Gröschls Mittwochskommentar: 32/2024

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 07.08.2024 12:22 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto

Hi, hi endlich tut sich mal was auf den Märkten. :-) Von den Einstürzenden Neubauten bis zu Panic at the Disco fielen mir da so einige musikalische Referenzen ein, Damage Done, darf jedenfalls hier auch nicht fehlen. Um noch nicht gleich in die profane Welt der Finanzindustrie abzutauchen, ein Lehrsatz, den mir ein Maler vor kurzem ans Herz gelegt hat: Immer ein paar Schritte zurück treten und das Gesamte betrachten. Bitte, das schadet auch bei uns natürlich nie. Intrayday Charts sind zwar voll spannend und für Händler auch total wichtig, aber für die, die am Montag in der Früh ins Büro gekommen sind und dann erst gesehen haben, dass der japanische Leitindex mehr als 10% im Minus ist, maximal von akademischem Interesse.

Überhaupt ist die Aufregung – von denen die grad nicht auf Urlaub sind – überaus groß und es fühlen sich die Unberufensten dazu aufgefordert, zum Beispiel J. Powell als den schlechtesten FED-Präsidenten aller Zeiten zu bezeichnen, ohne – bei näherem Hinsehen – überhaupt zu wissen, wie eigentlich das Mandat der FED ausschaut. Auch die Vergleiche mit 2000 oder 2008 sind wohl ein bisserl verfrüht, wobei ich fairerweise dazu schreiben muss, dass ich 2000 noch recht amateurhaft an die Sache rangegangen bin, 2008 hingegen war ich bereits mittendrinn und nicht nur dabei. Bitte, da hat´s schon anders geraschelt. Wobei was nicht ist, kann natürlich noch werden, wenn z. B. die 10-jährigen US-Renditen doch noch auf fünf, sechs Prozent – wo sie wahrscheinlich hingehören ;-) – steigen.

Aber zurück zum Abstand bzw. Anfang: Die Gemengelage ist so kompliziert, wie unübersichtlich. Bekanntermaßen fällt es uns höchst schwer, uns auf mehr als einen Faktor gleichzeitig zu konzentrieren, jetzt sind da aber leider ein paar zusammengekommen.

  • Es ist Sommer, Haupturlaubszeit und die Liquidität ist dementsprechend gering.
  • Die Aktienmärkte, insbesondre Big Tech in den USA, sind super gelaufen und wohl nicht mehr ganz billig. Der Anteil der USA an der Gesamtheit der globalen Aktienmärkte und, eine Ebene darunter, der Anteil der größten US Tech Titel daran, ist so groß wie nie. Die FED hat einen, ob der Inflation, der Geldgeschenke und der überraschend resilienten Konjunktur, recht aggressiven Zinszyklus hinter sich. Unser Bewertungsmaßstab, die Währung, hat zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder einen kalkulierbaren Preis.
  • Die japanische Zentralbank hat nach Jahren der Untätigkeit sich doch noch entschlossen, den Leitzins langsam aber doch anzuheben und der zunehmenden Entwertung des Yen entgegenzuwirken. Das wiederum sind ausgesprochen schlechte Nachrichten für alle, die sich in JPY verschuldet haben, um z.B. Aktien oder USD-Assets zu kaufen. (Carry Trade) Ob hier dann in die laufende Bewegung auch noch verstärkend (und mithin endlich erfolgreich) interveniert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, wär aber gschickt gewesen. Leider hat sich das dann zu einer gewissen Eigendynamik geführt, die den einen oder anderen gegrillt haben dürfte. Dazu werden wir sicher noch ein bisserl was lesen, fürcht ich.
  • Naja und da war/ist da noch die Geschichte mit dem möglichen Krieg im Nahen Osten, der vor allem die europäischen Märkte (schon letzte Woche) stark verunsichert hat.
  • All das passiert nun, in einer Markphase, wo viel Investoren deutliche Gewinne auf ihren Positionen haben, die dann plötzlich und schnell alle aus derselben, recht kleinen Tür raus wollen…

…und fertig war der Wurstsalat. Die große Frage, die sich nun natürlich stellt, ist: Wie geht´s weiter? Ganz leer ist mein Kaffehäferl leider noch nicht, womit ich eher ins Glaskugerl schauen muss und mir den Kaffeesud für später aufheben werde. Nicht sehen kann ich dort (ua ;-)) z.B. großen Druck auf der Käuferseite schon wieder breit in den Markt einzusteigen. (Buyers Strike, eh letzte Woche besprochen). Für ausgeschlossen halte ich, dass die FED einen Emergency Cut macht, selbst die 50bps beim nächsten Meeting im September, find ich sportlich. Viele neue Infos, positive wie negative, werden wir aus den USA bis zu den Nvidia Earnings Ende August wohl nicht bekommen, womit wir im eigenen Safterl köcheln müssen, was selten zu wirklich großen neuen Erkenntnissen führt.

Die Lage rund um den Iran, Israel und den ganzen Rest bleibt weiter angespannt. Es ist leider nicht auszuschließen, dass die Situation außer Kontrolle gerät und sich ein Flächenbrand entwickelt. Netanjahu – wir erinnern uns kurz, wo der wahrscheinlich wäre, hätte die Hamas Israel nicht angegriffen – scheint jedenfalls nicht sehr um Deeskalation bemüht zu sein. Die Rohstoffmärkte – insbesondere die Öl-Händler – dürften jedenfalls nicht an eine totale Katastrophe glauben, aber vielleicht sind die auch nur alle auf Urlaub. ;-)

Wer, auch das haben wir schon besprochen ;-), sicher keinen Urlaub macht, sind die CTAs bzw. alles, was da so automatisiert und autonom auf den Märkten unterwegs ist. Hier sollte es noch einen deutlichen Überhang an Long-Positionen geben, die, so sich die Abwärtsbewegung fortsetzt, diese weiter füttern werden.

Und was tu ich nun mit all dem Abstand, dem Kaffeesud und den vielen Unwägbarkeiten? Naja, stark bullish zu werden, wird wohl den meisten eher schwerfallen. Spannend ist auch, dass die Divergenz der Entwicklung der einzelnen Werte in den diversen Indizes ziemlich hoch ist, es also vielleicht Zeit ist, sich doch wieder mehr mit aktiven Managern zu beschäftigen. Aber vielleicht bin ich da auch ein bisserl voreingenommen… ;-)

Jedenfalls gilt es erstmal Ruhe zu bewahren und zu warten, bis sich der Staub gelegt hat. Schauen wir mal, wie hoch die tote Katze fliegt… :-)

Alles Liebe!

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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