Der Ukraine-Konflikt hat die Investmentlandschaft nachhaltig verändert. Während Verteidigungsaktien vor dem Krieg noch weitgehend aus ESG-Portfolios ausgeschlossen wurden, ist seit dem Ausbruch des Konflikts ein Umdenken zu beobachten. Eine aktuelle Umfrage des ETF-Anbieters HANetf unter 50 Vermögensverwaltern aus dem Vereinigten Königreich, Italien und Deutschland hat ergeben, dass 94% der Befragten Verteidigungsinvestitionen mittlerweile als mit ESG-Prinzipien vereinbar betrachten.
ESG und Verteidigung: Eine Zeitenwende?
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass der Ukraine-Krieg viele Vermögensverwalter dazu veranlasst hat, ihre bisherigen ESG-Standards zu überdenken, insbesondere im Hinblick auf Verteidigungsunternehmen. Für die Mehrheit der Befragten sind Investitionen in diese Unternehmen nun unerlässlich, um globale Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Darüber hinaus betonten 98% der Vermögensverwalter die Bedeutung des geografischen Standorts von Rüstungsunternehmen, wobei eine klare Präferenz für Unternehmen besteht, die in Nato-verbündeten Ländern ansässig sind. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass Investoren zunehmend bereit sind, ihre ESG-Prinzipien in einem sicherheitspolitischen Kontext neu zu definieren.
Da die Umfrage jedoch auf einer begrenzten Stichprobe basiert und keine Angaben zur Repräsentativität vorliegen, sollten die Ergebnisse aber mit Vorsicht interpretiert werden.
Stimmen aus Österreich und Deutschland
Hierzulande zeigt sich ein anderes Bild. In Österreich beschreibt Wolfgang Pinner, Leiter Corporate Responsibility bei Raiffeisen Capital Management, die aktuelle Lage als eine „Zeitenwende“. Der Russland-Ukraine-Konflikt stellt bisher als fix geltende Denkweisen in Frage, insbesondere in Bezug auf die Legitimität von Verteidigungsinvestitionen. Pinner betont jedoch, dass verantwortungsvolle Investments weiterhin auf den positiven Impact achten müssen, den sie erzielen können. „Investments in kontroverse Waffen – wie ABC-Waffen, Landminen oder Streubomben – werden von nachhaltigen Investoren fast ausnahmslos abgelehnt,“ erklärt er. Diese Ablehnung beruhe auf der Rechtswidrigkeit und der moralischen Problematik dieser Waffenarten, die zwischen militärischen und zivilen Zielen nicht unterscheiden. Pinner schließt: „Große Waffenkonzerne sind fast immer auch in die Produktion von kontroversen Waffen involviert, was die Relevanz der Diskussion über das Investment in Verteidigungsaktien deutlich reduziert.“
Auch in Deutschland sieht Daniel Sailer, Leiter des Sustainable Investment Office bei Metzler Asset Management, wenig Spielraum für Verteidigungsinvestitionen in ESG-konformen Portfolios. „Das Feedback beim Thema Rüstung ist eindeutig: Die Mehrheit unserer Anleger möchte auch künftig diesen Sektor in nachhaltigen Strategien ausschließen,“ erklärt Sailer. Entsprechend schließt Metzler Asset Management Rüstungsunternehmen aus seinen nachhaltigen Publikumsfonds aus.
Fazit
Die Diskussion um die Vereinbarkeit von Verteidigungsinvestitionen mit ESG-Prinzipien spiegelt die komplexen moralischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit wider. Während der Ukraine-Krieg viele Investoren dazu veranlasst hat, ihre bisherigen ESG-Standards zu überdenken und Verteidigungsunternehmen als notwendige Stabilitätsfaktoren zu betrachten, bleibt die Frage der ethischen Vertretbarkeit kontrovers. Die unterschiedlichen Sichtweisen, wie sie in Österreich und Deutschland deutlich werden, zeigen, dass die Integration von Verteidigungsinvestitionen in ESG-konforme Portfolios auch weiterhin stark von individuellen Überzeugungen und regionalen Kontexten geprägt sein wird.
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