Kalbsleder in Etoupe, Überschlag, Twist-Lock-Verschluss. Die Hermès Birkin ist seit ihrer Einführung vor 40 Jahren zu einer der luxuriösesten Designerhandtaschen aller Zeiten geworden, obwohl sie mindestens 10.000 Euro kostet – und die Warteliste ist lang. Nicht ganz so langlebig, dafür aber genauso unverwechselbar ist der Rouge Hermès Lippenstift, den es schon für 70 Euro gibt.
Inklusiver Luxus, das klingt wie ein Widerspruch in sich. Doch sind gerade erschwingliche Sortimente eine Möglichkeit für den Sektor, die Herzen der jüngeren Generation zu erobern, seine Zielgruppe zu erweitern und loyale Kunden zu gewinnen, die mit der Marke wachsen und das Produktangebot im Laufe der Zeit mitgestalten.
Marken wie Balenciaga und Miu Miu bieten mittlerweile preiswertere Sortimente an Schals, Accessoires und Lifestyle-Produkten an. Düfte, Sonnenbrillen und Wellness-Erlebnisse werden immer beliebter, da sie eine kostengünstige Möglichkeit darstellen, Luxus zu erleben.
Abgesehen von der Erschwinglichkeit kommt dies auch jüngeren Verbrauchern entgegen, die Wert auf eine personalisiertere Behandlung legen – nicht nur in Form einer Individualisierung mit eingestickten Initialen, sondern auch von vertrauenswürdigen Empfehlungen und ansprechenden Inhalten. Sie geben mehr für Erlebnisse aus, und wenn sie Waren kaufen, wollen sie das auch als Erlebnis spüren.
Zwar werden die meisten Luxusartikel nach wie vor in einem traditionellen Geschäft gekauft, aber schätzungsweise 80-90% der Kaufentscheidungen werden online getroffen. Digitale Plattformen ermöglichen es den Verbrauchern, in Augmented Reality zu recherchieren und sogar Artikel anzuprobieren. Die digitale Welt macht den Zugang für ein völlig neues Publikum möglich: Eine Milliarde Menschen verfolgten die erste Fashion Show des Designers Pharrell Williams für Louis Vuitton, die von zahlreichen Stars gefeiert wurde.1 Einzelhändler nutzen Technologie, um Verbraucher in ihren Shop zu locken (zum Beispiel mit personalisierten Bildschirmschonern, digitalen Geschenken, der Möglichkeit, eigene Fotos hochzuladen) und ihr Marketing gezielt auszurichten. B. mit personalisierten Bildschirmschonern, digitalen Geschenken, Optionen zum Hochladen eigener Fotos) und ihr Marketing gezielt anzusprechen.
Besonders wichtig sind Community-Inhalte mit Styling-Tipps und authentischen Testimonials. Und das gilt nicht nur für jüngere Zielgruppen – Marken sprechen auch ältere Verbraucher an, indem sie Models und Markenbotschafter ihrer Generation einsetzen.
Der Schlüssel liegt darin, die Reichweite zu vergrößern, ohne die Marke zu verwässern, so der Themenbeirat der Premium Brands Strategie von Pictet Asset Management. Es geht darum, Tradition und handwerkliches oder künstlerisches Können in eine digitale Story zu verpacken.
Eine weitere interessante Herausforderung stellt die Globalisierung dar. Einerseits wollen die Verbraucher, dass man ihre Luxusartikel überall auf der Welt wiedererkennt. Andererseits hat jeder Markt seine eigenen lokalen Merkmale. Auch hier kann ein erlebnisorientierter Ansatz helfen. Die Spring Show 2025 von Balenciaga in Shanghai beispielsweise war von der lokalen Kultur inspiriert – die Einladungen hatten die Form der traditionellen Xiaolongbao (gedämpfte Teigtaschen). Das Gericht wurde dann tatsächlich auf dem Event selbst gereicht, in Zusammenarbeit mit einem ortsansässigen Restaurant.
All das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Luxusmarken von ihren klassischen Designs und High-End-Produkten verabschieden. Bei Autos, Schmuck und Handtaschen fallen Innovationen weniger auf und der Ruf nach neuen Produkten wird von Jahr zu Jahr leiser. In diesen Sektoren sind die Eintrittsbarrieren höher und die Käufer schätzen die zeitlose Qualität der Produkte.
Hier werden die Sortimente mit neuen Farben, anderen Materialien und durch limitierte Online-Kollektionen und Sonderkollektionen aktualisiert. Die fast 200 Jahre alte Marke Louis Vuitton ist seit jeher Synonym für zeitlose Klassiker. Zu ihren Stärken zählte aber auch schon immer, am Puls der Zeit zu bleiben und jüngere Fans für sich zu gewinnen – durch Kooperationen mit Streetwear-Marken wie Supreme und COMME des GARÇONS sowie mit Künstlern wie Takashi Murakami.
Durch die Verschmelzung von Neuem und Zeitlosem und die Nutzung neuer Technologien wird der Luxussektor somit inklusiver und erschließt neue Zielgruppen, ohne dabei den Touch des Besonderen zu verlieren. Dieser Lippenstift könnte der Beginn einer lebenslangen Beziehung zwischen Kundin und Marke sein.
Von Gillian Diesen, Client Portfolio Manager bei Pictet Asset Management
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