Mehr Tempo, mehr Themen, mehr Eindrücke: Mein Buch „Börse kannst auch du“ ist beim Verlag zur Endprüfung, an der Fachhochschule hat das Semester begonnen, und in Gesprächen mit Investmenthäusern ging es um Strategien für die Zukunft. Am Dienstag durfte ich über den Dächern Wiens eine Keynote vor jungen Unternehmer:innen und Führungskräften halten. Mein Thema: Zinseszins. An der Börse gern als „achtes Weltwunder“ bezeichnet, entfaltet er auch im Alltag seine Wirkung: Wer operativ liefert und gleichzeitig in sich, sein Team und die Strategiearbeit investiert, erntet langfristig die Früchte. Kurzfristig wirkt das oft nebensächlich – langfristig aber entfaltet es wahre Wunder.
Auch an den Märkten zeigt sich dieses Muster. Rund 300.000 Finanznachrichten rauschen täglich über die Ticker. Eigentlich sollten Portfolios strategisch ausgerichtet sein, mit einem klaren, langfristigen Zielbild. In der Praxis lassen sich viele vom Takt der Schlagzeilen treiben, werfen ihre Ausrichtung über Bord und verlieren den Überblick. Aus Strategie wird Taktik, aus Weitblick Hektik – und damit sinkt die Chance auf nachhaltigen Erfolg.
Beim morgendlichen Espresso wandert mein Blick durch die neuesten Berichte von Wirtschaftsforschern. Die OECD hat die globale Wachstumsprognose für 2025 leicht auf 3,2% angehoben. Klingt optimistisch. Doch der zweite Blick relativiert: Die US-Wirtschaft, bislang Zugpferd, kühlt von 2,8% auf 1,8% ab, auch China verliert an Schwung. Stützen kommen aus massiven KI-Investitionen in den USA und fiskalischen Programmen in China – ein Mix, der kurzfristig beflügelt, langfristig aber Risiken birgt.
Während die Konjunkturdaten also gemischt ausfallen, senden die Märkte ihre eigenen Signale. Defensive Branchen wie Versorger oder Gesundheit laufen schwächer als der Gesamtmarkt. Typisch für späte Boomphasen: Investoren setzen lieber auf die glänzenden Wachstumsstories, wo das Risiko für Enttäuschungen naturgemäß höher liegt. Auch die Bewertungen sind gestiegen – sehr viel Zuversicht steckt bereits in den Kursen. Vertrauen ist gut, Übermut kann aber teuer werden.
Von außen gibt es gleichzeitig Rückenwind für amerikanische Börsen. Ausländische Investoren halten so viele US-Aktien wie nie zuvor. Ein klares Zeichen für die Attraktivität des Marktes. Doch Kapitalströme können sich drehen – ein weiterer Grund, auch bei Regionen und Sektoren auf Streuung zu setzen.
Und dann ist da noch der Vergleich zur Internetblase. Damals lebte vieles von Luft und Fantasie. Heute ist es anders: NVIDIA hat seinen Börsenwert in wenigen Jahren vervielfacht, aber im Unterschied zu 2000 stehen echte Gewinne dahinter. Vor fünf Jahren lag der Gewinn noch bei weniger als 5 Milliarden Dollar, heute hat das Unternehmen bereits die Marke von 100 Milliarden überschritten. Weltweit gibt es aktuell nur fünf Unternehmen, die mehr als 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr verdienen: Saudi Aramco, Alphabet (Google), Apple, Microsoft – und eben Nvidia. Substanz ist also vorhanden, auch wenn die Bewertung ambitioniert bleibt.
Wer sein Portfolio strategisch aufstellt, mischt am besten beides: Wachstumswerte für die Fantasie und defensive Titel für die Stabilität. Zinseszins lebt von Geduld und Balance, nicht von Schlagzeilen. Weniger Zappelei bedeutet mehr Zinseszins. Nur so wachsen kleine, kluge Entscheidungen über die Zeit zu großen Ergebnissen.
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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