Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Zwischen Börsenbeben, Milliardenverlusten und einem Espresso auf der Terrasse
Diese Woche ist kurz – und vielleicht gerade deshalb eine gute Gelegenheit, sich einmal zurückzulehnen und den Märkte-Wrap in den sonnigen Vormittagsstunden auf die Terrasse zu verlegen. Nach dem "Trump-Tarif"-Crash Anfang April konnten sich die Märkte etwas erholen. Besonders die Technologieaktien, die zwischenzeitlich ordentlich unter die Räder gekommen waren, zeigten eine kräftige Gegenbewegung. Der S&P 500 konnte sogar die beste Sechs-Tages-Performance seit dem Jahr 2022 verbuchen. Das ist Balsam auf die Wunden vieler Investoren.
Was für mich weiterhin ein ungewohntes Bild beim Blick auf die Kurstafel ist: Europäische Aktien notieren im Plus, während die amerikanischen und asiatischen Märkte zum Teil deutlich im Minus liegen. Befinden wir uns in einer Zeitenwende oder ist das lediglich ein Strohfeuer? An den Börsen leben wir im Wechselspiel zwischen zwei Phasen: dem Bullenmarkt und dem Bärenmarkt. Die Begriffe stammen übrigens aus dem Tierreich: Der Bulle stößt mit seinen Hörnern von unten nach oben – symbolisch für steigende Kurse. Der Bär hingegen schlägt mit der Pranke von oben nach unten – sinnbildlich für fallende Märkte. Ob wir uns aktuell in einem Bärenmarkt befinden oder bereits wieder die ersten Tritte auf dem Weg zum nächsten Gipfel setzen, ist vermutlich die Frage aller Fragen. Die Kursverläufe schwanken stark, die Stimmung ist fragil. Und die Politik mischt kräftig mit.
Donald Trump jedenfalls sorgt weiter für Unsicherheit. Der Honeymoon zwischen ihm und Jeff Bezos von Amazon scheint endgültig vorbei zu sein. Anfang der Woche machte die Meldung die Runde, Amazon wolle künftig die Trump-Zölle bei den Produktanzeigen gesondert ausweisen. Eine gute Idee – denn Konsumenten sollten wissen, wofür sie mehr bezahlen. Doch das Weiße Haus reagierte ungehalten und sprach von einer „politisch motivierten Aktion“. Später ruderte Amazon zurück – angeblich sei das nie offiziell beschlossen worden. Dazwischen soll Donald Trump persönlich bei Jeff Bezos angerufen haben. Die Botschaft: Kritik an seiner Politik wird nicht geduldet. Ob sich der liebe Jeff auch wirklich unterordnen wird?
Auch für Elon Musk verliefen die ersten 100 Tage unter Trump alles andere als erfreulich. Obwohl er im Oval Office anscheinend ein- und ausgeht, ist sein Vermögen laut dem Bloomberg Billionaires Index um 113 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Die Tesla-Aktie verlor deutlich, seit Musk begann, sich intensiv mit dem Umbau der US-Bürokratie zu beschäftigen. Immerhin: Mit einem geschätzten Vermögen von 335 Milliarden Dollar bleibt er trotz aller Verluste der reichste Mann der Welt – mit Respektabstand vor Jeff Bezos mit rund 209 Milliarden Dollar.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen US-Politik zeigen sich nun auch in den harten Daten. Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal 2025 um 0,3% geschrumpft – das ist der erste Rückgang seit dem ersten Quartal 2022, also jenem Quartal, in dem der Russland-Ukraine-Konflikt eskalierte. Das kam durchaus überraschend, da Volkswirte und Analysten noch mit einem Plus von 0,4% gerechnet hatten. Besonders dramatisch: Die Nettoexporte drückten das BIP um fast fünf Prozentpunkte, da Importe um mehr als 40% zulegten. Der Konsum stieg nur noch um magere 1,8% – das schwächste Wachstum seit Mitte 2023. Gleichzeitig kürzte die US-Regierung ihre Ausgaben um 5,1% – so stark wie seit drei Jahren nicht mehr.
Selbst harte Männer wie der legendäre James Bond – zumindest sein fahrbarer Untersatz – bleiben nicht verschont. Der britische Autobauer Aston Martin schränkt die Auslieferung seiner Luxusfahrzeuge ein, um neuen Zöllen zu entgehen. Etwas Entspannung gab es lediglich für die Autoindustrie insgesamt: Trump unterzeichnete nach massivem Druck von Lobbyisten einige Verordnungen, um die schlimmsten Auswirkungen seiner Handelspolitik zu entschärfen.
Schwenken wir abschließend noch nach Europa. In Spanien führte ein Stromausfall Anfang der Woche dazu, dass in vielen Restaurants und Supermärkten keine bargeldlosen Zahlungen mehr möglich waren. Für mich – als ausgewiesener Bargeldliebhaber, der zugegebenermaßen auch immer wieder mit der Karte zahlt – einmal mehr der Beweis: Ohne ein paar Scheine und Münzen in der Tasche würde ich mich nicht wohlfühlen. Mein Lieblingsitaliener akzeptiert ohnehin nur Bargeld – ein weiterer guter Grund, meinen Bargeldbestand in meiner Brieftasche aufzufüllen. Denn es wäre wirklich schade, wenn mein Espresso am Wochenende bei meinem Italiener ausfallen würde. Auch wenn viele Anleger derzeit pessimistisch sind, glaube ich nicht, dass an den Märkten das Licht ausgeht. Die aktuellen Entwicklungen zeigen vielmehr, wie eng Wirtschaft, Politik und Technologie inzwischen verwoben sind – und wie wichtig es ist, auch in unruhigen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren. Ob wir in einem neuen Bärenmarkt sind oder doch schon wieder auf dem Weg nach oben? Das werden wir definitiv erst in der Zukunft beantworten können.
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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