Der zweifache Ausverkauf, der einen Bruch mit der Vergangenheit signalisiert

Warum der gleichzeitige Kurssturz bei US-Staatsanleihen und dem US-Dollar ein Warnsignal für Investoren ist. Pictet Asset Management | 12.05.2025 08:35 Uhr
Arun Sai, Senior Multi Asset Strategist und Mickael Benhaim, Head of Fixed Income Investment Strategy & Solutions bei Pictet Asset Management / © e-fundresearch.com / Pictet Asset Management
Arun Sai, Senior Multi Asset Strategist und Mickael Benhaim, Head of Fixed Income Investment Strategy & Solutions bei Pictet Asset Management / © e-fundresearch.com / Pictet Asset Management

Es ist sehr selten, dass US-Staatsanleihen und der US-Dollar zur gleichen Zeit an Wert verlieren. Doch letzte Woche war das so. Und es kam auch zu einem gleichzeitigen Ausverkauf – dem viertstärksten seit 40 Jahren.

Es gibt konkurrierende Erklärungen für den zweifachen Rückgang, und auch einige technische Faktoren spielen eine Rolle.

Unseres Erachtens stellt eine Entwicklung dieser Größenordnung eine klare Absage an die politische Leitinitiative von Präsident Trump dar und ist eine Warnung, dass der Status von US-Staatsanleihen und dem US-Dollar als sicherer Hafen nicht länger als selbstverständlich angesehen werden kann. Mit anderen Worten, das ist eine Wendepunkt für Investoren.

Wir haben schon vor einiger Zeit prophezeit, dass die stetige Erosion der „Soft Power“ der USA – von der Außenpolitik bis zur multilateralen Zusammenarbeit – irgendwann zu einem erheblichen Anstieg der Kapitalkosten der USA führen würde. Durch die von Trump verfolgte Politik wird der Tag der Abrechnung vorgezogen.

Importzölle, die darauf abzielen, die Dollarüberschüsse der Handelspartner der USA zu reduzieren, verringern natürlich die Nachfrage nach dem Greenback und nach US-Staatsanleihen, während die zunehmende Instrumentalisierung des Dollars und des US-Finanzsystems als Waffe – in Verbindung mit politischem Taktieren – die Attraktivität des Landes für Investitionen weiter schwächt. 

„Die USA haben sich von einer Quelle der globalen Stabilität zu einem Epizentrum der Unsicherheit entwickelt. Daher ist es unrealistisch zu erwarten, dass globales Kapital in die USA strömt.“

Das Epizentrum der Unsicherheit

Natürlich sind die USA es gewohnt, die Welt nach ihrem Willen zu formen.

Jahrzehntelang war es den USA aufgrund ihrer Ausnahmestellung, d.h. der einzigartigen Rolle, die sie in der Geopolitik, der Wirtschaft und im Finanzsystem einnahmen, möglich, die Grenzen der wirtschaftlichen Orthodoxie zu verschieben. In den letzten zehn Jahren konnte das Land ein enormes Doppeldefizit – Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit – aufrechterhalten, wodurch die Wirtschaft in Schwung kam.

Aber die Politik, die die USA jetzt verfolgen, ist von einer ganz anderen Größenordnung. Wie in unserem kommenden Secular Outlook – in dem wir unsere Renditeprognosen für die Anlageklassen für die nächsten fünf Jahre detailliert darlegen – zu lesen sein wird, haben sich die USA von einer Quelle globaler Stabilität zu einem Epizentrum der Unsicherheit entwickelt.

Glaubwürdigkeit ist für jedes Land das wichtigste Gut. Wird sie beschädigt, lässt sie sich nur schwer reparieren. Daher ist es unrealistisch zu erwarten, dass weiterhin so viel globales Kapital in die USA strömen wird.“ 

Das Vereinigte Königreich hat uns einiges gelehrt. Im Jahr 2022 löste die damalige Premierministerin Liz Truss mit ihrer Politik der drastischen, nicht finanzierten Steuersenkungen eine Panik an den Märkten für britische Staatsanleihen aus und der dadurch angerichtete Schaden ist noch heute sichtbar. In der vergangenen Woche, die von Marktturbulenzen geprägt war, erlebten britische Gilts eine deutlich höhere Volatilität als ihre Pendants in den Industrieländern, und die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen erreichte den höchsten Stand seit 1998.

Auf die Prämie achten

Da die Investoren das Risiko von US-Kapital neu bewerten, ist die Laufzeitprämie – eine Komponente der Rendite von US-Staatsanleihen – auf den höchsten Stand seit über zehn Jahren gestiegen.

Dies ist die zusätzliche Vergütung, die Investoren für das Halten einer langfristigen Anleihe über die erwartete Wachstums- und Inflationsrate hinaus verlangen. Ihre Berechnung ist komplex, da sie verschiedene Faktoren umfasst, die von der Marktstimmung über die Geldpolitik bis hin zur politischen Unsicherheit reichen.

Nach unseren Berechnungen, die sich auf einige der gängigsten Modelle stützen, könnte der Aufschlag gegenüber dem derzeitigen Niveau um mindestens weitere 25 Basispunkte steigen.

Schuldenberg

Die Lage in den USA ist umso prekärer, als der öffentliche Kreditbedarf ungewöhnlich hoch ist.  

