Mit dem Schulbeginn nimmt das Leben wieder Fahrt auf. Da darf es wohl auch der eine oder andere Espresso mehr sein. Zwischen Elternabenden, Stundentafeln und dem ersten Nebel über der Mur gibt es auch an den Finanzmärkten Verschiebungen. Der September beendet das Dolce Vita. Er ist für mich der Monat der Realitätschecks. Gemeint sind Kalender, Depot und die Frage, worauf sich der Fokus wirklich richten soll.
Auf meiner morgendlichen Joggingrunde bin ich an zwei Gärten vorbeigekommen: einer gepflegt, der andere verwildert. Ein schöner Garten braucht Pflege, Aufmerksamkeit und bewusstes Bewirtschaften. Ein verwucherter Garten zeigt unmissverständlich, dass eine klare Strategie fehlt. Genauso ist es im Geschäftsleben und auch beim Blick auf das eigene Depot.
Auch die Staatsfinanzen gleichen mancherorts einem verwilderten Garten. In Österreich sind die Schulden pro Kopf seit 2019 um 13.753 Euro gestiegen. Das ist doppelt so viel wie in den Niederlanden und viermal mehr als in Griechenland. Österreich liegt damit im europäischen Spitzenfeld – knapp hinter Belgien, Frankreich und Finnland, aber noch vor Italien. Natürlich waren die letzten Jahre alles andere als einfach. Doch es gibt auch positive Gegenbeispiele: Dänemark etwa erhöhte die Schulden pro Kopf in der gleichen Zeit nur um 361 Euro. Es zeigt, dass solides Wirtschaften selbst in schwierigen Zeiten möglich ist. Bei uns hingegen könnte sich jeder Bürger mit dem Schuldenanstieg der letzten fünf Jahre einen Fiat Panda kaufen.
Frankreich scheint ebenfalls in eine neue Epoche einzutreten. Politische Turbulenzen treffen auf eine Staatsverschuldung, die mit rund 120 Prozent des BIP an den Maastricht-Kriterien von 60 Prozent vorbeischrammt. Investoren quittieren das mit Skepsis: Zehnjährige französische Staatsanleihen rentieren mit 3,5 Prozent, also ähnlich wie italienische Anleihen. Sogar von Spanien und sogar Griechenland können sich billiger refinanzieren. Wenn Märkte Vertrauen verlieren, steigt der geforderte Zins. Und damit wird jeder neu aufgenommene Kredit teurer. Das wiederum belastet das Budget und den Spielraum eines Präsidenten Macron, der ohnehin unter Druck steht.
In Österreich liegt die Zehnjahresrendite knapp unter drei Prozent, während die Inflation mit 4,1 Prozent weit über dem Eurozonenwert von 2,1 Prozent notiert. Eine simple Regel hilft beim Einordnen: Wenn die Preise schneller steigen, verlieren wir im Schlaf Geld. Am Konto fühlt sich Sicherheit gut an, tatsächlich ist es aber Kaufkraftverlust. Die EZB hält daher vorerst still; für uns heißt das: weniger Zinsfantasie, mehr Strukturarbeit. Sonst bleibt unser „Fiat-Panda“-Bild bittere Realität und die Pointe, dass auch am Kapitalmarkt „Fiat“ nur Papiergeld bedeutet, verliert endgültig ihren Charme.
Während Europa über Zinsen und Sparpläne diskutiert, sorgt das Silicon Valley für eine Wachablöse. Larry Ellison, Gründer von Oracle, ist seit dieser Woche der reichste Mensch der Welt. Ellison ist kein Visionär im Hippie-Sinn, sondern ein Baumeister der Infrastruktur. Seine Datenbanken und Rechenzentren bilden das Rückgrat der KI-Revolution und Investoren wissen und schätzen das.
Doch Elon Musk wäre nicht Elon Musk, wenn er nicht kontern würde. Tesla hat ein Vergütungspaket geschnürt, das ihn – sollte er die Bedingungen erfüllen – zum ersten Billionär machen könnte. Dafür muss die Marktkapitalisierung von aktuell etwa einer Billion auf 8,5 Billionen Dollar steigen. Dazu verlangt der Plan 20 Millionen Fahrzeuge pro Jahr, eine Million Robo-Taxis, eine Million humanoide Roboter und ein EBITDA von 400 Milliarden Dollar. Außerdem muss Musk weitere zehn Jahre an Bord bleiben. Klingt nach Science-Fiction? Ja. Aber die Börse liebt anscheinend solche Wetten. Gelingt es, wächst Musks Anteil deutlich. Scheitert es, droht Verwässerung. Vision hat immer ihren Preis.
Und dann war da noch Fiat. Das klingt nach italienischem Kleinwagen, bedeutet an den Kapitalmärkten aber etwas anderes: Fiat-Währungen sind Geld, das nicht durch Gold oder Silber gedeckt ist, sondern einzig durch Vertrauen. Euro, Dollar, Yen – alles Fiat. Der Panda schnurrt noch entspannt im Garten. Die Frage ist nur, wie lange noch? Für den Moment reichen ein Espresso und ein erster, sauberer Schnitt. Der Rest wächst, wenn man ihn lässt.
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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