Zu Beginn des vierten Quartals ist es Zeit, wieder einmal den Puls der Weltwirtschaft zu prüfen. Die jüngsten Daten bestätigen die Erwartung, dass die zweite Jahreshälfte überdurchschnittlich ausfallen sollte. Die US-Stimmungsindikatoren sprechen für eine solide Industriekonjunktur. Hier stützt auch der private Verbrauch die Wirtschaft, zumal der Arbeitsmarkt Fortschritte macht und die Aussicht auf Lohnerhöhungen sowie positive Vermögenseffekte durch steigende Immobilien- und Aktienkurse besteht.
Stockende Erholung
Die Entscheidungen der Fed dürften in erster Linie vom Arbeitsmarkt abhängen, wie auf dem diesjährigen Symposium von Jackson Hole deutlich wurde. Und hier hat sich die Lage in diesem Jahr verbessert. Im Euroraum ist die Erholung in den vergangenen Wochen etwas ins Stocken geraten. Viele Konjunkturindikatoren sind im Sommer leicht zurückgegangen, was für eine geringere Dynamik spricht. Ein gutes Omen ist aber der deutliche Anstieg der deutschen Industrieproduktion im Juli.
Sorge um Russland
Zu den eher enttäuschenden Zahlen könnte die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine beigetragen haben, da die Exporte nach Russland im Vorjahresvergleich um 15 Prozent gefallen sind – und die Situation insgesamt das Vertrauen der Industrie beeinträchtigte.
Stabilisierend dürften hingegen das neue Maßnahmenpaket der Europäischen Zentralbank (EZB) und die anschließende Euro-Abwertung sein. Insgesamt glauben wir in Europa an eine Fortführung des moderaten Aufschwungs in den nächsten Quartalen. Was die Inflation betrifft, so sollte in diesem September der Tiefpunkt erreicht worden sein, und eine Stabilisierung bei etwa 0,5 Prozent bis zum Jahresende dürfte nun folgen.
Gute Kunde aus China
In Japan spricht ebenso viel für eine moderate Erholung und ein Wachstum von etwa 1,5 Prozent bis zum Jahresende. Die japanische Notenbank scheint jedenfalls mit der Konjunktur und dem Inflationsausblick durchaus zufrieden zu sein.
Die Emerging-Market-Konjunktur macht insgesamt Fortschritte und vielerorts sieht man eine Erholung, wenn auch auf niedrigem Niveau. In China hingegen sieht es so aus, als ob die Regierung weitere Strukturreformen plant wie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Hier gibt es allerdings eine wirklich gute Neuigkeit: Die Aktivität auf dem Immobilienmarkt ist deutlich gesunken – so wie die Preise der Transaktionen – ohne dass dies einen Zusammenbruch der Wirtschaft und des Finanzsystems ausgelöst hätte.
Realistische Gewinnerwartungen
Rein fundamental gesehen stehen also viele Zeichen auf grün für Aktien. Insbesondere ist immer noch sehr viel Liquidität in den Märkten vorhanden – und die EZB hat deutlich gemacht, dass diese noch weiter verstärkt werden wird. Aber wie steht es um die Gewinne?
In der Tat halten wir die heutigen Gewinnerwartungen für durchaus realistisch. Hinzu kommt der positive Effekt des schwächeren Euro auf die Unternehmensgewinne in Europa. Die Zinssenkungen und die ABS-Käufe der EZB werden außerdem den Bankgewinnen gut tun. Für Unternehmensanleihen wird die Lage schwieriger: Auch wenn die guten Gründe für eine teure Bewertung länger anhalten dürften, so ist schlicht kein Raum mehr für weitere Performance da.
Geopolitische Risiken
Das B-Moll jeder Analyse muss zum Ende allerdings der Hinweis auf die aktuellen Risiken sein, die insbesondere geopolitischer Natur sind: ein Überschwappen der Regenschirm-Revolution in Hongkong auf China, die Wahlen in Brasilien, das Unabhängigkeits-Referendum in Katalonien, griechische Bestrebungen sich der Troika zu entledigen, der Kampf gegen den islamischen Staat und nicht zuletzt eine mögliche Fortsetzung des ukrainisch-russischen Konfliktes.
Die Liste der Gefahren ist lang. Der Zeitpunkt eines Einstiegs in riskantere Anlageklassen ist sorgfältig zu prüfen.