Es wird erwartet, dass das Finanzministerium in diesem Jahr zur Finanzierung des Haushaltsdefizits neue Schuldtitel in Höhe von 2 Bio. US-Dollar emittieren und fällig werdende Schuldtitel in Höhe von 8 Bio. US-Dollar durch neue ablösen wird.

Besorgniserregend ist, dass die Nettoemission von US-Staatsanleihen bisher nicht mit der Verschlechterung des Haushaltssaldos Schritt halten konnte (siehe Abbildung). Die Lücke muss im Laufe des Jahres geschlossen werden, was zu einer Nettoneuverschuldung von etwa 500 Mrd. US-Dollar führen wird, und das zu einer Zeit, in der die Finanzierungskosten höher sein werden als jetzt gerade. 

Das zusätzliche Angebot an Schuldtiteln wird wahrscheinlich eher auf mittel- bis längerfristige Laufzeiten als auf kurzfristige Schatzwechsel („T-Bills“) abzielen, die bereits mehr als ein Fünftel der gesamten marktfähigen Schuldtitel ausmachen.

Doch dank der von Präsident Trump geplanten Steuersenkungen und der im Zuge der Konjunkturabkühlung wahrscheinlich sinkenden Steuereinnahmen gehen wir von einer weiteren Verschlechterung des Haushaltssaldos aus.

Die jüngsten Auktionen für US-Staatsanleihen waren wenig dynamisch oder bestenfalls lauwarm – ein weiteres Warnsignal für die Investoren.

Wenn ein höheres Angebot zu höheren Renditen führt, wird sich die Schuldendynamik in den USA noch weiter verschlechtern.

Das Congressional Budget Office schätzt, dass ein Anstieg der Renditen um 0,1 Prozentpunkte pro Jahr zu einem kumulativen Anstieg des Defizits um 350 Mrd. US-Dollar gegenüber seiner Ausgangsprognose für den Zeitraum 2026-2035 führen wird.

„Der Schaden für die Wirtschaft und US-Anlagewerte ist bereits angerichtet. Trump hat den Anleiheinvestoren alle Anreize gegeben, Alternativen zu US-Treasuries und dem Dollar in Betracht zu ziehen. Es gibt keinen Weg zurück.“

Kein grosser Knall, sondern langsame Verschlechterung

Dennoch wäre es falsch anzunehmen, dass die USA ihren Status als sicheren Hafen über Nacht verlieren werden. Dieser Prozess dürfte sich über einen langen Zeitraum hinziehen, nicht zuletzt, weil es derzeit keine Anlagewerte gibt, die es mit dem US-Dollar und US-Staatsanleihen in puncto Liquidität aufnehmen können.

Der Greenback und US-Treasuries werden Ankerinvestitionen in globalen Portfolios bleiben – und es wird auch in Zukunft immer wieder Zeiten geben, in denen es sinnvoll sein könnte, beides überzugewichten.

Mittel- bis langfristig wird es für Investoren jedoch sinnvoller sein, nach Alternativen zu suchen und einen Teil ihrer Portfolios allmählich von US-Anlagen weg zu diversifizieren.

Deutsche Bundesanleihen und Gold dürften am meisten von dieser Umschichtung profitieren, aber auch andere Anlagewerte wie Schwellenländer-Staatsanleihen in Lokalwährung und erstklassige Unternehmensanleihen dürften Zuflüsse verzeichnen.

Bemerkenswert ist, dass die Renditen deutscher Bundesanleihen selbst dann stabil geblieben sind, als die Panik im April den US-Markt erfasste. Bundesanleihen erzielten die größte relative wöchentliche Outperformance gegenüber US-Staatsanleihen seit 1989. Dies zeigt, dass Staatsanleihe-Investoren wählerischer werden.

Der Goldpreis hat unterdessen einen neuen Rekordwert von 3.100 US-Dollar je Unze erreicht. Wir gehen davon aus, dass sich die Rally fortsetzen wird, da die Zentralbanken der Schwellenländer einen größeren Teil ihrer Reserven in das Edelmetall investieren werden.

Auch Staatsanleihen der Schwellenländer werden auf Kosten des Marktes für US-Staatsanleihen zulegen.  Für die Schwellenländer sprechen eine stabile Haushaltslage, wachsende Volkswirtschaften und die Fähigkeit, die Zinssätze weiter zu senken.

Entscheidend für Anleiheinvestoren ist, dass die Schwellenländer die einzige Gruppe von Ländern sind, in denen die Inflation noch immer überraschend niedrig ist. Dies macht Staatsanleihen in Lokalwährung, insbesondere in Lateinamerika, zu einer attraktiven Angelegenheit. Darüber hinaus dürfte sich das Wachstumsgefälle zugunsten der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern vergrößern, was hochwertigen Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern zugute kommen dürfte.

Mit Sicherheit wird sich Trumps Zollpolitik in den kommenden Wochen weiterentwickeln. Unabhängig vom Ausgang der Handelsverhandlungen sind wir jedoch der Meinung, dass der Schaden für die Wirtschaft und US-Anlagewerte bereits angerichtet ist. Trump hat den Anleiheinvestoren alle Anreize gegeben, Alternativen zu US-Treasuries und dem Dollar in Betracht zu ziehen. Es gibt keinen Weg zurück. 

Von Arun Sai, Senior Multi Asset Strategist und Mickael Benhaim, Head of Fixed Income Investment Strategy & Solutions bei Pictet Asset Management

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