T+1 in Europa: Kürzere Abwicklungszyklen als strategische Chance

Gloria Tabbah, Head of Operations bei REYL Intesa Sanpaolo, analysiert die geplante Einführung des T+1-Abwicklungszyklus in Europa. Die Umstellung ist nicht nur ein regulatorischer Schritt, sondern birgt operative Risiken und strategisches Potenzial für Banken und Investoren. Markets | 03.09.2025 14:28 Uhr
Gloria Tabbah, Head of Operations bei REYL Intesa Sanpaolo / © e-fundresearch.com / REYL Intesa Sanpolo
Gloria Tabbah, Head of Operations bei REYL Intesa Sanpaolo / © e-fundresearch.com / REYL Intesa Sanpolo

Was bedeutet T+1?

T+1 steht für einen verkürzten Abwicklungszyklus im Wertpapierhandel: Transaktionen werden nicht mehr zwei Tage (T+2), sondern bereits einen Tag (T+1) nach dem Handelstag final abgewickelt. Ziel ist es, das Kontrahentenrisiko zu senken, Kapital schneller verfügbar zu machen und die Effizienz der Finanzmärkte zu steigern.

Nordamerika setzt den Standard - Europa folgt

Wie Gloria Tabbah erläutert, wurde die Umstellung in Nordamerika im Mai 2024 unter Führung der SEC umgesetzt. Täglich werden dort rund 550 bis 600 Milliarden US-Dollar abgewickelt. Betroffen waren rund 7.000 gelistete Wertpapiere. Laut Tabbah reduziere der kürzere Zyklus das systemische Risiko und steigere die Attraktivität des US-Markts. Europa hinke hinterher: Mit einem täglichen Handelsvolumen von 300 bis 400 Milliarden Euro sei der Markt deutlich fragmentierter in Struktur, Währungen und Zeitzonen.

Einführung in Europa bis 2027 geplant

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) plant eine Einführung von T+1 bis zum 11. Oktober 2027, koordiniert mit dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. Ziel ist laut Tabbah ein stärker integrierter europäischer Finanzmarkt, der global wettbewerbsfähig bleibt und Fragmentierung zwischen Mitgliedstaaten vermeidet.

Komplexität erschwert Umsetzung

Im Vergleich zu Nordamerika sei die Ausgangslage in Europa operativ anspruchsvoller. Mehr als 30 Zentralverwahrer, 41 Handelsplätze, unterschiedliche Zeitzonen und Währungen machen die Koordination komplex. Hinzu komme ein regulatorischer Rahmen, der noch nicht final definiert sei.

Tabbah weist darauf hin, dass der Wegfall des Puffertages die gesamte Post-Trade-Kette unter Zeitdruck setze: „Mit T+1 ist jeder Fehler kostspieliger, und die Zeit, ihn zu entdecken, wird halbiert.“ In einem Umfeld, in dem die Abwicklungsfehlerquote bei 2-3% liege, könnten Risiken von bis zu 40 Milliarden Euro entstehen, mit potenziellen Auswirkungen auf Liquidität, Kapitalbindung und Strafzahlungen gemäß CSDR.

Chancen für Kunden und Banken

Trotz der Risiken betont Tabbah, dass die Umstellung strategisches Potenzial birgt. So würden Verkaufserlöse schneller verfügbar, was Investoren ermöglicht, rascher auf Opportunitäten wie IPOs oder Bond-Emissionen zu reagieren. Gleichzeitig erhöhe sich die Portfolio-Flexibilität, da weniger Kapital in ausstehenden Transaktionen gebunden sei.

Auch die Reduktion des Kontrahenten- und operationellen Risikos sowie die Förderung von Straight-Through-Processing (STP) führen laut Tabbah langfristig zu geringeren Transaktionskosten und robusterer Infrastruktur.

Besonders für Schweizer Banken sei T+1 eine Chance: „Eine Verbesserung der Abwicklungseffizienz um nur 0,1% kann Milliardenbeträge für Reinvestitionen freisetzen“, schreibt sie. Bei einem verwalteten grenzüberschreitenden Vermögen von über 2,5 Billionen US-Dollar werde operative Exzellenz zum strategischen Hebel.

Fazit

Gloria Tabbah argumentiert: Die Einführung von T+1 in Europa ist mehr als ein regulatorisches Projekt. Für Finanzinstitute, insbesondere im Schweizer Private Banking, sei es entscheidend, frühzeitig in operative Anpassungen zu investieren. Nicht nur zur Einhaltung der Vorschriften, sondern als Wettbewerbsvorteil im internationalen Umfeld.

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