Der Espresso ist noch heiß, während es draußen regnet und ein ungemütlicher Wind durch die Gassen pfeift. Irgendwie erinnert mich das an die Unterschiede in der Weltwirtschaft: In manchen Regionen gibt es hohe Wachstumsraten, in anderen Ländern hinkt man deutlich hinterher. Und Europa scheint den Turnaround nicht so richtig zu schaffen. 2025 ist irgendwie anders. Zu Jahresbeginn sah es aus, als würde alles in geordneten Bahnen verlaufen. Es kam aber anders, als viele von uns gedacht haben. 2025 ist das Jahr des Umbruchs. Es ist wahrlich einiges passiert. Für den Kapitalmarkt ist es herausfordernd, doch wenn man sich die Performance-Zahlen vieler Investments ansieht, zeigen diese oft ein ganz anderes Bild.
Wenn Handelspolitik Kreise zieht
Die OECD hat jüngst in einer Publikation darauf hingewiesen, dass die vollen Auswirkungen von Donald Trumps Zöllen erst ante portas stehen. Die Welt scheint im Umbruch zu sein. Schon jetzt drängen chinesische Produzenten, vom US-Markt ausgesperrt, mit ihren Waren nach Lateinamerika und andere Regionen. Dort wächst die Sorge um die heimische Industrie. Handelspolitik funktioniert wie eine Umleitung: Ist eine Route blockiert, weichen alle auf eine andere aus – und genau dort entsteht der Stau. Für Anleger heißt das: Handelskonflikte sind nie rein bilateral, sie strahlen global aus.
KI zwischen Euphorie und Rechnungsblock
Parallel dazu dominiert Künstliche Intelligenz die Schlagzeilen. Eine ChatGPT-Abfrage braucht zehnmal so viel Energie als eine Google-Abfrage. Das Beratungsunternehmen Bain & Company geht davon aus, dass die Branche bis 2030 rund zwei Billionen Dollar Umsatz benötigt, allein um die Nachfrage nach Rechenleistung zu finanzieren. Realistischerweise fehlen aber noch satte 800 Milliarden. Die Machtverhältnisse scheinen klar verteilt, doch Herausforderer wie Huawei wollen Nvidia Marktanteile im Chipgeschäft abnehmen. Am Ende will jeder ein Stück vom Kuchen. Nvidia wiederum verteidigt seine Stellung und investiert bis zu 100 Milliarden in OpenAI – inklusive Eigenkapital-Anteilen. In diesem Umfeld klettern die Märkte von einem Rekord zum nächsten. Der S&P 500 markierte bereits das 28. Allzeithoch in diesem Jahr, Gold glänzte, und auch Bitcoin-Investoren können sich über eine positive Performance freuen. Aber für uns Euro-Investoren ist das nur die halbe Wahrheit, da die Performance oftmals „nur“ in US-Dollar angezeigt wird.
Diversifikation – der einzige Free Lunch
Die Euro/US-Dollar-Wechselkursentwicklung ist 2025 zum Spielverderber geworden. Und auch das hätten noch vor wenigen Monaten die wenigsten erwartet. Uns Europäer interessiert letztlich nur die Performance in Euro – und da hat der Wechselkurs, sofern nicht abgesichert, eine tiefe „Performance“-Bremsspur hinterlassen. Das trifft nicht nur Investoren, sondern auch europäische Unternehmen, die in Dollar fakturieren. Hier zeigt sich für mich wieder einmal, warum Diversifikation mehr ist als ein Schlagwort. Breite Streuung im Portfolio hilft, solche Schieflagen auszugleichen. Und manchmal steckt das Plus genau dort, wo es kaum jemand am Radar hat: Der chinesische Aktienmarkt hat heuer außerordentlich gut performt. Für Investoren mit globaler Streuung war ein Investment in China das Sahnehäubchen auf der Performance-Seite. Wie heißt es so schön: Einmal der Gigel, einmal der Gogl – am Ende zählt aber nur das Gesamtergebnis.
Blick nach Süden
Ein kurzer Blick nach Argentinien: Das Land hat Anleiheinvestoren über Jahrzehnte hinweg immer wieder überrascht. Auch jetzt kämpft es mit seiner Krise und sucht frisches Kapital. Die Weltbank stellt zusätzliche vier Milliarden Dollar bereit, eingebettet in ein größeres Hilfspaket. Für Anleger bedeutet das: Chancen entstehen nicht nur in New York oder Shanghai, sondern auch in Südamerika – stets mit dem bekannten Mix aus Chancen und Risiken.
Ob Zölle, Chips oder Milliardenpakete – Kapital ist nie statisch. Es fließt wie Wasser dorthin, wo neue Kanäle oder Möglichkeiten entstehen. Für uns Investoren heißt das: nicht alles auf eine Karte setzen, sondern breit gestreut dabei sein. Diversifikation ist der einzige Free Lunch. Und dieses Mittagessen lasse ich mir ganz bestimmt nicht entgehen.
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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