e-fundresearch.com: Frau Dr. Schambach, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt in der Asset-Management-Industrie? Welche Entwicklungen beobachten Sie in Bezug auf die Stimmung – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Bewerberseite?
Dr. Karin Schambach: Die Stimmung ist durchwachsen. Tiefgreifende Veränderungen haben den Sektor fest im Griff, und das spüren wir auch auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits laufen die Kosten, getrieben durch Margendruck und sinkende Profitabilität aus dem Ruder, so dass traditionelle Rollen gerade im Middle- und Backoffice abgebaut werden. Andererseits gibt es einen hohen Bedarf an digitalem Know-how, weil technologische Innovation der entscheidende Schlüssel zur Effizienzsteigerung ist. Das heißt, hochqualifizierte Spezialisten in Bereichen wie Datenanalyse, IT, Compliance, Regulierung werden händeringend gesucht.
Viel Dynamik sehen wir trotz unübersehbarer Krisenzeichen auch auf dem Top-Level. Dafür sorgt allein schon der Generationswechsel, da die Babyboomer sich schrittweise in Richtung Ruhestand orientieren oder auch frühzeitig verabschiedet werden. Ein „weiter so“ gibt es nicht mehr, und das gilt explizit auch für die Investorenseite. Die Notwendigkeit zur Professionalisierung schlägt sich hier in einem deutlich erhöhten Personalbedarf nieder.
Wie gehen die Bewerber mit der aktuellen Lage um? Chancen und Risiken eines Wechsels werden heutzutage viel realistischer eingeschätzt als in der Vergangenheit, in der jeder meinte, das Gras sei woanders grüner. Das führt aber interessanterweise nicht dazu, dass Bewerber per se am eigenen Stuhl festhalten und die Wechselbereitschaft sinkt, denn genauso nüchtern wird das Risiko bewertet, im eigenen Unternehmen zu bleiben: Ist das Haus überlebensfähig oder ein Übernahmekandidat, stimmt die Produktqualität, wird adäquat in die Prozesslandschaft investiert? Wenn nein, wird ein Wechsel häufig als das kleinere Risiko betrachtet.
e-fundresearch.com: In welchen Bereichen wird derzeit besonders intensiv gesucht? Wo sehen Sie den größten Bedarf an qualifiziertem Personal – fachlich wie hierarchisch?
Dr. Karin Schambach: Aus Headhuntersicht ist die gute Nachricht, dass sich nicht nur auf der Fach-, sondern auch auf der Top-Führungsebene viel bewegt. Wir haben aktuell eine höhere Dichte an C-Level Searches, als wir sie je hatten. Daneben ist der Generationswechsel nicht außer Acht zu lassen, der den Bedarf schürt. Da sich der nicht über Nacht vollzieht, wird der Trend wohl auch noch eine Weile anhalten.
Weiter gibt es die Dauerbrenner, die schon lange den Personalmarkt im Asset Management prägen. Deutschland ist ein Vertriebsmarkt, so dass der Bedarf in diesem Bereich auch in schwächeren Marktphasen gegeben ist. Back- und Middleoffice haben Innovationsdruck, und die Investorenseite professionalisiert sich auf allen Ebenen.
e-fundresearch.com: Der Bereich Private Markets gewinnt weiter an Bedeutung. Die Anforderungen an Fachwissen und Erfahrung sind hoch – welche personellen Trends beobachten Sie in diesem Segment und wie verändert sich die Nachfrage nach entsprechenden Profilen?
Dr. Karin Schambach: Die Pionierphase ist vorbei, Private Markets gehören heute zum Standard-Repertoire. Dazu passt, dass die Assetklasse ihre erste Inflow-Krise erlebt habt. Wer jetzt noch auf den fahrenden Zug aufspringen möchte, der nimmt es mit Wettbewerbern auf, die bereits sehr gut positioniert sind.
Dementsprechend sehen wir im Bereich Private Markets nicht mehr dieselbe Dynamik. Die Zeit der großen Markteintritte etablierter Player ist vorbei. Heute werden hier noch bestehende Teams ergänzt, aber nur noch wenige neue aufgebaut.
e-fundresearch.com: LinkedIn hat sich als Plattform für Karriere und Recruiting etabliert. Welche Rolle spielt das Netzwerk heute in der Asset-Management-Industrie – und worauf sollte man bei der Nutzung achten?
Dr. Karin Schambach: LinkedIn hat für Personen dieselbe Bedeutung wie eine Corporate Website für Unternehmen: Mit einer Website allein gewinne ich keine Kunden, aber ohne geht es auch nicht.
LinkedIn wird zwar immer wieder kritisiert: Eine Schwemme an privatem Content mache das Netzwerk zum „Business-Facebook“. Das mag schon sein, aber was ist die Alternative? Solange es keine stärker fokussierte Plattform gibt, kann man LinkedIn nicht einfach ignorieren.
Ich würde allerdings dazu raten, bei den eigenen Online-Aktivitäten auf Relevanz und professionelles Auftreten zu achten. Der Algorithmus mag Karaoke- und Strandbilder belohnen, doch auch ein noch so großes Online-Netzwerk hilft mir nicht weiter, wenn potenzielle Arbeitgeber mich nicht ernst nehmen.
Über Dr. Karin Schambach
Dr. Karin Schambach ist Gründerin und Geschäftsführerin von Indigo Headhunters. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Personalberatung auf Top-Level mit den Schwerpunkten Public and Financial Services sowie Board Consulting und leitet die Asset & Wealth Management Practice.
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