
Als ich heute morgen schlaftrunken im Dunklen zu meiner Kaffeemaschine schlurfte, bin ich über die Birkenstock meiner Kinder gestolpert. Diese Hausschuhe waren schon zu meiner Schulzeit vor mehreren Jahrzehnten interessant. Das seit der Vorwoche börsennotierte deutsche Unternehmen wurde bereits 1774 gegründet und feiert demnach im kommenden Jahr sein 250jähriges Jubiläum. Die Dynastie begann einst mit Schuhmachermeister Johann Adam Birkenstock im kleinen hessischen Ort Langen-Bergheim. Carl Birkenstock, ein Nachfahre Johanns führte 1945 die flexiblen Korkeinlagen ein und produzierte damit die ersten Birkenstocksandalen. Im Jahr 2021 wurde das Familienunternehmen von der amerikanisch-französischen Beteiligungsgesellschaft L Catterton, hinter der u.a. der Bernard Arnault und sein französischer Luxusgüterkonzern LVMH steht, gekauft. Und genau diese Beteiligungsgesellschaft hat sich 2023 dazu entschlossen, Birkenstock an die Börse zu bringen. Der offizielle Börsengang erfolgte am 11. Oktober 2023. Und mittlerweile scheint klar, dass dieser, trotz aller Bemühungen der beteiligten Parteien, nicht zwingend als Erfolg bewertet werden kann. Der Ausrufepreis der Birkenstock-Aktien für den Börsengang wurde in der Bandbreite zwischen $44 und $49 festgezurrt, was einer Marktkapitalisierung von bis zu $10 Milliarden gleichkommen würde. Gerade seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 konnte Birkenstock die Umsätze um mehr als 70% auf $1,2 Milliarden steigern. Nachdem wir jetzt viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen, liegt es wohl nahe, auch das zur Verfügung stehende Hausschuh-Sortiment ordentlich aufzumotzen.
Die Birkenstockaktie notiert seit 11. Oktober an der New York Stock Exchange (NYSE). Der Ausgabepreis wurde mit $46 festgelegt. Entgegen den Erwartungen verlor die Aktie bereits am ersten Börsentag 13%. Die mehr als 4.000 Mitarbeiter erwirtschafteten einen Nettogewinn von $161 Millionen. An der Börse wird das Unternehmen mittlerweile mit rund $7 Milliarden bewertet. Das bedeutet, dass ein Aktionär gegenwärtig $42 auf den Tisch legen muss, um als Gegenwert einen Anteil von $1 Gewinn zu bekommen. Ein Kurs-Gewinnverhältnis (KGV) von 42 kann nach herkömmlichen Bewertungsmethoden definitiv nicht als Schnäppchen bezeichnet werden.
Der LVHM-Konzern von Bernard Arnault ist mit einer Marktkapitalisierung von $379 Milliarden hinter Novo Nordisk ($408 Mrd.) und vor Nestle ($320 Mrd.) der wertvollste europäische Konzern. ASML mit $234 Mrd. und L’Oréal mit $223 Mrd. runden die Top-5 ab. Zum Vergleich dazu beträgt die Marktkapitalisierung der ATX-Unternehmen rund 50 Milliarden Euro. In Summe beträgt der Börsenwert der Top-5-Unternehmen in Europa damit $1,55 Milliarden. Und das reicht nicht einmal aus, um es in die Top-3 der wertvollsten US-Unternehmen zu schaffen. Das wertvollste Unternehmen ist Apple mit $2,7 Billionen. Dahinter runden Microsoft mit $2,4 Billionen und Alphabet mit $1,7 Billionen die Top-3 ab. Mit Amazon ($1,3 Bio.) und Nvidia ($1,1 Bio.) sind noch zwei weitere US-Unternehmen mit mehr als einer Billion bewertet. Der Börsenwert Apples beträgt demnach mehr als das Sechsfache von Novo Nordisk, dem wertvollsten europäischen Unternehmen. Das verdeutlicht relativ schön die Dominanz der US-Unternehmen. US-Unternehmen stehen für 42,5% der weltweiten Marktkapitalisierung. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil Europas 11,1% bzw. jener Chinas 10,6%. In den nächsten Jahrzehnten ist davon auszugehen, dass der Anteil der Schwellenländer deutlich ansteigen und jener der USA und Europas zunehmend an Bedeutung verlieren wird. Bereits in wenigen Jahren dürften chinesische Unternehmen in Bezug auf den Börsenwert ihre europäischen Pendants überholen.
Der weltweite Aktienmarkt hat von der Bewertung her wieder die 100-Billionen-Dollar Grenze überschritten. Alle börsennotierten Unternehmen der Welt werden mit einer Marktkapitalisierung von $109 Billionen bewertet. Apple alleine vereinnahmt demnach rund 2,5% des Börsenwertes aller an den Weltbörsen notierten Unternehmen. Die fünf wertvollsten Unternehmen der USA repräsentieren unglaubliche 8,5% der globalen Marktkapitalisierung.
Kommen wir noch zum Zinsmarkt. 10jährige US-Staatsanleihen kratzen an der 5%-Grenze, jene in Deutschland an der 3%-Schwelle. Dieser Zinsanstieg macht zum einen Finanzierungen für Private, Unternehmen aber auch den Staat teurer. Darüber hinaus mussten Anleiheninvestoren Verluste mit historischem Ausmaß einstecken. Ultralange US-Staatsanleihen haben seit 2020 mehr als 60% an Wert eingebüßt. „Konservative“ Anleger, die ihr Geld in langlaufende US-Staatsanleihen investiert haben, haben damit gleich viel verloren wie Aktieninvestoren in der großen Finanzkrise rund um die Lehman-Pleite vor rund 15 Jahren. Da zieht es selbst dem hartgesottensten Investor vermutlich die Patschen oder Birkenstock aus!
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist ein anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. Mit seinem eigenen Unternehmen berät er Kapitalanlagen, Versicherungen und andere institutionelle Investoren und will darüber hinaus auch seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz an Finanzexperten, Privatpersonen und vor allem auch an junge Menschen unterhaltsam weitergeben.
Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at